wenn in Beziehung auf hauptsächlichste staatliche Beziehungen die Anwendung des Sittengesetzes nachgewiesen, dabei denn aber auch die bei den verschiedenen Staatsformen sich ergebenden Eigenthümlichkeiten besonders hervorgehoben werden.
Hierbei ist es wohl am Platze zu bemerken, daß bei einer zweifelhaften und vielleicht von der Theorie noch nicht bearbei- teten Frage der Staatssittenlehre namentlich zwei Regeln im Auge zu behalten sind:
1) Vor Allem ist das besondere Wesen des concreten Staates, also seine Gattung und Form, scharf aufzufassen, damit die Handlungsweise über deren sittliche Nothwendigkeit man mit sich zu Rathe geht, auch wirklich im Einklange mit den allgemeinen Aufgaben und dem rings um beobachteten Verhalten sei. Es ist nicht blos möglich einen fremdartigen Rechtssatz störend in eine für ihn nicht passende Staatsart hineinzutragen; sondern dieß kann eben so gut auch bei sittlichen Normen ge- schehen, und ist dann nicht minder verkehrt.
2) Selbst wenn der zum Handeln Berufene für seine Person auf einer andern Gesittigung steht, als das übrige Volk, und ihm somit die dem letztern entsprechende und von ihm aufrecht erhaltene Staatsart nicht genügt: so hat er doch in allen vorkommenden Fällen das für die beste Durchführung der bestehenden Einrichtungen taugliche Verfahren einzuhalten und diese mit freiem Willen so wie nach besten Kräften zu fördern. Einerseits können nur auf diesem Wege die Vortheile gewonnen werden, welche in der, vielleicht unvollkommenen, Ge- staltung des Zusammenlebens möglich sind. Andern Theiles ist dann erst der Beweis, daß das Volk sich zu einer andern An- schauung vom Staatszwecke zu erheben und die nöthigen Aen- derungen vorzunehmen habe, schlagend zu führen, wenn das Bestehende mit bestem Wissen und Gewissen vollzogen wurde und es dennoch in seinen Erfolgen nicht genügt. -- Mit einer
wenn in Beziehung auf hauptſächlichſte ſtaatliche Beziehungen die Anwendung des Sittengeſetzes nachgewieſen, dabei denn aber auch die bei den verſchiedenen Staatsformen ſich ergebenden Eigenthümlichkeiten beſonders hervorgehoben werden.
Hierbei iſt es wohl am Platze zu bemerken, daß bei einer zweifelhaften und vielleicht von der Theorie noch nicht bearbei- teten Frage der Staatsſittenlehre namentlich zwei Regeln im Auge zu behalten ſind:
1) Vor Allem iſt das beſondere Weſen des concreten Staates, alſo ſeine Gattung und Form, ſcharf aufzufaſſen, damit die Handlungsweiſe über deren ſittliche Nothwendigkeit man mit ſich zu Rathe geht, auch wirklich im Einklange mit den allgemeinen Aufgaben und dem rings um beobachteten Verhalten ſei. Es iſt nicht blos möglich einen fremdartigen Rechtsſatz ſtörend in eine für ihn nicht paſſende Staatsart hineinzutragen; ſondern dieß kann eben ſo gut auch bei ſittlichen Normen ge- ſchehen, und iſt dann nicht minder verkehrt.
2) Selbſt wenn der zum Handeln Berufene für ſeine Perſon auf einer andern Geſittigung ſteht, als das übrige Volk, und ihm ſomit die dem letztern entſprechende und von ihm aufrecht erhaltene Staatsart nicht genügt: ſo hat er doch in allen vorkommenden Fällen das für die beſte Durchführung der beſtehenden Einrichtungen taugliche Verfahren einzuhalten und dieſe mit freiem Willen ſo wie nach beſten Kräften zu fördern. Einerſeits können nur auf dieſem Wege die Vortheile gewonnen werden, welche in der, vielleicht unvollkommenen, Ge- ſtaltung des Zuſammenlebens möglich ſind. Andern Theiles iſt dann erſt der Beweis, daß das Volk ſich zu einer andern An- ſchauung vom Staatszwecke zu erheben und die nöthigen Aen- derungen vorzunehmen habe, ſchlagend zu führen, wenn das Beſtehende mit beſtem Wiſſen und Gewiſſen vollzogen wurde und es dennoch in ſeinen Erfolgen nicht genügt. — Mit einer
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[512/0526]
wenn in Beziehung auf hauptſächlichſte ſtaatliche Beziehungen die
Anwendung des Sittengeſetzes nachgewieſen, dabei denn aber
auch die bei den verſchiedenen Staatsformen ſich ergebenden
Eigenthümlichkeiten beſonders hervorgehoben werden.
Hierbei iſt es wohl am Platze zu bemerken, daß bei einer
zweifelhaften und vielleicht von der Theorie noch nicht bearbei-
teten Frage der Staatsſittenlehre namentlich zwei Regeln im
Auge zu behalten ſind:
1) Vor Allem iſt das beſondere Weſen des concreten
Staates, alſo ſeine Gattung und Form, ſcharf aufzufaſſen, damit
die Handlungsweiſe über deren ſittliche Nothwendigkeit man
mit ſich zu Rathe geht, auch wirklich im Einklange mit den
allgemeinen Aufgaben und dem rings um beobachteten Verhalten
ſei. Es iſt nicht blos möglich einen fremdartigen Rechtsſatz
ſtörend in eine für ihn nicht paſſende Staatsart hineinzutragen;
ſondern dieß kann eben ſo gut auch bei ſittlichen Normen ge-
ſchehen, und iſt dann nicht minder verkehrt.
2) Selbſt wenn der zum Handeln Berufene für ſeine
Perſon auf einer andern Geſittigung ſteht, als das übrige
Volk, und ihm ſomit die dem letztern entſprechende und von
ihm aufrecht erhaltene Staatsart nicht genügt: ſo hat er doch
in allen vorkommenden Fällen das für die beſte Durchführung
der beſtehenden Einrichtungen taugliche Verfahren einzuhalten
und dieſe mit freiem Willen ſo wie nach beſten Kräften zu
fördern. Einerſeits können nur auf dieſem Wege die Vortheile
gewonnen werden, welche in der, vielleicht unvollkommenen, Ge-
ſtaltung des Zuſammenlebens möglich ſind. Andern Theiles iſt
dann erſt der Beweis, daß das Volk ſich zu einer andern An-
ſchauung vom Staatszwecke zu erheben und die nöthigen Aen-
derungen vorzunehmen habe, ſchlagend zu führen, wenn das
Beſtehende mit beſtem Wiſſen und Gewiſſen vollzogen wurde
und es dennoch in ſeinen Erfolgen nicht genügt. — Mit einer
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/526>, abgerufen am 24.11.2024.
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