bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zu verhindern. Die Grenze ihrer Aufgabe ist lediglich einerseits die Beschränktheit der menschlichen geistigen und körperlichen Kraft überhaupt, andererseits die dem Bürger zur Erreichung seiner erlaubten Zwecke zuzugestehende persönliche Freiheit. Theils aus letzterem Grunde, theils weil eine Rechtsstörung durch bloße Abläugnung eines andererseits behaupteten Anspruches eine minder gefährliche Handlung ist, als ein gewaltsamer Eingriff, sind daher auch die Aufgaben der vorbeugenden Rechtspflege enger gesteckt in bürgerlichen als in Strafsachen. -- Im Uebrigen versteht sich, daß diesem Theile der Rechtspflege nur diejenigen Einrichtungen und Handlungen des Staates zuzuzählen sind, welche ausdrücklich und aus- schließlich die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung zum Gegenstande haben. Allerdings hat jede Vorkehrung oder Ein- wirkung, welche eine größere Gesittigung erzeugt, auch eine erhöhte Achtung vor dem Rechte zur Folge. Und ebenso wird eine stracke Wiederherstellung bereits gestörter Rechte für Viele ein Grund zu gänzlicher Unterlassung einer Störung sein, weil ihnen eine solche anstatt eines Vortheiles nur Strafe oder wenigstens Zurückweisung und Unannehmlichkeiten bringt. Allein diese guten Folgen treten doch nur nebenbei ein, und die sie erzeugenden Staatseinrichtungen haben zunächst und hauptsächlich andere Zwecke, welchen gemäß sie auch einzurichten sind. Nicht nur richtige Logik, sondern auch Berücksichtigung der sachlichen Aufgaben erfordert daher ihre völlige Ausscheidung aus dem Systeme der Präventivjustiz.
Der selbstständige Zweck und die eigenthümliche Beschaffen- heit der zur Abwehr von Unrecht bestimmten Staatseinrichtungen erfordert die Aufstellung eigener, nur für diesen Theil der Staatsthätigkeit berechneter Grundsätze. Die wesentlichsten der- selben sind aber folgende:
1. Keinerlei Gattung von möglichen Rechtsstörungen ist
bürgerliche Rechtsſtreitigkeiten zu verhindern. Die Grenze ihrer Aufgabe iſt lediglich einerſeits die Beſchränktheit der menſchlichen geiſtigen und körperlichen Kraft überhaupt, andererſeits die dem Bürger zur Erreichung ſeiner erlaubten Zwecke zuzugeſtehende perſönliche Freiheit. Theils aus letzterem Grunde, theils weil eine Rechtsſtörung durch bloße Abläugnung eines andererſeits behaupteten Anſpruches eine minder gefährliche Handlung iſt, als ein gewaltſamer Eingriff, ſind daher auch die Aufgaben der vorbeugenden Rechtspflege enger geſteckt in bürgerlichen als in Strafſachen. — Im Uebrigen verſteht ſich, daß dieſem Theile der Rechtspflege nur diejenigen Einrichtungen und Handlungen des Staates zuzuzählen ſind, welche ausdrücklich und aus- ſchließlich die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung zum Gegenſtande haben. Allerdings hat jede Vorkehrung oder Ein- wirkung, welche eine größere Geſittigung erzeugt, auch eine erhöhte Achtung vor dem Rechte zur Folge. Und ebenſo wird eine ſtracke Wiederherſtellung bereits geſtörter Rechte für Viele ein Grund zu gänzlicher Unterlaſſung einer Störung ſein, weil ihnen eine ſolche anſtatt eines Vortheiles nur Strafe oder wenigſtens Zurückweiſung und Unannehmlichkeiten bringt. Allein dieſe guten Folgen treten doch nur nebenbei ein, und die ſie erzeugenden Staatseinrichtungen haben zunächſt und hauptſächlich andere Zwecke, welchen gemäß ſie auch einzurichten ſind. Nicht nur richtige Logik, ſondern auch Berückſichtigung der ſachlichen Aufgaben erfordert daher ihre völlige Ausſcheidung aus dem Syſteme der Präventivjuſtiz.
