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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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philosophie keine andere Auffassung von der Entstehung, dem lebendigen
Inhalte und der Aufgabe des Staates hatte, als eine Zusammensetzung desselben
unmittelbar aus den einzelnen und vereinzelten Persönlichkeiten. Unzweifel-
haft haben die Socialisten Verdienste um die Neuerung; aber freilich nicht
nur selbst in Lehre und Anwendung ganz falsche Bahnen eingeschlagen,
sondern auch manche Andere zu dem Irrthume verführt, die Gesellschaft
lediglich aus dem Gesichtspunkte der Wirthschaft, d. h. der Befriedigung
der nothdürftigen Lebensbedürfnisse, aufzufassen, und als Gesetze derselben
nur wirthschaftliche, somit nur Zweckmäßigkeitsvorschriften, anzuerkennen.
Daher sind denn auch die zahlreichen Schriften der Socialisten und die
kaum minder häufigen Beurtheilungen derselben von nur sehr mittelbarer,
hauptsächlich negativer, Bedeutung für die Gesellschaftswissenschaft; und auch
andere Schriftsteller, welche -- mit mehr oder weniger Glück und unter sich
sehr abweichend -- die Gesellschaft in ihrer wahren Bedeutung, nämlich als
eine der allgemeinen menschlichen Lebensgestaltungen, zu erörtern gesucht
haben, leiden zum großen Theil an einer Ueberschätzung des wirthschaftlichen
Gesichtspunktes. -- Es sind übrigens hauptsächlich folgende Schriften zu
bemerken: Schlözer, A. L., Allgem. Staatsrecht. 1793, S. 31 u. ff. --
Hegel, G. W. T., Philosophie des Rechts. Berlin, 1821. -- Eisenhart,
G., Philosophie des Staats. Leipzig, 1843. -- Herbart, J. F., Allgem.
praktische Philosophie. (Ausgabe von Hartenstein, Bd. VIII.) -- Stein, L.,
Geschichte der socialen Bewegung in Frankreich. Leipzig, 1850. (Bd. I, der
Begriff der Gesellschaft.) -- Ahrens, H., Die organische Staatslehre.
Bd. I. Wien, 1850. -- Riehl, W. H., Die bürgerliche Gesellschaft.
Stuttgart u. Tübingen, 1851. -- Widmann, A., Die Gesetze der socialen
Bewegung. Jena, 1851. -- Winter, A., Die Volksvertretung in Deutsch-
lands Zukunft. Göttingen, 1852. -- Meine eigene Ansicht, sowie eine
Beurtheilung der vorstehenden Schriften, habe ich gegeben in der Tübinger
Zeitschrift für St.W., 1851; und in der Geschichte und Literatur der
Staatswissenschaften. Erlangen, 1855, Bd. I, S. 67 u. ff. -- Eine Wider-
legung des ganzen Gedankens einer Ausscheidung der Gesellschaft unternimmt
Bluntschli, Krit. Uebersch. d. d. Gesetzgeb., Bd. III, 2, S. 229 fg. Seiner
Ansicht nach ist die Eintheilung des Rechtes in öffentliches und Privat-Recht
genügend; zerfällt das öffentliche Recht in Staats- und in Kirchenrecht
erheben sich über die Einseitigkeit des Einzellebens und nähern sich dem
öffentlichen Rechte die Familie und die verschiedenen gesellschaftlichen Ver-
bindungen zu gemeinsamen Zwecken; sind öffentliches und Privatrecht nicht
absolut getrennt, sondern es giebt Uebergangsinstitute, welche beide verbinden,
bald von der einen, bald von der andern Seite ausgehend und in die ent-
gegenstehende hinüberreichend. Damit ist denn nun aber ein Zwischen-
zustand zugegeben; und die Frage ist nur: ob es wissenschaftlich richtiger ist,
philoſophie keine andere Auffaſſung von der Entſtehung, dem lebendigen
Inhalte und der Aufgabe des Staates hatte, als eine Zuſammenſetzung deſſelben
unmittelbar aus den einzelnen und vereinzelten Perſönlichkeiten. Unzweifel-
haft haben die Socialiſten Verdienſte um die Neuerung; aber freilich nicht
nur ſelbſt in Lehre und Anwendung ganz falſche Bahnen eingeſchlagen,
ſondern auch manche Andere zu dem Irrthume verführt, die Geſellſchaft
lediglich aus dem Geſichtspunkte der Wirthſchaft, d. h. der Befriedigung
der nothdürftigen Lebensbedürfniſſe, aufzufaſſen, und als Geſetze derſelben
nur wirthſchaftliche, ſomit nur Zweckmäßigkeitsvorſchriften, anzuerkennen.
