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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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4. Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit im ganzen
Regentenleben. Blos heuchlerische und scheinbare Haltung der
Gesetze, Vorschiebung öffentlicher Zwecke bei selbstischen Absich-
ten, hinterlistige Abnützung der Personen oder Parteien, Un-
aufrichtigkeit gegen die eigenen Beamten, verderben den ganzen
Geist des Volkes und der Staatsverwaltung und verhindern
vieles Gute; sie sind also unsittlich.

5. Da von der Brauchbarkeit und Ehrlichkeit der Beamten
die Wirksamkeit der Staatseinrichtungen zum großen Theile
abhängt, so ist die bestmögliche Besetzung der Aemter
eine der wichtigsten Pflichten des Regenten. Wenn auch nicht
rechtlich, so fällt doch sittlich die ganze Schuld des Uebels,
welches schlechte Staatsbeamte verursachen, auf das Staats-
oberhaupt, welches sie ernannt hat. Mit Recht muß daher
verlangt werden, daß das Staatsoberhaupt nicht nur selbst den
aufrichtigen Willen habe und die erforderliche Mühe anwende
zur bestmöglichen Besetzung aller öffentlichen Stellen; sondern
daß es auch allgemeine Einrichtungen treffe, welche geeignet
sind, die Tüchtigsten in jedem einzelnen Falle zu seiner Kennt-
niß zu bringen und Unbrauchbare ferne zu halten. Dies kann
aber selbst dann verlangt werden, wenn der freie Wille des
Regenten empfindlich dadurch beschränkt würde. Unter allen
Umständen verwerflich ist namentlich: ausschließliche Bevorzugung
einzelner Stände zu gewissen Aemtern, weil dadurch einerseits
Befähigte entfernt, andererseits Unfähige aufgenöthigt werden;
unverdiente Beförderung persönlicher Lieblinge; Zurücksetzung
tüchtiger aber persönlich dem Regenten nicht angenehmer Männer;
Verleihung von Staatsämtern zur Belohnung von Unsittlich-
keiten
, z. B. von politischem Verrathe, von Dienstleistungen
unehrenhafter Art u. s. f.

6. Ein richtiges System der Belohnungen und
Strafen
ist einer der wichtigsten Hebel einer guten Verwal-

4. Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit im ganzen
Regentenleben. Blos heuchleriſche und ſcheinbare Haltung der
Geſetze, Vorſchiebung öffentlicher Zwecke bei ſelbſtiſchen Abſich-
ten, hinterliſtige Abnützung der Perſonen oder Parteien, Un-
aufrichtigkeit gegen die eigenen Beamten, verderben den ganzen
Geiſt des Volkes und der Staatsverwaltung und verhindern
vieles Gute; ſie ſind alſo unſittlich.

5. Da von der Brauchbarkeit und Ehrlichkeit der Beamten
die Wirkſamkeit der Staatseinrichtungen zum großen Theile
abhängt, ſo iſt die beſtmögliche Beſetzung der Aemter
eine der wichtigſten Pflichten des Regenten. Wenn auch nicht
rechtlich, ſo fällt doch ſittlich die ganze Schuld des Uebels,
welches ſchlechte Staatsbeamte verurſachen, auf das Staats-
oberhaupt, welches ſie ernannt hat. Mit Recht muß daher
verlangt werden, daß das Staatsoberhaupt nicht nur ſelbſt den
aufrichtigen Willen habe und die erforderliche Mühe anwende
zur beſtmöglichen Beſetzung aller öffentlichen Stellen; ſondern
daß es auch allgemeine Einrichtungen treffe, welche geeignet
ſind, die Tüchtigſten in jedem einzelnen Falle zu ſeiner Kennt-
niß zu bringen und Unbrauchbare ferne zu halten. Dies kann
aber ſelbſt dann verlangt werden, wenn der freie Wille des
Regenten empfindlich dadurch beſchränkt würde. Unter allen
Umſtänden verwerflich iſt namentlich: ausſchließliche Bevorzugung
einzelner Stände zu gewiſſen Aemtern, weil dadurch einerſeits
Befähigte entfernt, andererſeits Unfähige aufgenöthigt werden;
unverdiente Beförderung perſönlicher Lieblinge; Zurückſetzung
tüchtiger aber perſönlich dem Regenten nicht angenehmer Männer;
Verleihung von Staatsämtern zur Belohnung von Unſittlich-
keiten
, z. B. von politiſchem Verrathe, von Dienſtleiſtungen
unehrenhafter Art u. ſ. f.

6. Ein richtiges Syſtem der Belohnungen und
Strafen
iſt einer der wichtigſten Hebel einer guten Verwal-

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[521/0535] 4. Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit im ganzen Regentenleben. Blos heuchleriſche und ſcheinbare Haltung der Geſetze, Vorſchiebung öffentlicher Zwecke bei ſelbſtiſchen Abſich- ten, hinterliſtige Abnützung der Perſonen oder Parteien, Un- aufrichtigkeit gegen die eigenen Beamten, verderben den ganzen Geiſt des Volkes und der Staatsverwaltung und verhindern vieles Gute; ſie ſind alſo unſittlich. 5. Da von der Brauchbarkeit und Ehrlichkeit der Beamten die Wirkſamkeit der Staatseinrichtungen zum großen Theile abhängt, ſo iſt die beſtmögliche Beſetzung der Aemter eine der wichtigſten Pflichten des Regenten. Wenn auch nicht rechtlich, ſo fällt doch ſittlich die ganze Schuld des Uebels, welches ſchlechte Staatsbeamte verurſachen, auf das Staats- oberhaupt, welches ſie ernannt hat. Mit Recht muß daher verlangt werden, daß das Staatsoberhaupt nicht nur ſelbſt den aufrichtigen Willen habe und die erforderliche Mühe anwende zur beſtmöglichen Beſetzung aller öffentlichen Stellen; ſondern daß es auch allgemeine Einrichtungen treffe, welche geeignet ſind, die Tüchtigſten in jedem einzelnen Falle zu ſeiner Kennt- niß zu bringen und Unbrauchbare ferne zu halten. Dies kann aber ſelbſt dann verlangt werden, wenn der freie Wille des Regenten empfindlich dadurch beſchränkt würde. Unter allen Umſtänden verwerflich iſt namentlich: ausſchließliche Bevorzugung einzelner Stände zu gewiſſen Aemtern, weil dadurch einerſeits Befähigte entfernt, andererſeits Unfähige aufgenöthigt werden; unverdiente Beförderung perſönlicher Lieblinge; Zurückſetzung tüchtiger aber perſönlich dem Regenten nicht angenehmer Männer; Verleihung von Staatsämtern zur Belohnung von Unſittlich- keiten, z. B. von politiſchem Verrathe, von Dienſtleiſtungen unehrenhafter Art u. ſ. f. 6. Ein richtiges Syſtem der Belohnungen und Strafen iſt einer der wichtigſten Hebel einer guten Verwal-

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/535>, abgerufen am 24.11.2024.