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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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daher unzweifelhaft die Aufnahme dieses Grundsatzes die wichtigste Verbes-
serung, welche die Wissenschaft des philosophischen Völkerrechtes seit ihrer
Gründung erhalten hat.
3) Es bedarf keines Beweises, wie vollkommen unlogisch oder, weil
für die Eigenthümlichkeit des Völkerrechtes gar nicht berechnet, unbrauchbar
die gewöhnlichen Eintheilungen der Völkerrechtslehre sind. Die Eintheilung
in Recht des Friedens und Recht des Krieges ist schon deßhalb zu verwerfen,
weil sie das gesammte Recht und eine der möglichen Folgen des Unrechtes
als auf gleicher Stufe stehend und das Verhältniß mit gleicher Berechtigung
theilend darstellt. Sie ist aber auch unlogisch, indem sie einerseits gar keinen
Ordnungsgrund für die einzelnen rechtlichen Zustände und Fragen enthält,
andererseits den Krieg fälschlich als einzige Folge des Unrechtes darstellt.
Eine Eintheilung der völkerrechtlichen Lehren nach den Kategorieen irgend
eines Civilrechtes ist handgreiflich falsch, weil hier ganz fremdartige Ge-
sichtspunkte eine sachlich unrichtige Auffassung und ein formell unklares
Durcheinanderwerfen zur Folge haben. Wie weit endlich eine blos register-
mäßige Aufzählung von Rechten und Verbindlichkeiten von jeder wissenschaft-
lichen Beherrschung des Stoffes ist, und wie wenig es bei einer solchen Be-
handlung möglich ist, den inneren Zusammenhang der Sätze und ihre sich
gegenseitig bedingende Wahrheit nachzuweisen, bedarf nicht erst eines Beweises.
Vergl. Kaltenborn, Kritik des Völkerrechtes, S. 273 u. fg. und Bul-
merincq
, Systematik des Völkerrechtes. Dorpat, 1858.
5. Die einzelnen Lehren.
§ 58.
a. Die Souveränität.

Das selbstherrliche Dasein eines Staates begreift eine
Reihe von Rechten in sich, deren vollständige Anerkennung und
Achtung von anderen Staaten gefordert und im Nothfalle
erzwungen werden darf.

1) Das Recht auf ein eigenes staatliches Dasein,
d. h. das Recht als ein besonderer und unabhängiger Staat
zu bestehen. Weder die Vereinigung einer Anzahl von Men-
schen zu einem eigenen Staate, noch die Trennung der bisher
in einem Staate verbunden Gewesenen und die Bildung mehrerer
Staaten aus der bisherigen Einheit darf von Fremden bean-

daher unzweifelhaft die Aufnahme dieſes Grundſatzes die wichtigſte Verbeſ-
ſerung, welche die Wiſſenſchaft des philoſophiſchen Völkerrechtes ſeit ihrer
Gründung erhalten hat.
3) Es bedarf keines Beweiſes, wie vollkommen unlogiſch oder, weil
für die Eigenthümlichkeit des Völkerrechtes gar nicht berechnet, unbrauchbar
die gewöhnlichen Eintheilungen der Völkerrechtslehre ſind. Die Eintheilung
in Recht des Friedens und Recht des Krieges iſt ſchon deßhalb zu verwerfen,
weil ſie das geſammte Recht und eine der möglichen Folgen des Unrechtes
als auf gleicher Stufe ſtehend und das Verhältniß mit gleicher Berechtigung
theilend darſtellt. Sie iſt aber auch unlogiſch, indem ſie einerſeits gar keinen
Ordnungsgrund für die einzelnen rechtlichen Zuſtände und Fragen enthält,
andererſeits den Krieg fälſchlich als einzige Folge des Unrechtes darſtellt.
Eine Eintheilung der völkerrechtlichen Lehren nach den Kategorieen irgend
eines Civilrechtes iſt handgreiflich falſch, weil hier ganz fremdartige Ge-
ſichtspunkte eine ſachlich unrichtige Auffaſſung und ein formell unklares
Durcheinanderwerfen zur Folge haben. Wie weit endlich eine blos regiſter-
mäßige Aufzählung von Rechten und Verbindlichkeiten von jeder wiſſenſchaft-
lichen Beherrſchung des Stoffes iſt, und wie wenig es bei einer ſolchen Be-
handlung möglich iſt, den inneren Zuſammenhang der Sätze und ihre ſich
gegenſeitig bedingende Wahrheit nachzuweiſen, bedarf nicht erſt eines Beweiſes.
Vergl. Kaltenborn, Kritik des Völkerrechtes, S. 273 u. fg. und Bul-
merincq
, Syſtematik des Völkerrechtes. Dorpat, 1858.
5. Die einzelnen Lehren.
§ 58.
a. Die Souveränität.

