beiden Beziehungen ist nun zwar nicht unmöglich, aber sie ist schwierig; und es muß in jedem einzelnen Falle immer unter- sucht werden, ob ein concretes Rechtsverhältniß eine Folge der Stellung im Staatsorganismus oder der rein menschlichen Verhältnisse ist. Aus praktischen Gründen kann allerdings eine ungetrennte Behandlung beider Seiten zweckmäßig scheinen, und dann ist es Sache der freien Wahl, welchem von beiden großen Rechtsgebieten die Darstellung eingefügt werden will. So z. B. das Privatfürstenrecht, die Rechte der Beamten, Volksvertreter u. s. w. -- Endlich steht der Staat selbst inso- ferne in privatrechtlichen Beziehungen, als er, zur Durchführung der ihm obliegenden Leistungen, im Besitze von Eigenthum und anderen nutzbaren Rechten ist; mit anderen Worten, als Fiscus. Es wäre nun allerdings nicht unmöglich und nicht grund- sätzlich ungerecht, für diese Vermögensverhältnisse des Staates andere Grundsätze festzustellen, als für die gleichnamigen Eigen- thumsverhältnisse von Privaten; und es würde dann eine solche besondere Gesetzgebung ohne Zweifel logisch richtig in das Gebiet des Staatsrechtes fallen: allein es ist (freilich mit nicht unbeachtenswerthen Ausnahmen im römischen Rechte) für nütz- licher und anständiger erachtet worden, den Vermögen besitzenden Staat den für die Privaten geltenden Grundsätze unterzuordnen. Damit wird nun ein Theil der Rechtssphäre des Staates in das Privatrecht gerückt und die Grenze zwischen beiden ver- schoben, was denn aber, wie gesagt, nicht in der Natur der Sache liegt, sondern die Folge positiv rechtlicher Bestimmungen ist, welche in den einzelnen Staaten nach Belieben geordnet sein mögen 2).
2. Unterschied von Staatsrecht und Gesellschafts- recht. -- Die Anerkennung der Gesellschaft, als eines eigen- thümlichen, vom Staate einerseits und von den Beziehungen der Persönlichkeit andererseits verschiedenen Lebenskreises bringt
v. Mohl, Encyclopädie. 13
beiden Beziehungen iſt nun zwar nicht unmöglich, aber ſie iſt ſchwierig; und es muß in jedem einzelnen Falle immer unter- ſucht werden, ob ein concretes Rechtsverhältniß eine Folge der Stellung im Staatsorganismus oder der rein menſchlichen Verhältniſſe iſt. Aus praktiſchen Gründen kann allerdings eine ungetrennte Behandlung beider Seiten zweckmäßig ſcheinen, und dann iſt es Sache der freien Wahl, welchem von beiden großen Rechtsgebieten die Darſtellung eingefügt werden will. So z. B. das Privatfürſtenrecht, die Rechte der Beamten, Volksvertreter u. ſ. w. — Endlich ſteht der Staat ſelbſt inſo- ferne in privatrechtlichen Beziehungen, als er, zur Durchführung der ihm obliegenden Leiſtungen, im Beſitze von Eigenthum und anderen nutzbaren Rechten iſt; mit anderen Worten, als Fiscus. Es wäre nun allerdings nicht unmöglich und nicht grund- ſätzlich ungerecht, für dieſe Vermögensverhältniſſe des Staates andere Grundſätze feſtzuſtellen, als für die gleichnamigen Eigen- thumsverhältniſſe von Privaten; und es würde dann eine ſolche beſondere Geſetzgebung ohne Zweifel logiſch richtig in das Gebiet des Staatsrechtes fallen: allein es iſt (freilich mit nicht unbeachtenswerthen Ausnahmen im römiſchen Rechte) für nütz- licher und anſtändiger erachtet worden, den Vermögen beſitzenden Staat den für die Privaten geltenden Grundſätze unterzuordnen. Damit wird nun ein Theil der Rechtsſphäre des Staates in das Privatrecht gerückt und die Grenze zwiſchen beiden ver- ſchoben, was denn aber, wie geſagt, nicht in der Natur der Sache liegt, ſondern die Folge poſitiv rechtlicher Beſtimmungen iſt, welche in den einzelnen Staaten nach Belieben geordnet ſein mögen 2).
