denkbar, die Regierungshandlungen in irgend einer bestimmten Form zu überwachen und sich dadurch gegen Nachläßigkeit, üblen Willen oder Gesetzwidrigkeit zu schützen, wobei wieder die Be- zeichnung der zur Einschreitung geeigneten Fälle entweder eine genau begrenzte sein oder ganz allgemein die Rechte und In- teressen des Volkes begreifen kann. -- Drittens endlich kann eine ausschließliche Besorgung gewisser Staatsgeschäfte angeordnet sein, sei es für die Gesammtheit der Unterthanen, sei es für einzelne Abtheilungen derselben oder allenfalls für Stellver- treter. So z. B. bei gewissen Theilen der Provinzialverwaltung, bei der Rechtspflege (durch Geschworene), beim Armenwesen, bei einzelnen Unterrichtsanstalten u. s. w.
In welchen Beziehungen diese verschiedenen Arten von Theilnahme Platz zu greifen haben, unterliegt nicht sowohl einer Entscheidung des Rechtes als der Staatsklugheit. Sehr viel hängt namentlich von dem Stande der Gesittigung des Volkes ab, sowohl der allgemeinen als der staatlichen insbe- sondere. Je höher die erste steht, desto umfassendere Ansprüche an die Leitung der Staatsangelegenheiten werden gemacht werden; und je entwickelter die letztere ist, desto unbedenklicher mag ein Theil der öffentlichen Geschäfte vom Volke selbst besorgt werden. Eine Hauptregel ist aber unter allen Umständen, daß jede Ver- änderung von bestehenden Rechten, sei es nun durch neue Ge- setze sei es durch thatsächliches Gebaren, einer Mitwirkung der Betheiligten unterstellt werden muß.
Die rechtlichen Folgerungen aus der Einräumung politischer Rechte sind im Allgemeinen nachstehende:
Vor Allem können solche Regierungshandlungen, welche der Inhaber der Staatsgewalt entweder nicht einseitig oder gar nicht vornehmen soll, nur unter der Voraussetzung der wirk- lichen Ausübung des betreffenden Rechtes der Unterthanen rechtsgültig zu Stande kommen. Eine Unterlassung der Bei-
denkbar, die Regierungshandlungen in irgend einer beſtimmten Form zu überwachen und ſich dadurch gegen Nachläßigkeit, üblen Willen oder Geſetzwidrigkeit zu ſchützen, wobei wieder die Be- zeichnung der zur Einſchreitung geeigneten Fälle entweder eine genau begrenzte ſein oder ganz allgemein die Rechte und In- tereſſen des Volkes begreifen kann. — Drittens endlich kann eine ausſchließliche Beſorgung gewiſſer Staatsgeſchäfte angeordnet ſein, ſei es für die Geſammtheit der Unterthanen, ſei es für einzelne Abtheilungen derſelben oder allenfalls für Stellver- treter. So z. B. bei gewiſſen Theilen der Provinzialverwaltung, bei der Rechtspflege (durch Geſchworene), beim Armenweſen, bei einzelnen Unterrichtsanſtalten u. ſ. w.
In welchen Beziehungen dieſe verſchiedenen Arten von Theilnahme Platz zu greifen haben, unterliegt nicht ſowohl einer Entſcheidung des Rechtes als der Staatsklugheit. Sehr viel hängt namentlich von dem Stande der Geſittigung des Volkes ab, ſowohl der allgemeinen als der ſtaatlichen insbe- ſondere. Je höher die erſte ſteht, deſto umfaſſendere Anſprüche an die Leitung der Staatsangelegenheiten werden gemacht werden; und je entwickelter die letztere iſt, deſto unbedenklicher mag ein Theil der öffentlichen Geſchäfte vom Volke ſelbſt beſorgt werden. Eine Hauptregel iſt aber unter allen Umſtänden, daß jede Ver- änderung von beſtehenden Rechten, ſei es nun durch neue Ge- ſetze ſei es durch thatſächliches Gebaren, einer Mitwirkung der Betheiligten unterſtellt werden muß.