Daher ſind denn auch die zahlreichen Schriften der Socialiſten und die
kaum minder häufigen Beurtheilungen derſelben von nur ſehr mittelbarer,
hauptſächlich negativer, Bedeutung für die Geſellſchaftswiſſenſchaft; und auch
andere Schriftſteller, welche — mit mehr oder weniger Glück und unter ſich
ſehr abweichend — die Geſellſchaft in ihrer wahren Bedeutung, nämlich als
eine der allgemeinen menſchlichen Lebensgeſtaltungen, zu erörtern geſucht
haben, leiden zum großen Theil an einer Ueberſchätzung des wirthſchaftlichen
Geſichtspunktes. — Es ſind übrigens hauptſächlich folgende Schriften zu
bemerken: Schlözer, A. L., Allgem. Staatsrecht. 1793, S. 31 u. ff. —
Hegel, G. W. T., Philoſophie des Rechts. Berlin, 1821. — Eiſenhart,
G., Philoſophie des Staats. Leipzig, 1843. — Herbart, J. F., Allgem.
praktiſche Philoſophie. (Ausgabe von Hartenſtein, Bd. VIII.) — Stein, L.,
Geſchichte der ſocialen Bewegung in Frankreich. Leipzig, 1850. (Bd. I, der
Begriff der Geſellſchaft.) — Ahrens, H., Die organiſche Staatslehre.
Bd. I. Wien, 1850. — Riehl, W. H., Die bürgerliche Geſellſchaft.
Stuttgart u. Tübingen, 1851. — Widmann, A., Die Geſetze der ſocialen
Bewegung. Jena, 1851. — Winter, A., Die Volksvertretung in Deutſch-
lands Zukunft. Göttingen, 1852. — Meine eigene Anſicht, ſowie eine
Beurtheilung der vorſtehenden Schriften, habe ich gegeben in der Tübinger
Zeitſchrift für St.W., 1851; und in der Geſchichte und Literatur der
Staatswiſſenſchaften. Erlangen, 1855, Bd. I, S. 67 u. ff. — Eine Wider-
legung des ganzen Gedankens einer Ausſcheidung der Geſellſchaft unternimmt
Bluntſchli, Krit. Ueberſch. d. d. Geſetzgeb., Bd. III, 2, S. 229 fg. Seiner
Anſicht nach iſt die Eintheilung des Rechtes in öffentliches und Privat-Recht
genügend; zerfällt das öffentliche Recht in Staats- und in Kirchenrecht
erheben ſich über die Einſeitigkeit des Einzellebens und nähern ſich dem
öffentlichen Rechte die Familie und die verſchiedenen geſellſchaftlichen Ver-
bindungen zu gemeinſamen Zwecken; ſind öffentliches und Privatrecht nicht
abſolut getrennt, ſondern es giebt Uebergangsinſtitute, welche beide verbinden,
bald von der einen, bald von der andern Seite ausgehend und in die ent-
gegenſtehende hinüberreichend. Damit iſt denn nun aber ein Zwiſchen-
zuſtand zugegeben; und die Frage iſt nur: ob es wiſſenſchaftlich richtiger iſt,
