anderer Seits aber je nach der Gattung und Art im Staate selbst.
Dieser Verschiedenheit der Beziehungen unerachtet lassen sich doch wenigstens einige ganz allgemeine Sätze aufstellen, welche den sittlichen Forderungen an das Staatsleben als oberste Anhaltspunkte dienen. Welchen besondern Zweck nämlich auch ein bestimmter Staat verfolge, bleibt er doch unter allen Umstän- den eine einheitliche Einrichtung zur Förderung gemeinschaftlicher Lebenszwecke eines Volkes; und wie abweichend auch, je nach den Aufgaben und Formen der verschiedenen Staatsgattungen und -Arten die Verhältnisse der einzelnen Genossen sein mögen, immer sind sie doch, sei es einflußreiche und herrschende sei es dienende, Mitglieder der Einheit. -- Was nun aber
I, zunächst die für das sittliche Verhalten der Staaten selbst aufzufindenden Grundsätze betrifft, so ist offenbar
1. Grundlage für eine vernünftige Gestaltung der Ein- richtungen und gleichlaufende Richtung des Handelns die un- verrückte Festhaltung des Satzes, daß der Staat nicht zur Befriedigung der Wünsche und Interessen nur Einzelner, son- dern zur Förderung der aus der concreten Gesittigung des gesammten Volkes sich ergebenden Lebenszwecke besteht, so ferne diese einer Unterstützung durch eine einheitliche Macht und Ordnung bedürfen. Je nach der nothwendigen oder freigewählten Staatsform können einzelne Personen oder ganze Stände bevorzugt sein; allein es dürfen diese Ausnahms- stellungen nicht zur Hauptsache gemacht werden, sondern es muß der Zweck der Gesammtheit in dem freien Willen der Staats- gewalten allem vorgehen und rückhaltlos verfolgt werden. Die Behauptung: "l'etat, c'est moi" ist nicht nur eine logische und eine thatsächliche Unwahrheit, sondern eine grobe Unsitt- lichkeit, von wem und wo immer sie aufgestellt werden mag.
2. Nicht nur vereinbar hiermit, sondern sogar nur
anderer Seits aber je nach der Gattung und Art im Staate ſelbſt.
Dieſer Verſchiedenheit der Beziehungen unerachtet laſſen ſich doch wenigſtens einige ganz allgemeine Sätze aufſtellen, welche den ſittlichen Forderungen an das Staatsleben als oberſte Anhaltspunkte dienen. Welchen beſondern Zweck nämlich auch ein beſtimmter Staat verfolge, bleibt er doch unter allen Umſtän- den eine einheitliche Einrichtung zur Förderung gemeinſchaftlicher Lebenszwecke eines Volkes; und wie abweichend auch, je nach den Aufgaben und Formen der verſchiedenen Staatsgattungen und -Arten die Verhältniſſe der einzelnen Genoſſen ſein mögen, immer ſind ſie doch, ſei es einflußreiche und herrſchende ſei es dienende, Mitglieder der Einheit. — Was nun aber
I, zunächſt die für das ſittliche Verhalten der Staaten ſelbſt aufzufindenden Grundſätze betrifft, ſo iſt offenbar
1. Grundlage für eine vernünftige Geſtaltung der Ein- richtungen und gleichlaufende Richtung des Handelns die un- verrückte Feſthaltung des Satzes, daß der Staat nicht zur Befriedigung der Wünſche und Intereſſen nur Einzelner, ſon- dern zur Förderung der aus der concreten Geſittigung des geſammten Volkes ſich ergebenden Lebenszwecke beſteht, ſo ferne dieſe einer Unterſtützung durch eine einheitliche Macht und Ordnung bedürfen. Je nach der nothwendigen oder freigewählten Staatsform können einzelne Perſonen oder ganze Stände bevorzugt ſein; allein es dürfen dieſe Ausnahms- ſtellungen nicht zur Hauptſache gemacht werden, ſondern es muß der Zweck der Geſammtheit in dem freien Willen der Staats- gewalten allem vorgehen und rückhaltlos verfolgt werden. Die Behauptung: «l’état, c’est moi» iſt nicht nur eine logiſche und eine thatſächliche Unwahrheit, ſondern eine grobe Unſitt- lichkeit, von wem und wo immer ſie aufgeſtellt werden mag.
2. Nicht nur vereinbar hiermit, ſondern ſogar nur
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[507/0521]
anderer Seits aber je nach der Gattung und Art im Staate
ſelbſt.
Dieſer Verſchiedenheit der Beziehungen unerachtet laſſen
ſich doch wenigſtens einige ganz allgemeine Sätze aufſtellen,
welche den ſittlichen Forderungen an das Staatsleben als oberſte
Anhaltspunkte dienen. Welchen beſondern Zweck nämlich auch
ein beſtimmter Staat verfolge, bleibt er doch unter allen Umſtän-
den eine einheitliche Einrichtung zur Förderung gemeinſchaftlicher
Lebenszwecke eines Volkes; und wie abweichend auch, je nach
den Aufgaben und Formen der verſchiedenen Staatsgattungen
und -Arten die Verhältniſſe der einzelnen Genoſſen ſein mögen,
immer ſind ſie doch, ſei es einflußreiche und herrſchende ſei es
dienende, Mitglieder der Einheit. — Was nun aber
I, zunächſt die für das ſittliche Verhalten der Staaten
ſelbſt aufzufindenden Grundſätze betrifft, ſo iſt offenbar
1. Grundlage für eine vernünftige Geſtaltung der Ein-
richtungen und gleichlaufende Richtung des Handelns die un-
verrückte Feſthaltung des Satzes, daß der Staat nicht zur
Befriedigung der Wünſche und Intereſſen nur Einzelner, ſon-
dern zur Förderung der aus der concreten Geſittigung des
geſammten Volkes ſich ergebenden Lebenszwecke
beſteht, ſo ferne dieſe einer Unterſtützung durch eine einheitliche
Macht und Ordnung bedürfen. Je nach der nothwendigen
oder freigewählten Staatsform können einzelne Perſonen oder
ganze Stände bevorzugt ſein; allein es dürfen dieſe Ausnahms-
ſtellungen nicht zur Hauptſache gemacht werden, ſondern es muß
der Zweck der Geſammtheit in dem freien Willen der Staats-
gewalten allem vorgehen und rückhaltlos verfolgt werden. Die
Behauptung: «l’état, c’est moi» iſt nicht nur eine logiſche
und eine thatſächliche Unwahrheit, ſondern eine grobe Unſitt-
lichkeit, von wem und wo immer ſie aufgeſtellt werden mag.
2. Nicht nur vereinbar hiermit, ſondern ſogar nur
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/521>, abgerufen am 24.11.2024.
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