2. Unterſchied von Staatsrecht und Geſellſchafts- recht. — Die Anerkennung der Geſellſchaft, als eines eigen- thümlichen, vom Staate einerſeits und von den Beziehungen der Perſönlichkeit andererſeits verſchiedenen Lebenskreiſes bringt
v. Mohl, Encyclopädie. 13
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0207"n="193"/>
beiden Beziehungen iſt nun zwar nicht unmöglich, aber ſie iſt<lb/>ſchwierig; und es muß in jedem einzelnen Falle immer unter-<lb/>ſucht werden, ob ein concretes Rechtsverhältniß eine Folge der<lb/>
Stellung im Staatsorganismus oder der rein menſchlichen<lb/>
Verhältniſſe iſt. Aus praktiſchen Gründen kann allerdings<lb/>
eine ungetrennte Behandlung beider Seiten zweckmäßig ſcheinen,<lb/>
und dann iſt es Sache der freien Wahl, welchem von beiden<lb/>
großen Rechtsgebieten die Darſtellung eingefügt werden will.<lb/>
So z. B. das Privatfürſtenrecht, die Rechte der Beamten,<lb/>
Volksvertreter u. ſ. w. — Endlich ſteht der Staat ſelbſt inſo-<lb/>
ferne in privatrechtlichen Beziehungen, als er, zur Durchführung<lb/>
der ihm obliegenden Leiſtungen, im Beſitze von Eigenthum und<lb/>
anderen nutzbaren Rechten iſt; mit anderen Worten, als Fiscus.<lb/>
Es wäre nun allerdings nicht unmöglich und nicht grund-<lb/>ſätzlich ungerecht, für dieſe Vermögensverhältniſſe des Staates<lb/>
andere Grundſätze feſtzuſtellen, als für die gleichnamigen Eigen-<lb/>
thumsverhältniſſe von Privaten; und es würde dann eine ſolche<lb/>
beſondere Geſetzgebung ohne Zweifel logiſch richtig in das<lb/>
Gebiet des Staatsrechtes fallen: allein es iſt (freilich mit nicht<lb/>
unbeachtenswerthen Ausnahmen im römiſchen Rechte) für nütz-<lb/>
licher und anſtändiger erachtet worden, den Vermögen beſitzenden<lb/>
Staat den für die Privaten geltenden Grundſätze unterzuordnen.<lb/>
Damit wird nun ein Theil der Rechtsſphäre des Staates in<lb/>
das Privatrecht gerückt und die Grenze zwiſchen beiden ver-<lb/>ſchoben, was denn aber, wie geſagt, nicht in der Natur der<lb/>
Sache liegt, ſondern die Folge poſitiv rechtlicher Beſtimmungen<lb/>
iſt, welche in den einzelnen Staaten nach Belieben geordnet<lb/>ſein mögen <hirendition="#sup">2</hi>).</p><lb/><p>2. Unterſchied von <hirendition="#g">Staatsr</hi>echt und <hirendition="#g">Geſellſchafts</hi>-<lb/>
recht. — Die Anerkennung der Geſellſchaft, als eines eigen-<lb/>
thümlichen, vom Staate einerſeits und von den Beziehungen der<lb/>
Perſönlichkeit andererſeits verſchiedenen Lebenskreiſes bringt<lb/><fwplace="bottom"type="sig">v. <hirendition="#g">Mohl</hi>, Encyclopädie. 13</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[193/0207]
beiden Beziehungen iſt nun zwar nicht unmöglich, aber ſie iſt
ſchwierig; und es muß in jedem einzelnen Falle immer unter-
ſucht werden, ob ein concretes Rechtsverhältniß eine Folge der
Stellung im Staatsorganismus oder der rein menſchlichen
Verhältniſſe iſt. Aus praktiſchen Gründen kann allerdings
eine ungetrennte Behandlung beider Seiten zweckmäßig ſcheinen,
und dann iſt es Sache der freien Wahl, welchem von beiden
großen Rechtsgebieten die Darſtellung eingefügt werden will.
So z. B. das Privatfürſtenrecht, die Rechte der Beamten,
Volksvertreter u. ſ. w. — Endlich ſteht der Staat ſelbſt inſo-
ferne in privatrechtlichen Beziehungen, als er, zur Durchführung
der ihm obliegenden Leiſtungen, im Beſitze von Eigenthum und
anderen nutzbaren Rechten iſt; mit anderen Worten, als Fiscus.
Es wäre nun allerdings nicht unmöglich und nicht grund-
ſätzlich ungerecht, für dieſe Vermögensverhältniſſe des Staates
andere Grundſätze feſtzuſtellen, als für die gleichnamigen Eigen-
thumsverhältniſſe von Privaten; und es würde dann eine ſolche
beſondere Geſetzgebung ohne Zweifel logiſch richtig in das
Gebiet des Staatsrechtes fallen: allein es iſt (freilich mit nicht
unbeachtenswerthen Ausnahmen im römiſchen Rechte) für nütz-
licher und anſtändiger erachtet worden, den Vermögen beſitzenden
Staat den für die Privaten geltenden Grundſätze unterzuordnen.
Damit wird nun ein Theil der Rechtsſphäre des Staates in
das Privatrecht gerückt und die Grenze zwiſchen beiden ver-
ſchoben, was denn aber, wie geſagt, nicht in der Natur der
Sache liegt, ſondern die Folge poſitiv rechtlicher Beſtimmungen
iſt, welche in den einzelnen Staaten nach Belieben geordnet
ſein mögen 2).
2. Unterſchied von Staatsrecht und Geſellſchafts-
recht. — Die Anerkennung der Geſellſchaft, als eines eigen-
thümlichen, vom Staate einerſeits und von den Beziehungen der
Perſönlichkeit andererſeits verſchiedenen Lebenskreiſes bringt
v. Mohl, Encyclopädie. 13
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/207>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.