Der ſelbſtſtändige Zweck und die eigenthümliche Beſchaffen- heit der zur Abwehr von Unrecht beſtimmten Staatseinrichtungen erfordert die Aufſtellung eigener, nur für dieſen Theil der Staatsthätigkeit berechneter Grundſätze. Die weſentlichſten der- ſelben ſind aber folgende:
1. Keinerlei Gattung von möglichen Rechtsſtörungen iſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0279"n="265"/>
bürgerliche Rechtsſtreitigkeiten zu verhindern. Die Grenze ihrer<lb/>
Aufgabe iſt lediglich einerſeits die Beſchränktheit der menſchlichen<lb/>
geiſtigen und körperlichen Kraft überhaupt, andererſeits die dem<lb/>
Bürger zur Erreichung ſeiner erlaubten Zwecke zuzugeſtehende<lb/>
perſönliche Freiheit. Theils aus letzterem Grunde, theils weil<lb/>
eine Rechtsſtörung durch bloße Abläugnung eines andererſeits<lb/>
behaupteten Anſpruches eine minder gefährliche Handlung iſt,<lb/>
als ein gewaltſamer Eingriff, ſind daher auch die Aufgaben der<lb/>
vorbeugenden Rechtspflege enger geſteckt in bürgerlichen als in<lb/>
Strafſachen. — Im Uebrigen verſteht ſich, daß dieſem Theile<lb/>
der Rechtspflege nur diejenigen Einrichtungen und Handlungen<lb/>
des Staates zuzuzählen ſind, welche <hirendition="#g">ausdrücklich</hi> und <hirendition="#g">aus-<lb/>ſchließlich</hi> die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung zum<lb/>
Gegenſtande haben. Allerdings hat jede Vorkehrung oder Ein-<lb/>
wirkung, welche eine größere Geſittigung erzeugt, auch eine<lb/>
erhöhte Achtung vor dem Rechte zur Folge. Und ebenſo wird<lb/>
eine ſtracke Wiederherſtellung bereits geſtörter Rechte für Viele<lb/>
ein Grund zu gänzlicher Unterlaſſung einer Störung ſein, weil<lb/>
ihnen eine ſolche anſtatt eines Vortheiles nur Strafe oder<lb/>
wenigſtens Zurückweiſung und Unannehmlichkeiten bringt. Allein<lb/>
dieſe guten Folgen treten doch nur nebenbei ein, und die ſie<lb/>
erzeugenden Staatseinrichtungen haben zunächſt und hauptſächlich<lb/>
andere Zwecke, welchen gemäß ſie auch einzurichten ſind. Nicht<lb/>
nur richtige Logik, ſondern auch Berückſichtigung der ſachlichen<lb/>
Aufgaben erfordert daher ihre völlige Ausſcheidung aus dem<lb/>
Syſteme der Präventivjuſtiz.</p><lb/><p>Der ſelbſtſtändige Zweck und die eigenthümliche Beſchaffen-<lb/>
heit der zur Abwehr von Unrecht beſtimmten Staatseinrichtungen<lb/>
erfordert die Aufſtellung eigener, nur für dieſen Theil der<lb/>
Staatsthätigkeit berechneter Grundſätze. Die weſentlichſten der-<lb/>ſelben ſind aber folgende:</p><lb/><p>1. Keinerlei Gattung von möglichen Rechtsſtörungen iſt<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[265/0279]
bürgerliche Rechtsſtreitigkeiten zu verhindern. Die Grenze ihrer
Aufgabe iſt lediglich einerſeits die Beſchränktheit der menſchlichen
geiſtigen und körperlichen Kraft überhaupt, andererſeits die dem
Bürger zur Erreichung ſeiner erlaubten Zwecke zuzugeſtehende
perſönliche Freiheit. Theils aus letzterem Grunde, theils weil
eine Rechtsſtörung durch bloße Abläugnung eines andererſeits
behaupteten Anſpruches eine minder gefährliche Handlung iſt,
als ein gewaltſamer Eingriff, ſind daher auch die Aufgaben der
vorbeugenden Rechtspflege enger geſteckt in bürgerlichen als in
Strafſachen. — Im Uebrigen verſteht ſich, daß dieſem Theile
der Rechtspflege nur diejenigen Einrichtungen und Handlungen
des Staates zuzuzählen ſind, welche ausdrücklich und aus-
ſchließlich die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung zum
Gegenſtande haben. Allerdings hat jede Vorkehrung oder Ein-
wirkung, welche eine größere Geſittigung erzeugt, auch eine
erhöhte Achtung vor dem Rechte zur Folge. Und ebenſo wird
eine ſtracke Wiederherſtellung bereits geſtörter Rechte für Viele
ein Grund zu gänzlicher Unterlaſſung einer Störung ſein, weil
ihnen eine ſolche anſtatt eines Vortheiles nur Strafe oder
wenigſtens Zurückweiſung und Unannehmlichkeiten bringt. Allein
dieſe guten Folgen treten doch nur nebenbei ein, und die ſie
erzeugenden Staatseinrichtungen haben zunächſt und hauptſächlich
andere Zwecke, welchen gemäß ſie auch einzurichten ſind. Nicht
nur richtige Logik, ſondern auch Berückſichtigung der ſachlichen
Aufgaben erfordert daher ihre völlige Ausſcheidung aus dem
Syſteme der Präventivjuſtiz.
Der ſelbſtſtändige Zweck und die eigenthümliche Beſchaffen-
heit der zur Abwehr von Unrecht beſtimmten Staatseinrichtungen
erfordert die Aufſtellung eigener, nur für dieſen Theil der
Staatsthätigkeit berechneter Grundſätze. Die weſentlichſten der-
ſelben ſind aber folgende:
1. Keinerlei Gattung von möglichen Rechtsſtörungen iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/279>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.