Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.Staaten, deren Oberhaupt eine moralische Person ist, die einzelnen physischen Personen, aus welchen dieselbe gebildet ist, als "Souveräne," als Inhaber der Staatsgewalt oder als Staatsoberhäupter zu bezeichnen, nur der Collectivperson kommt diese Eigenschaft sammt ihren Rechten zu. Allein nicht zu läugnen ist, daß jeder Einzelne, insoferne er als Bestand- theil der Collectivperson gedacht wird und handelt, im Mitbesitze der Staatsgewalt ist. Hiermit ist die rechtliche Stellung und Verpflichtung als Unterthan in allen übrigen Beziehungen sehr wohl vereinbar 2) Ueber die persönlichen Rechtsverhältnisse eines Staatsoberhauptes s. zunächst die oben in § 15, Anm. 1, angeführte Literatur; sodann noch besonders: Maurenbrecher, R., Die deutschen regierenden Fürsten und die Souveränität. Frankf., 1839. -- Bluntschli, Allgemeines Staats- recht, Bd. I, S. 335 ff. -- Zachariä, H. A., Deutsches Staatsrecht, Bd. I, S. 284 u. ff. -- Zöpfl, Staatsrecht, 4. Aufl., Bd. I, S. 76 u. ff. -- Held, System des Verfass.-Rechtes, Bd. II, S. 115 fg. 3) Unter keinen Umständen darf in einer repräsentativen Monarchie die Mitwirkung der Ständeversammlung bei der Herstellung des Beweises einer persönlichen Unfähigkeit das zunächst zum Throne Berufenen übergangen werden. Es gereicht ihrer Untersuchung und Anerkennung eben so sehr zum Schutze der Rechte des zu Entfernenden, als zu der Sicherstellung der Rechte des eintretenden Stellvertreters. Ueberdieß hat das Volk ein Recht auf eine bestimmte Ueberzeugung, daß der von ihm geforderte Gehorsam gegen den Stellvertreter auch wirklich rechtlich begründet sei. Einseitige Er- klärungen von irgend einer Seite gewähren nicht dieselbe Gewißheit; und welche rechtliche Kraft Beschlüsse von Personen und Vereinigungen haben sollen, denen sonst keine Zuständigkeit in Staatsangelegenheiten zur Seite steht, (wie etwa eines Familienrathes,) ist ohnedem nicht einzusehen. Selbst zu geheimen Sitzungen ist in einer so wichtigen, jeder Unklarheit und Unge- wißheit möglichst zu entziehenden Angelegenheit nicht zu rathen. 4) Ueber die rechtliche Stellung eines Usurpators und eines Zwischen- herrschers s. folgende Schriften: Pfeiffer, B. W., Inwiefern sind Regierungshandlungen eines Zwischenherrschers verbindlich? Kassel, 1818. -- Schaumann, Die rechtlichen Verhältnisse des legitimen Fürsten, des Usurpators und des Volkes. Kassel, 1820. -- Stickel, F. F., Beitrag zu der Lehre von den Handlungen eines Zwischenherrschers. Gießen, 1825. -- Zachariä, H. A., Ueber die Verpflichtungen restaurirter Regierungen, in der Tüb. Zeitschr. f. St.-W., Bd. IX, S 79 fg. -- Zöpfl, D. Staats-Recht, Bd. II, S. 2 fg. -- Bluntschli, Allgem. Staatsr., Bd. II, S. 47 fg. 5) Die Lehre von der Verbindlichkeit der Regierungshandlungen der Vorfahren ist sehr vielfach bearbeitet. Siehe die Literatur darüber bei Staaten, deren Oberhaupt eine moraliſche Perſon iſt, die einzelnen phyſiſchen Perſonen, aus welchen dieſelbe gebildet iſt, als „Souveräne,“ als Inhaber der Staatsgewalt oder als Staatsoberhäupter zu bezeichnen, nur der Collectivperſon kommt dieſe Eigenſchaft ſammt ihren Rechten zu. Allein nicht zu läugnen iſt, daß jeder Einzelne, inſoferne er als Beſtand- theil der Collectivperſon gedacht wird und handelt, im Mitbeſitze der Staatsgewalt iſt. Hiermit iſt die rechtliche Stellung und Verpflichtung als Unterthan in allen übrigen Beziehungen ſehr wohl vereinbar 2) Ueber die perſönlichen Rechtsverhältniſſe eines Staatsoberhauptes ſ. zunächſt die oben in § 15, Anm. 1, angeführte Literatur; ſodann noch beſonders: Maurenbrecher, R., Die deutſchen regierenden Fürſten und die Souveränität. Frankf., 1839. — Bluntſchli, Allgemeines Staats- recht, Bd. I, S. 335 ff. — Zachariä, H. A., Deutſches Staatsrecht, Bd. I, S. 284 u. ff. — Zöpfl, Staatsrecht, 4. Aufl., Bd. I, S. 76 u. ff. — Held, Syſtem des Verfaſſ.