Schuldlose begangen, eine Barbarei. Das philosophische Völ- kerrecht kennt insoferne keine unerlaubte Art der Kriegführung, als es die Anwendung jeder Art von Waffen und jede Weise des Angriffes gestattet, welche den Widerstand des Feindes zu brechen, also namentlich seine Vertheidiger und seine Verthei- digungsmittel unschädlich zu machen geeignet ist. Herkommen und ritterliche Sitte sind keine Rechtsverbindlichkeit, wo es zum Aeußersten gekommen ist. Dagegen aber verbietet das natürliche Recht allerdings die Anwendung solcher Kampfarten oder über- haupt Behandlungen des Feindes, welche zwar Einzelnen schweren Schaden zufügen, allein auf die Macht zum ferneren Widerstande und auf den Willen zum Nachgeben von keinem Einflusse sind.
Bemächtigung oder Zerstörung des Eigenthumes von ein- zelnen Bürgern des feindlichen Staates ist nur dann gestattet, wenn dies zu Zwecken der Kriegführung nützlich ist, wenn also entweder dadurch die Waffenfähigkeit des Feindes beein- trächtigt oder die eigene Führung des Kriegs erleichtert und gesichert wird. So können denn also unzweifelhaft Gebäude zu Kriegszwecken zerstört, die zur Ernährung des feindlichen Heeres dienenden Lebensmittel weggenommen oder vernichtet, die zur Erhaltung der eigenen Streitmacht erforderlichen Gegenstände benützt und im Nothfalle angeeignet werden 4). Man mag selbst, als äußerste Maßregel, zu einer allgemeinen Verheerung eines Landstriches schreiten, wenn dieselbe wirklich das einzige Mittel zur Erreichung eines bedeutenden kriegerischen Zweckes ist, z. B. zur Deckung eines Rückzuges oder zur Vertreibung des Feindes aus einer festen Stellung durch Entziehung der noth- wendigen Lebensmittel. Aber durchaus unerlaubt, weil von keinem Einflusse auf den Gang des Krieges, ist die Vernich- tung oder Verstümmelung öffentlicher zu friedlichem Gebrauche dienender Gebäude, Denkmale, Sammlungen u. s. w.; ebenso
Schuldloſe begangen, eine Barbarei. Das philoſophiſche Völ- kerrecht kennt inſoferne keine unerlaubte Art der Kriegführung, als es die Anwendung jeder Art von Waffen und jede Weiſe des Angriffes geſtattet, welche den Widerſtand des Feindes zu brechen, alſo namentlich ſeine Vertheidiger und ſeine Verthei- digungsmittel unſchädlich zu machen geeignet iſt. Herkommen und ritterliche Sitte ſind keine Rechtsverbindlichkeit, wo es zum Aeußerſten gekommen iſt. Dagegen aber verbietet das natürliche Recht allerdings die Anwendung ſolcher Kampfarten oder über- haupt Behandlungen des Feindes, welche zwar Einzelnen ſchweren Schaden zufügen, allein auf die Macht zum ferneren Widerſtande und auf den Willen zum Nachgeben von keinem Einfluſſe ſind.
Bemächtigung oder Zerſtörung des Eigenthumes von ein- zelnen Bürgern des feindlichen Staates iſt nur dann geſtattet, wenn dies zu Zwecken der Kriegführung nützlich iſt, wenn alſo entweder dadurch die Waffenfähigkeit des Feindes beein- trächtigt oder die eigene Führung des Kriegs erleichtert und geſichert wird. So können denn alſo unzweifelhaft Gebäude zu Kriegszwecken zerſtört, die zur Ernährung des feindlichen Heeres dienenden Lebensmittel weggenommen oder vernichtet, die zur Erhaltung der eigenen Streitmacht erforderlichen Gegenſtände benützt und im Nothfalle angeeignet werden 4). Man mag ſelbſt, als äußerſte Maßregel, zu einer allgemeinen Verheerung eines Landſtriches ſchreiten, wenn dieſelbe wirklich das einzige Mittel zur Erreichung eines bedeutenden kriegeriſchen Zweckes iſt, z. B. zur Deckung eines Rückzuges oder zur Vertreibung des Feindes aus einer feſten Stellung durch Entziehung der noth- wendigen Lebensmittel. Aber durchaus unerlaubt, weil von keinem Einfluſſe auf den Gang des Krieges, iſt die Vernich- tung oder Verſtümmelung öffentlicher zu friedlichem Gebrauche dienender Gebäude, Denkmale, Sammlungen u. ſ. w.; ebenſo
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0470"n="456"/>
Schuldloſe begangen, eine Barbarei. Das philoſophiſche Völ-<lb/>
kerrecht kennt inſoferne keine unerlaubte Art der Kriegführung,<lb/>
