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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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menschlichen Weisheit, das beste Mittel für den besten Zweck
aufzufinden. Da aber auch diese Auswahl am sichersten nicht
blos im subjectiven und augenblicklichen Falle und nach den
Eingebungen der individuellen Begabung und Erfahrung ge-
troffen wird, sondern sich vielmehr allgemeine Grundsätze über
das richtige Verhältniß von Zweck und Mittel überhaupt und
für die besonderen menschlichen Aufgaben finden lassen: so ist
auch hier eine wissenschaftliche Behandlung und eine geordnete
Lehre denkbar und rathsam. Eine Klugheitslehre läßt sich für
die verschiedenen Zweige des menschlichen Handelns entwerfen,
und ist auch für manche derselben längst bearbeitet. So z. B.
für die Wirksamkeit der Kirche, für die der Schule, für die
gewöhnlichen Verhältnisse des häuslichen und des Familien-
lebens u. s. w.

Der Staat, als eine Einheit sehr mannchfaltiger Einrich-
tungen und bestimmt zur Erreichung hoch gesteckter Aufgaben,
bedarf einer richtigen Auswahl zweckmäßiger Mittel mehr, als
jede andere Gestaltung menschlicher Dinge. Die Feststellung
der obersten Grundsätze und das klare Bewußtsein des Zweckes
muß allerdings vorangehen, und ist maßgebend für die Mittel;
allein die richtige Auswahl unter diesen ist Bedingung des Ge-
lingens, eine Auffindung der Regeln hiefür aber weder über-
flüssig, noch auch nur leicht. -- Nicht überflüssig, weil zwar
allerdings der gesunde Verstand einzelne allgemeine Regeln für
Zweckmäßigkeit des menschlichen Handelns überhaupt unschwer
auffindet und ohne viele wissenschaftliche Entwickelung oder ge-
lehrten Apparat als richtig nachweist, allein damit für die Ent-
scheidung im einzelnen Falle noch gar wenig gewonnen ist.
Besten Falles bleiben nämlich solche Regeln ganz im Allge-
meinen stehen, und bedürfen also immer noch einer sachlichen
Vermittelung; sehr häufig aber kann von einer Wahl überhaupt
nur dann die Rede sein, wenn die verschiedenen möglichen

menſchlichen Weisheit, das beſte Mittel für den beſten Zweck
aufzufinden. Da aber auch dieſe Auswahl am ſicherſten nicht
blos im ſubjectiven und augenblicklichen Falle und nach den
Eingebungen der individuellen Begabung und Erfahrung ge-
troffen wird, ſondern ſich vielmehr allgemeine Grundſätze über
das richtige Verhältniß von Zweck und Mittel überhaupt und
für die beſonderen menſchlichen Aufgaben finden laſſen: ſo iſt
auch hier eine wiſſenſchaftliche Behandlung und eine geordnete
Lehre denkbar und rathſam. Eine Klugheitslehre läßt ſich für
die verſchiedenen Zweige des menſchlichen Handelns entwerfen,
und iſt auch für manche derſelben längſt bearbeitet. So z. B.
für die Wirkſamkeit der Kirche, für die der Schule, für die
gewöhnlichen Verhältniſſe des häuslichen und des Familien-
lebens u. ſ. w.

Der Staat, als eine Einheit ſehr mannchfaltiger Einrich-
tungen und beſtimmt zur Erreichung hoch geſteckter Aufgaben,
bedarf einer richtigen Auswahl zweckmäßiger Mittel mehr, als
jede andere Geſtaltung menſchlicher Dinge. Die Feſtſtellung
der oberſten Grundſätze und das klare Bewußtſein des Zweckes
muß allerdings vorangehen, und iſt maßgebend für die Mittel;
allein die richtige Auswahl unter dieſen iſt Bedingung des Ge-
lingens, eine Auffindung der Regeln hiefür aber weder über-
flüſſig, noch auch nur leicht. — Nicht überflüſſig, weil zwar
allerdings der geſunde Verſtand einzelne allgemeine Regeln für
Zweckmäßigkeit des menſchlichen Handelns überhaupt unſchwer
auffindet und ohne viele wiſſenſchaftliche Entwickelung oder ge-
lehrten Apparat als richtig nachweiſt, allein damit für die Ent-
ſcheidung im einzelnen Falle noch gar wenig gewonnen iſt.
Beſten Falles bleiben nämlich ſolche Regeln ganz im Allge-
meinen ſtehen, und bedürfen alſo immer noch einer ſachlichen
Vermittelung; ſehr häufig aber kann von einer Wahl überhaupt
nur dann die Rede ſein, wenn die verſchiedenen möglichen

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[540/0554] menſchlichen Weisheit, das beſte Mittel für den beſten Zweck aufzufinden. Da aber auch dieſe Auswahl am ſicherſten nicht blos im ſubjectiven und augenblicklichen Falle und nach den Eingebungen der individuellen Begabung und Erfahrung ge- troffen wird, ſondern ſich vielmehr allgemeine Grundſätze über das richtige Verhältniß von Zweck und Mittel überhaupt und für die beſonderen menſchlichen Aufgaben finden laſſen: ſo iſt auch hier eine wiſſenſchaftliche Behandlung und eine geordnete Lehre denkbar und rathſam. Eine Klugheitslehre läßt ſich für die verſchiedenen Zweige des menſchlichen Handelns entwerfen, und iſt auch für manche derſelben längſt bearbeitet. So z. B. für die Wirkſamkeit der Kirche, für die der Schule, für die gewöhnlichen Verhältniſſe des häuslichen und des Familien- lebens u. ſ. w. Der Staat, als eine Einheit ſehr mannchfaltiger Einrich- tungen und beſtimmt zur Erreichung hoch geſteckter Aufgaben, bedarf einer richtigen Auswahl zweckmäßiger Mittel mehr, als jede andere Geſtaltung menſchlicher Dinge. Die Feſtſtellung der oberſten Grundſätze und das klare Bewußtſein des Zweckes muß allerdings vorangehen, und iſt maßgebend für die Mittel; allein die richtige Auswahl unter dieſen iſt Bedingung des Ge- lingens, eine Auffindung der Regeln hiefür aber weder über- flüſſig, noch auch nur leicht. — Nicht überflüſſig, weil zwar allerdings der geſunde Verſtand einzelne allgemeine Regeln für Zweckmäßigkeit des menſchlichen Handelns überhaupt unſchwer auffindet und ohne viele wiſſenſchaftliche Entwickelung oder ge- lehrten Apparat als richtig nachweiſt, allein damit für die Ent- ſcheidung im einzelnen Falle noch gar wenig gewonnen iſt. Beſten Falles bleiben nämlich ſolche Regeln ganz im Allge- meinen ſtehen, und bedürfen alſo immer noch einer ſachlichen Vermittelung; ſehr häufig aber kann von einer Wahl überhaupt nur dann die Rede ſein, wenn die verſchiedenen möglichen

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/554>, abgerufen am 24.11.2024.