Strafen bedroht sind, Vergehen gegen die Persönlichkeit dessel- ben aber mit strengeren Strafen, als wenn dieselben Hand- lungen gegen eine Privatperson begangen worden wären. Es können sogar Handlungen, welche vollkommen straflos sind gegenüber von Unterthanen, zu Verbrechen erklärt sein, falls sie in Beziehung auf das Staatsoberhaupt begangen werden. Hochverrath ist die Antastung der Regierungsrechte, wenn sie in einer Anmaßung derselben von Seiten eines Unterthanen oder in der gewaltsamen Verhinderung des Staatsoberhauptes an der Ausübung seiner Rechte besteht. Ebenso jeder Angriff auf Leib und Leben des Regenten und auf seine persönliche Freiheit. Majestätsverbrechen aber ist eine Ehrenbeleidigung desselben. -- Die Rechtfertigung dieser Sätze und Einrichtun- gen liegt in Doppeltem. Einmal steht nach der gesammten Auffassung gewisser Staatsgattungen dem Oberhaupte eine besondere sittliche oder religiöse Würde und Bedeutung zu, deren Verletzung also auch ein besonders schweres Vergehen ist. So z. B. in der Patriarchie, in welcher Kindespflicht gegen das Stammeshaupt zu bewahren ist; in der Theokratie, deren Oberhaupt wo nicht die verkörperte Gottheit selbst doch jeden- falls ein von ihr besonders Begnadigter und dadurch Gehei- ligter ist; nach den, feierlich unklaren, Anschauungen Vieler auch der Fürst eines Rechtsstaates oder einer Hausherrschaft, als welcher durch besondere göttliche Gnade zu dieser Stellung berufen sei. Zweitens aber muß, und zwar durchaus in jeder Staatsgattung und Staatsform und auch bei ausschließend verständiger Anschauung, das Recht und die Person des Ober- hauptes aus Zweckmäßigkeitsgründen gegen Vergewaltigungen möglichst gesichert werden. Je größer die Gefahr ist, welcher ein Theilnehmer am Staate und gar ein Organ desselben aus- gesetzt ist, desto entschiedener muß auch der ihm gewährte Rechtsschutz sein. Eine besondere Bedrohung findet aber bei
Strafen bedroht ſind, Vergehen gegen die Perſönlichkeit deſſel- ben aber mit ſtrengeren Strafen, als wenn dieſelben Hand- lungen gegen eine Privatperſon begangen worden wären. Es können ſogar Handlungen, welche vollkommen ſtraflos ſind gegenüber von Unterthanen, zu Verbrechen erklärt ſein, falls ſie in Beziehung auf das Staatsoberhaupt begangen werden. Hochverrath iſt die Antaſtung der Regierungsrechte, wenn ſie in einer Anmaßung derſelben von Seiten eines Unterthanen oder in der gewaltſamen Verhinderung des Staatsoberhauptes an der Ausübung ſeiner Rechte beſteht. Ebenſo jeder Angriff auf Leib und Leben des Regenten und auf ſeine perſönliche Freiheit. Majeſtätsverbrechen aber iſt eine Ehrenbeleidigung deſſelben. — Die Rechtfertigung dieſer Sätze und Einrichtun- gen liegt in Doppeltem. Einmal ſteht nach der geſammten Auffaſſung gewiſſer Staatsgattungen dem Oberhaupte eine beſondere ſittliche oder religiöſe Würde und Bedeutung zu, deren Verletzung alſo auch ein beſonders ſchweres Vergehen iſt. So z. B. in der Patriarchie, in welcher Kindespflicht gegen das Stammeshaupt zu bewahren iſt; in der Theokratie, deren Oberhaupt wo nicht die verkörperte Gottheit ſelbſt doch jeden- falls ein von ihr beſonders Begnadigter und dadurch Gehei- ligter iſt; nach den, feierlich unklaren, Anſchauungen Vieler auch der Fürſt eines Rechtsſtaates oder einer Hausherrſchaft, als welcher durch beſondere göttliche Gnade zu dieſer Stellung berufen ſei. Zweitens aber muß, und zwar durchaus in jeder Staatsgattung und Staatsform und auch bei ausſchließend verſtändiger Anſchauung, das Recht und die Perſon des Ober- hauptes aus Zweckmäßigkeitsgründen gegen Vergewaltigungen möglichſt geſichert werden. Je größer die Gefahr iſt, welcher ein Theilnehmer am Staate und gar ein Organ deſſelben aus- geſetzt iſt, deſto entſchiedener muß auch der ihm gewährte Rechtsſchutz ſein. Eine beſondere Bedrohung findet aber bei
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0235"n="221"/>
Strafen bedroht ſind, Vergehen gegen die Perſönlichkeit deſſel-<lb/>
ben aber mit ſtrengeren Strafen, als wenn dieſelben Hand-<lb/>