als es die Anwendung jeder Art von Waffen und jede Weiſe<lb/>
des Angriffes geſtattet, welche den Widerſtand des Feindes zu<lb/>
brechen, alſo namentlich ſeine Vertheidiger und ſeine Verthei-<lb/>
digungsmittel unſchädlich zu machen geeignet iſt. Herkommen<lb/>
und ritterliche Sitte ſind keine Rechtsverbindlichkeit, wo es zum<lb/>
Aeußerſten gekommen iſt. Dagegen aber verbietet das natürliche<lb/>
Recht allerdings die Anwendung ſolcher Kampfarten oder über-<lb/>
haupt Behandlungen des Feindes, welche zwar Einzelnen<lb/>ſchweren Schaden zufügen, allein auf die Macht zum ferneren<lb/>
Widerſtande und auf den Willen zum Nachgeben von keinem<lb/>
Einfluſſe ſind.</p><lb/><p>Bemächtigung oder Zerſtörung des Eigenthumes von ein-<lb/>
zelnen Bürgern des feindlichen Staates iſt nur dann geſtattet,<lb/>
wenn dies zu Zwecken der Kriegführung nützlich iſt, wenn<lb/>
alſo entweder dadurch die Waffenfähigkeit des Feindes beein-<lb/>
trächtigt oder die eigene Führung des Kriegs erleichtert und<lb/>
geſichert wird. So können denn alſo unzweifelhaft Gebäude zu<lb/>
Kriegszwecken zerſtört, die zur Ernährung des feindlichen Heeres<lb/>
dienenden Lebensmittel weggenommen oder vernichtet, die zur<lb/>
Erhaltung der eigenen Streitmacht erforderlichen Gegenſtände<lb/>
benützt und im Nothfalle angeeignet werden <hirendition="#sup">4</hi>). Man mag<lb/>ſelbſt, als äußerſte Maßregel, zu einer allgemeinen Verheerung<lb/>
eines Landſtriches ſchreiten, wenn dieſelbe wirklich das einzige<lb/>
Mittel zur Erreichung eines bedeutenden kriegeriſchen Zweckes<lb/>
iſt, z. B. zur Deckung eines Rückzuges oder zur Vertreibung des<lb/>
Feindes aus einer feſten Stellung durch Entziehung der noth-<lb/>
wendigen Lebensmittel. Aber durchaus unerlaubt, weil von<lb/>
keinem Einfluſſe auf den Gang des Krieges, iſt die Vernich-<lb/>
tung oder Verſtümmelung öffentlicher zu friedlichem Gebrauche<lb/>
dienender Gebäude, Denkmale, Sammlungen u. ſ. w.; ebenſo<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[456/0470]
Schuldloſe begangen, eine Barbarei. Das philoſophiſche Völ-
kerrecht kennt inſoferne keine unerlaubte Art der Kriegführung,
als es die Anwendung jeder Art von Waffen und jede Weiſe
des Angriffes geſtattet, welche den Widerſtand des Feindes zu
brechen, alſo namentlich ſeine Vertheidiger und ſeine Verthei-
digungsmittel unſchädlich zu machen geeignet iſt. Herkommen
und ritterliche Sitte ſind keine Rechtsverbindlichkeit, wo es zum
Aeußerſten gekommen iſt. Dagegen aber verbietet das natürliche
Recht allerdings die Anwendung ſolcher Kampfarten oder über-
haupt Behandlungen des Feindes, welche zwar Einzelnen
ſchweren Schaden zufügen, allein auf die Macht zum ferneren
Widerſtande und auf den Willen zum Nachgeben von keinem
Einfluſſe ſind.
Bemächtigung oder Zerſtörung des Eigenthumes von ein-
zelnen Bürgern des feindlichen Staates iſt nur dann geſtattet,
wenn dies zu Zwecken der Kriegführung nützlich iſt, wenn
alſo entweder dadurch die Waffenfähigkeit des Feindes beein-
trächtigt oder die eigene Führung des Kriegs erleichtert und
geſichert wird. So können denn alſo unzweifelhaft Gebäude zu
Kriegszwecken zerſtört, die zur Ernährung des feindlichen Heeres
dienenden Lebensmittel weggenommen oder vernichtet, die zur
Erhaltung der eigenen Streitmacht erforderlichen Gegenſtände
benützt und im Nothfalle angeeignet werden 4). Man mag
ſelbſt, als äußerſte Maßregel, zu einer allgemeinen Verheerung
eines Landſtriches ſchreiten, wenn dieſelbe wirklich das einzige
Mittel zur Erreichung eines bedeutenden kriegeriſchen Zweckes
iſt, z. B. zur Deckung eines Rückzuges oder zur Vertreibung des
Feindes aus einer feſten Stellung durch Entziehung der noth-
wendigen Lebensmittel. Aber durchaus unerlaubt, weil von
keinem Einfluſſe auf den Gang des Krieges, iſt die Vernich-
tung oder Verſtümmelung öffentlicher zu friedlichem Gebrauche
dienender Gebäude, Denkmale, Sammlungen u. ſ. w.; ebenſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/470>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.