Die rechtlichen Folgerungen aus der Einräumung politiſcher Rechte ſind im Allgemeinen nachſtehende:
Vor Allem können ſolche Regierungshandlungen, welche der Inhaber der Staatsgewalt entweder nicht einſeitig oder gar nicht vornehmen ſoll, nur unter der Vorausſetzung der wirk- lichen Ausübung des betreffenden Rechtes der Unterthanen rechtsgültig zu Stande kommen. Eine Unterlaſſung der Bei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0244"n="230"/>
denkbar, die Regierungshandlungen in irgend einer beſtimmten<lb/>
Form zu überwachen und ſich dadurch gegen Nachläßigkeit, üblen<lb/>
Willen oder Geſetzwidrigkeit zu ſchützen, wobei wieder die Be-<lb/>
zeichnung der zur Einſchreitung geeigneten Fälle entweder eine<lb/>
genau begrenzte ſein oder ganz allgemein die Rechte und In-<lb/>
tereſſen des Volkes begreifen kann. — Drittens endlich kann<lb/>
eine ausſchließliche Beſorgung gewiſſer Staatsgeſchäfte angeordnet<lb/>ſein, ſei es für die Geſammtheit der Unterthanen, ſei es für<lb/>
einzelne Abtheilungen derſelben oder allenfalls für Stellver-<lb/>
treter. So z. B. bei gewiſſen Theilen der Provinzialverwaltung,<lb/>
bei der Rechtspflege (durch Geſchworene), beim Armenweſen,<lb/>
bei einzelnen Unterrichtsanſtalten u. ſ. w.</p><lb/><p>In welchen Beziehungen dieſe verſchiedenen Arten von<lb/>
Theilnahme Platz zu greifen haben, unterliegt nicht ſowohl<lb/>
einer Entſcheidung des Rechtes als der Staatsklugheit. Sehr<lb/>
viel hängt namentlich von dem Stande der Geſittigung des<lb/>
Volkes ab, ſowohl der allgemeinen als der ſtaatlichen insbe-<lb/>ſondere. Je höher die erſte ſteht, deſto umfaſſendere Anſprüche<lb/>
an die Leitung der Staatsangelegenheiten werden gemacht werden;<lb/>
und je entwickelter die letztere iſt, deſto unbedenklicher mag ein<lb/>
Theil der öffentlichen Geſchäfte vom Volke ſelbſt beſorgt werden.<lb/>
Eine Hauptregel iſt aber unter allen Umſtänden, daß jede Ver-<lb/>
änderung von beſtehenden Rechten, ſei es nun durch neue Ge-<lb/>ſetze ſei es durch thatſächliches Gebaren, einer Mitwirkung der<lb/>
Betheiligten unterſtellt werden muß.</p><lb/><p>Die rechtlichen Folgerungen aus der Einräumung politiſcher<lb/>
Rechte ſind im Allgemeinen nachſtehende:</p><lb/><p>Vor Allem können ſolche Regierungshandlungen, welche<lb/>
der Inhaber der Staatsgewalt entweder nicht einſeitig oder gar<lb/>
nicht vornehmen ſoll, nur unter der Vorausſetzung der wirk-<lb/>
lichen Ausübung des betreffenden Rechtes der Unterthanen<lb/>
rechtsgültig zu Stande kommen. Eine Unterlaſſung der Bei-<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[230/0244]
denkbar, die Regierungshandlungen in irgend einer beſtimmten
Form zu überwachen und ſich dadurch gegen Nachläßigkeit, üblen
Willen oder Geſetzwidrigkeit zu ſchützen, wobei wieder die Be-
zeichnung der zur Einſchreitung geeigneten Fälle entweder eine
genau begrenzte ſein oder ganz allgemein die Rechte und In-
tereſſen des Volkes begreifen kann. — Drittens endlich kann
eine ausſchließliche Beſorgung gewiſſer Staatsgeſchäfte angeordnet
ſein, ſei es für die Geſammtheit der Unterthanen, ſei es für
einzelne Abtheilungen derſelben oder allenfalls für Stellver-
treter. So z. B. bei gewiſſen Theilen der Provinzialverwaltung,
bei der Rechtspflege (durch Geſchworene), beim Armenweſen,
bei einzelnen Unterrichtsanſtalten u. ſ. w.
In welchen Beziehungen dieſe verſchiedenen Arten von
Theilnahme Platz zu greifen haben, unterliegt nicht ſowohl
einer Entſcheidung des Rechtes als der Staatsklugheit. Sehr
viel hängt namentlich von dem Stande der Geſittigung des
Volkes ab, ſowohl der allgemeinen als der ſtaatlichen insbe-
ſondere. Je höher die erſte ſteht, deſto umfaſſendere Anſprüche
an die Leitung der Staatsangelegenheiten werden gemacht werden;
und je entwickelter die letztere iſt, deſto unbedenklicher mag ein
Theil der öffentlichen Geſchäfte vom Volke ſelbſt beſorgt werden.
Eine Hauptregel iſt aber unter allen Umſtänden, daß jede Ver-
änderung von beſtehenden Rechten, ſei es nun durch neue Ge-
ſetze ſei es durch thatſächliches Gebaren, einer Mitwirkung der
Betheiligten unterſtellt werden muß.
Die rechtlichen Folgerungen aus der Einräumung politiſcher
Rechte ſind im Allgemeinen nachſtehende:
Vor Allem können ſolche Regierungshandlungen, welche
der Inhaber der Staatsgewalt entweder nicht einſeitig oder gar
nicht vornehmen ſoll, nur unter der Vorausſetzung der wirk-
lichen Ausübung des betreffenden Rechtes der Unterthanen
rechtsgültig zu Stande kommen. Eine Unterlaſſung der Bei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/244>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.