-Rechtes, Bd. II, S. 115 fg. 3) Unter keinen Umſtänden darf in einer repräſentativen Monarchie die Mitwirkung der Ständeverſammlung bei der Herſtellung des Beweiſes einer perſönlichen Unfähigkeit das zunächſt zum Throne Berufenen übergangen werden. Es gereicht ihrer Unterſuchung und Anerkennung eben ſo ſehr zum Schutze der Rechte des zu Entfernenden, als zu der Sicherſtellung der Rechte des eintretenden Stellvertreters. Ueberdieß hat das Volk ein Recht auf eine beſtimmte Ueberzeugung, daß der von ihm geforderte Gehorſam gegen den Stellvertreter auch wirklich rechtlich begründet ſei. Einſeitige Er- klärungen von irgend einer Seite gewähren nicht dieſelbe Gewißheit; und welche rechtliche Kraft Beſchlüſſe von Perſonen und Vereinigungen haben ſollen, denen ſonſt keine Zuſtändigkeit in Staatsangelegenheiten zur Seite ſteht, (wie etwa eines Familienrathes,) iſt ohnedem nicht einzuſehen. Selbſt zu geheimen Sitzungen iſt in einer ſo wichtigen, jeder Unklarheit und Unge- wißheit möglichſt zu entziehenden Angelegenheit nicht zu rathen. 4) Ueber die rechtliche Stellung eines Uſurpators und eines Zwiſchen- herrſchers ſ. folgende Schriften: Pfeiffer, B. W., Inwiefern ſind Regierungshandlungen eines Zwiſchenherrſchers verbindlich? Kaſſel, 1818. — Schaumann, Die rechtlichen Verhältniſſe des legitimen Fürſten, des Uſurpators und des Volkes. Kaſſel, 1820. — Stickel, F. F., Beitrag zu der Lehre von den Handlungen eines Zwiſchenherrſchers. Gießen, 1825. — Zachariä, H. A., Ueber die Verpflichtungen reſtaurirter Regierungen, in der Tüb. Zeitſchr. f. St.-W., Bd. IX, S 79 fg. — Zöpfl, D. Staats-Recht, Bd. II, S. 2 fg. — Bluntſchli, Allgem. Staatsr., Bd. II, S. 47 fg. 5) Die Lehre von der Verbindlichkeit der Regierungshandlungen der Vorfahren iſt ſehr vielfach bearbeitet. 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¹⁾ Staaten, deren Oberhaupt eine moraliſche Perſon iſt, die einzelnen
phyſiſchen Perſonen, aus welchen dieſelbe gebildet iſt, als „Souveräne,“
als Inhaber der Staatsgewalt oder als Staatsoberhäupter zu bezeichnen,
nur der Collectivperſon kommt dieſe Eigenſchaft ſammt ihren Rechten zu.
Allein nicht zu läugnen iſt, daß jeder Einzelne, inſoferne er als Beſtand-
theil der Collectivperſon gedacht wird und handelt, im Mitbeſitze der
Staatsgewalt iſt. Hiermit iſt die rechtliche Stellung und Verpflichtung als
Unterthan in allen übrigen Beziehungen ſehr wohl vereinbar
²⁾ Ueber die perſönlichen Rechtsverhältniſſe eines Staatsoberhauptes
ſ. zunächſt die oben in § 15, Anm. 1, angeführte Literatur; ſodann noch
beſonders: Maurenbrecher, R., Die deutſchen regierenden Fürſten und
die Souveränität. Frankf., 1839. — Bluntſchli, Allgemeines Staats-
recht, Bd. I, S. 335 ff. — Zachariä, H. A., Deutſches Staatsrecht,
Bd. I, S. 284 u. ff. — Zöpfl, Staatsrecht, 4. Aufl., Bd. I, S. 76
u. ff. — Held, Syſtem des Verfaſſ.-Rechtes, Bd. II, S. 115 fg.
³⁾ Unter keinen Umſtänden darf in einer repräſentativen Monarchie
die Mitwirkung der Ständeverſammlung bei der Herſtellung des
Beweiſes einer perſönlichen Unfähigkeit das zunächſt zum Throne Berufenen
übergangen werden. Es gereicht ihrer Unterſuchung und Anerkennung eben
ſo ſehr zum Schutze der Rechte des zu Entfernenden, als zu der Sicherſtellung
der Rechte des eintretenden Stellvertreters. Ueberdieß hat das Volk ein
Recht auf eine beſtimmte Ueberzeugung, daß der von ihm geforderte Gehorſam
gegen den Stellvertreter auch wirklich rechtlich begründet ſei. Einſeitige Er-
klärungen von irgend einer Seite gewähren nicht dieſelbe Gewißheit; und
welche rechtliche Kraft Beſchlüſſe von Perſonen und Vereinigungen haben
ſollen, denen ſonſt keine Zuſtändigkeit in Staatsangelegenheiten zur Seite
ſteht, (wie etwa eines Familienrathes,) iſt ohnedem nicht einzuſehen. Selbſt
zu geheimen Sitzungen iſt in einer ſo wichtigen, jeder Unklarheit und Unge-
wißheit möglichſt zu entziehenden Angelegenheit nicht zu rathen.
⁴⁾ Ueber die rechtliche Stellung eines Uſurpators und eines Zwiſchen-
herrſchers ſ. folgende Schriften: Pfeiffer, B. W., Inwiefern ſind
Regierungshandlungen eines Zwiſchenherrſchers verbindlich? Kaſſel, 1818.
— Schaumann, Die rechtlichen Verhältniſſe des legitimen Fürſten, des
Uſurpators und des Volkes. Kaſſel, 1820. — Stickel, F. F., Beitrag
zu der Lehre von den Handlungen eines Zwiſchenherrſchers. Gießen, 1825.
— Zachariä, H. A., Ueber die Verpflichtungen reſtaurirter Regierungen,
in der Tüb. Zeitſchr. f. St.-W., Bd. IX, S 79 fg. — Zöpfl, D.
Staats-Recht, Bd. II, S. 2 fg. — Bluntſchli, Allgem. Staatsr., Bd. II,
S. 47 fg.
⁵⁾ Die Lehre von der Verbindlichkeit der Regierungshandlungen
der Vorfahren iſt ſehr vielfach bearbeitet. Siehe die Literatur darüber bei
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