tung einer zur Niederhaltung jeder Widersetzlichkeit vollkommen genügenden bewaffneten Macht ist daher die wichtigste Aufgabe der Staatsgewalt. Das Heer mag, je nach den geschichtlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen des einzelnen Staates, aus den Abkömmlingen des erobernden Stammes, aus Miethtruppen oder aus zwangsweise Ausgehobenen bestehen; jeden Falles haben die Unterthanen alles zu leisten, was zur Erhaltung und Zu- friedenstellung derselben für nöthig erachtet wird.
Von Rechten der Unterthanen ist schon begrifflich keine Rede. In jedem Augenblicke kann das Staatsoberhaupt und jeder seiner Diener, so weit ein solcher die Befugniß dazu erhalten hat, über Leib und Leben, Ehre und Gut ver- fügen. Ob Einrichtungen zur Anbringung von Beschwerden und Bitten bestehen, ist Sache der Willkür und Gnade; jeden Falles ist eine Suspensivkraft für eingelegte Rechtsmittel nicht im Geiste der Despotie. Was etwa zur Förderung von In- terressen der Unterthanen geschieht, z. B. für Unterrichtszwecke, Verkehrsförderung, öffentliche Gesundheitspflege u. s. w., ist lediglich Geschmack und Sache der Gnade, sei es nun daß Eitelkeit, Liebhaberei oder natürlich sittliches Pflichtgefühl die Anordnung veranlassen mag. -- Falls das Staatsoberhaupt es für nützlich erachtet, mögen immerhin Versammlungen von Unterthanen ein- berufen werden, sei es zur Berathung des Herrschers selbst, sei es, örtlich, um untergeordneten Beamten mit Rath und That zur Hand zu sein; allein von einem selbstständigen Rechte zur Mitwirkung, von einer Verhinderung des nicht für gerecht oder dienlich Erachteten ist keine Rede. Auch in diesem Verhältnisse bleibt der mittelbar oder unmittelbar geltend gemachte Wille des Oberhauptes die einzige gültige Norm und das einzige Recht.
1) Die Literatur über den despotischen Staat ist nicht zahlreich; am wenigsten ist der Gegenstand auf dem Standpunkte des philosophischen
tung einer zur Niederhaltung jeder Widerſetzlichkeit vollkommen genügenden bewaffneten Macht iſt daher die wichtigſte Aufgabe der Staatsgewalt. Das Heer mag, je nach den geſchichtlichen und geſellſchaftlichen Verhältniſſen des einzelnen Staates, aus den Abkömmlingen des erobernden Stammes, aus Miethtruppen oder aus zwangsweiſe Ausgehobenen beſtehen; jeden Falles haben die Unterthanen alles zu leiſten, was zur Erhaltung und Zu- friedenſtellung derſelben für nöthig erachtet wird.
Von Rechten der Unterthanen iſt ſchon begrifflich keine Rede. In jedem Augenblicke kann das Staatsoberhaupt und jeder ſeiner Diener, ſo weit ein ſolcher die Befugniß dazu erhalten hat, über Leib und Leben, Ehre und Gut ver- fügen. Ob Einrichtungen zur Anbringung von Beſchwerden und Bitten beſtehen, iſt Sache der Willkür und Gnade; jeden Falles iſt eine Suſpenſivkraft für eingelegte Rechtsmittel nicht im Geiſte der Deſpotie. Was etwa zur Förderung von In- terreſſen der Unterthanen geſchieht, z. B. für Unterrichtszwecke, Verkehrsförderung, öffentliche Geſundheitspflege u. ſ. w., iſt lediglich Geſchmack und Sache der Gnade, ſei es nun daß Eitelkeit, Liebhaberei oder natürlich ſittliches Pflichtgefühl die Anordnung veranlaſſen mag. — Falls das Staatsoberhaupt es für nützlich erachtet, mögen immerhin Verſammlungen von Unterthanen ein- berufen werden, ſei es zur Berathung des Herrſchers ſelbſt, ſei es, örtlich, um untergeordneten Beamten mit Rath und That zur Hand zu ſein; allein von einem ſelbſtſtändigen Rechte zur Mitwirkung, von einer Verhinderung des nicht für gerecht oder dienlich Erachteten iſt keine Rede. Auch in dieſem Verhältniſſe bleibt der mittelbar oder unmittelbar geltend gemachte Wille des Oberhauptes die einzige gültige Norm und das einzige Recht.
1) Die Literatur über den despotiſchen Staat iſt nicht zahlreich; am wenigſten iſt der Gegenſtand auf dem Standpunkte des philoſophiſchen
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tung einer zur Niederhaltung jeder Widerſetzlichkeit vollkommen
genügenden bewaffneten Macht iſt daher die wichtigſte Aufgabe
der Staatsgewalt. Das Heer mag, je nach den geſchichtlichen
und geſellſchaftlichen Verhältniſſen des einzelnen Staates, aus
den Abkömmlingen des erobernden Stammes, aus Miethtruppen
oder aus zwangsweiſe Ausgehobenen beſtehen; jeden Falles haben
die Unterthanen alles zu leiſten, was zur Erhaltung und Zu-
friedenſtellung derſelben für nöthig erachtet wird.
Von Rechten der Unterthanen iſt ſchon begrifflich
keine Rede. In jedem Augenblicke kann das Staatsoberhaupt
und jeder ſeiner Diener, ſo weit ein ſolcher die Befugniß dazu
erhalten hat, über Leib und Leben, Ehre und Gut ver-
fügen. Ob Einrichtungen zur Anbringung von Beſchwerden
und Bitten beſtehen, iſt Sache der Willkür und Gnade; jeden
Falles iſt eine Suſpenſivkraft für eingelegte Rechtsmittel nicht
im Geiſte der Deſpotie. Was etwa zur Förderung von In-
terreſſen der Unterthanen geſchieht, z. B. für Unterrichtszwecke,
Verkehrsförderung, öffentliche Geſundheitspflege u. ſ. w., iſt lediglich
Geſchmack und Sache der Gnade, ſei es nun daß Eitelkeit,
Liebhaberei oder natürlich ſittliches Pflichtgefühl die Anordnung
veranlaſſen mag. — Falls das Staatsoberhaupt es für nützlich
erachtet, mögen immerhin Verſammlungen von Unterthanen ein-
berufen werden, ſei es zur Berathung des Herrſchers ſelbſt, ſei
es, örtlich, um untergeordneten Beamten mit Rath und That
zur Hand zu ſein; allein von einem ſelbſtſtändigen Rechte zur
Mitwirkung, von einer Verhinderung des nicht für gerecht oder
dienlich Erachteten iſt keine Rede. Auch in dieſem Verhältniſſe
bleibt der mittelbar oder unmittelbar geltend gemachte Wille
des Oberhauptes die einzige gültige Norm und das einzige
Recht.
¹⁾ Die Literatur über den despotiſchen Staat iſt nicht zahlreich; am
wenigſten iſt der Gegenſtand auf dem Standpunkte des philoſophiſchen
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/389>, abgerufen am 24.11.2024.
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