lungen gegen eine Privatperſon begangen worden wären. Es<lb/>
können ſogar Handlungen, welche vollkommen ſtraflos ſind<lb/>
gegenüber von Unterthanen, zu Verbrechen erklärt ſein, falls<lb/>ſie in Beziehung auf das Staatsoberhaupt begangen werden.<lb/>
Hochverrath iſt die Antaſtung der Regierungsrechte, wenn ſie<lb/>
in einer Anmaßung derſelben von Seiten eines Unterthanen<lb/>
oder in der gewaltſamen Verhinderung des Staatsoberhauptes<lb/>
an der Ausübung ſeiner Rechte beſteht. Ebenſo jeder Angriff<lb/>
auf Leib und Leben des Regenten und auf ſeine perſönliche<lb/>
Freiheit. Majeſtätsverbrechen aber iſt eine Ehrenbeleidigung<lb/>
deſſelben. — Die Rechtfertigung dieſer Sätze und Einrichtun-<lb/>
gen liegt in Doppeltem. Einmal ſteht nach der geſammten<lb/>
Auffaſſung gewiſſer Staatsgattungen dem Oberhaupte eine<lb/>
beſondere ſittliche oder religiöſe Würde und Bedeutung zu,<lb/>
deren Verletzung alſo auch ein beſonders ſchweres Vergehen iſt.<lb/>
So z. B. in der Patriarchie, in welcher Kindespflicht gegen<lb/>
das Stammeshaupt zu bewahren iſt; in der Theokratie, deren<lb/>
Oberhaupt wo nicht die verkörperte Gottheit ſelbſt doch jeden-<lb/>
falls ein von ihr beſonders Begnadigter und dadurch Gehei-<lb/>
ligter iſt; nach den, feierlich unklaren, Anſchauungen Vieler<lb/>
auch der Fürſt eines Rechtsſtaates oder einer Hausherrſchaft,<lb/>
als welcher durch beſondere göttliche Gnade zu dieſer Stellung<lb/>
berufen ſei. Zweitens aber muß, und zwar durchaus in jeder<lb/>
Staatsgattung und Staatsform und auch bei ausſchließend<lb/>
verſtändiger Anſchauung, das Recht und die Perſon des Ober-<lb/>
hauptes aus Zweckmäßigkeitsgründen gegen Vergewaltigungen<lb/>
möglichſt geſichert werden. Je größer die Gefahr iſt, welcher<lb/>
ein Theilnehmer am Staate und gar ein Organ deſſelben aus-<lb/>
geſetzt iſt, deſto entſchiedener muß auch der ihm gewährte<lb/>
Rechtsſchutz ſein. Eine beſondere Bedrohung findet aber bei<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[221/0235]
Strafen bedroht ſind, Vergehen gegen die Perſönlichkeit deſſel-
ben aber mit ſtrengeren Strafen, als wenn dieſelben Hand-
lungen gegen eine Privatperſon begangen worden wären. Es
können ſogar Handlungen, welche vollkommen ſtraflos ſind
gegenüber von Unterthanen, zu Verbrechen erklärt ſein, falls
ſie in Beziehung auf das Staatsoberhaupt begangen werden.
Hochverrath iſt die Antaſtung der Regierungsrechte, wenn ſie
in einer Anmaßung derſelben von Seiten eines Unterthanen
oder in der gewaltſamen Verhinderung des Staatsoberhauptes
an der Ausübung ſeiner Rechte beſteht. Ebenſo jeder Angriff
auf Leib und Leben des Regenten und auf ſeine perſönliche
Freiheit. Majeſtätsverbrechen aber iſt eine Ehrenbeleidigung
deſſelben. — Die Rechtfertigung dieſer Sätze und Einrichtun-
gen liegt in Doppeltem. Einmal ſteht nach der geſammten
Auffaſſung gewiſſer Staatsgattungen dem Oberhaupte eine
beſondere ſittliche oder religiöſe Würde und Bedeutung zu,
deren Verletzung alſo auch ein beſonders ſchweres Vergehen iſt.
So z. B. in der Patriarchie, in welcher Kindespflicht gegen
das Stammeshaupt zu bewahren iſt; in der Theokratie, deren
Oberhaupt wo nicht die verkörperte Gottheit ſelbſt doch jeden-
falls ein von ihr beſonders Begnadigter und dadurch Gehei-
ligter iſt; nach den, feierlich unklaren, Anſchauungen Vieler
auch der Fürſt eines Rechtsſtaates oder einer Hausherrſchaft,
als welcher durch beſondere göttliche Gnade zu dieſer Stellung
berufen ſei. Zweitens aber muß, und zwar durchaus in jeder
Staatsgattung und Staatsform und auch bei ausſchließend
verſtändiger Anſchauung, das Recht und die Perſon des Ober-
hauptes aus Zweckmäßigkeitsgründen gegen Vergewaltigungen
möglichſt geſichert werden. Je größer die Gefahr iſt, welcher
ein Theilnehmer am Staate und gar ein Organ deſſelben aus-
geſetzt iſt, deſto entſchiedener muß auch der ihm gewährte
Rechtsſchutz ſein. Eine beſondere Bedrohung findet aber bei
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/235>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.