Das ſelbſtherrliche Daſein eines Staates begreift eine
Reihe von Rechten in ſich, deren vollſtändige Anerkennung und
Achtung von anderen Staaten gefordert und im Nothfalle
erzwungen werden darf.

1) Das Recht auf ein eigenes ſtaatliches Daſein,
d. h. das Recht als ein beſonderer und unabhängiger Staat
zu beſtehen. Weder die Vereinigung einer Anzahl von Men-
ſchen zu einem eigenen Staate, noch die Trennung der bisher
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Staaten aus der bisherigen Einheit darf von Fremden bean-

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[420/0434] ²⁾ daher unzweifelhaft die Aufnahme dieſes Grundſatzes die wichtigſte Verbeſ- ſerung, welche die Wiſſenſchaft des philoſophiſchen Völkerrechtes ſeit ihrer Gründung erhalten hat. ³⁾ Es bedarf keines Beweiſes, wie vollkommen unlogiſch oder, weil für die Eigenthümlichkeit des Völkerrechtes gar nicht berechnet, unbrauchbar die gewöhnlichen Eintheilungen der Völkerrechtslehre ſind. Die Eintheilung in Recht des Friedens und Recht des Krieges iſt ſchon deßhalb zu verwerfen, weil ſie das geſammte Recht und eine der möglichen Folgen des Unrechtes als auf gleicher Stufe ſtehend und das Verhältniß mit gleicher Berechtigung theilend darſtellt. Sie iſt aber auch unlogiſch, indem ſie einerſeits gar keinen Ordnungsgrund für die einzelnen rechtlichen Zuſtände und Fragen enthält, andererſeits den Krieg fälſchlich als einzige Folge des Unrechtes darſtellt. Eine Eintheilung der völkerrechtlichen Lehren nach den Kategorieen irgend eines Civilrechtes iſt handgreiflich falſch, weil hier ganz fremdartige Ge- ſichtspunkte eine ſachlich unrichtige Auffaſſung und ein formell unklares Durcheinanderwerfen zur Folge haben. Wie weit endlich eine blos regiſter- mäßige Aufzählung von Rechten und Verbindlichkeiten von jeder wiſſenſchaft- lichen Beherrſchung des Stoffes iſt, und wie wenig es bei einer ſolchen Be- handlung möglich iſt, den inneren Zuſammenhang der Sätze und ihre ſich gegenſeitig bedingende Wahrheit nachzuweiſen, bedarf nicht erſt eines Beweiſes. Vergl. Kaltenborn, Kritik des Völkerrechtes, S. 273 u. fg. und Bul- merincq, Syſtematik des Völkerrechtes. Dorpat, 1858. 5. Die einzelnen Lehren. § 58. a. Die Souveränität. Das ſelbſtherrliche Daſein eines Staates begreift eine Reihe von Rechten in ſich, deren vollſtändige Anerkennung und Achtung von anderen Staaten gefordert und im Nothfalle erzwungen werden darf. 1) Das Recht auf ein eigenes ſtaatliches Daſein, d. h. das Recht als ein beſonderer und unabhängiger Staat zu beſtehen. Weder die Vereinigung einer Anzahl von Men- ſchen zu einem eigenen Staate, noch die Trennung der bisher in einem Staate verbunden Geweſenen und die Bildung mehrerer Staaten aus der bisherigen Einheit darf von Fremden bean-

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/434>, abgerufen am 24.11.2024.