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[28/0042] ¹⁾ philoſophie keine andere Auffaſſung von der Entſtehung, dem lebendigen Inhalte und der Aufgabe des Staates hatte, als eine Zuſammenſetzung deſſelben unmittelbar aus den einzelnen und vereinzelten Perſönlichkeiten. Unzweifel- haft haben die Socialiſten Verdienſte um die Neuerung; aber freilich nicht nur ſelbſt in Lehre und Anwendung ganz falſche Bahnen eingeſchlagen, ſondern auch manche Andere zu dem Irrthume verführt, die Geſellſchaft lediglich aus dem Geſichtspunkte der Wirthſchaft, d. h. der Befriedigung der nothdürftigen Lebensbedürfniſſe, aufzufaſſen, und als Geſetze derſelben nur wirthſchaftliche, ſomit nur Zweckmäßigkeitsvorſchriften, anzuerkennen. Daher ſind denn auch die zahlreichen Schriften der Socialiſten und die kaum minder häufigen Beurtheilungen derſelben von nur ſehr mittelbarer, hauptſächlich negativer, Bedeutung für die Geſellſchaftswiſſenſchaft; und auch andere Schriftſteller, welche — mit mehr oder weniger Glück und unter ſich ſehr abweichend — die Geſellſchaft in ihrer wahren Bedeutung, nämlich als eine der allgemeinen menſchlichen Lebensgeſtaltungen, zu erörtern geſucht haben, leiden zum großen Theil an einer Ueberſchätzung des wirthſchaftlichen Geſichtspunktes. — Es ſind übrigens hauptſächlich folgende Schriften zu bemerken: Schlözer, A. L., Allgem. Staatsrecht. 1793, S. 31 u. ff. — Hegel, G. W. T., Philoſophie des Rechts. Berlin, 1821. — Eiſenhart, G., Philoſophie des Staats. Leipzig, 1843. — Herbart, J. F., Allgem. praktiſche Philoſophie. (Ausgabe von Hartenſtein, Bd. VIII.) — Stein, L., Geſchichte der ſocialen Bewegung in Frankreich. Leipzig, 1850. (Bd. I, der Begriff der Geſellſchaft.) — Ahrens, H., Die organiſche Staatslehre. Bd. I. Wien, 1850. — Riehl, W. H., Die bürgerliche Geſellſchaft. Stuttgart u. Tübingen, 1851. — Widmann, A., Die Geſetze der ſocialen Bewegung. Jena, 1851. — Winter, A., Die Volksvertretung in Deutſch- lands Zukunft. Göttingen, 1852. — Meine eigene Anſicht, ſowie eine Beurtheilung der vorſtehenden Schriften, habe ich gegeben in der Tübinger Zeitſchrift für St.W., 1851; und in der Geſchichte und Literatur der Staatswiſſenſchaften. Erlangen, 1855, Bd. I, S. 67 u. ff. — Eine Wider- legung des ganzen Gedankens einer Ausſcheidung der Geſellſchaft unternimmt Bluntſchli, Krit. Ueberſch. d. d. Geſetzgeb., Bd. III, 2, S. 229 fg. Seiner Anſicht nach iſt die Eintheilung des Rechtes in öffentliches und Privat-Recht genügend; zerfällt das öffentliche Recht in Staats- und in Kirchenrecht erheben ſich über die Einſeitigkeit des Einzellebens und nähern ſich dem öffentlichen Rechte die Familie und die verſchiedenen geſellſchaftlichen Ver- bindungen zu gemeinſamen Zwecken; ſind öffentliches und Privatrecht nicht abſolut getrennt, ſondern es giebt Uebergangsinſtitute, welche beide verbinden, bald von der einen, bald von der andern Seite ausgehend und in die ent- gegenſtehende hinüberreichend. Damit iſt denn nun aber ein Zwiſchen- zuſtand zugegeben; und die Frage iſt nur: ob es wiſſenſchaftlich richtiger iſt,

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/42>, abgerufen am 23.11.2024.