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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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denselben Sympathieen und Abneigungen, bei gleicher Geschichte
und Sprache eine homogene Gesittigung bildet, welche über
den einzuhaltenden Staatszweck im Ganzen und über die zu
seiner Förderung taugenden Einrichtungen keinen Zweifel läßt,
bei Einheit der Gesinnung auch eine Uebereinstimmung im
staatlichen Handeln erzeugt, und überhaupt das gleichsam aus
einem Gusse bestehende Volk viel leichter regierbar macht. Eine
gemischte Bevölkerung gewährt diese Vortheile nicht; und es ist
hier sogar möglich, daß entweder bei einer großen Verschieden-
heit der natürlichen Anlagen und Neigungen, damit aber auch
des Grades oder der Art der Gesittigung, eine einheitliche Ge-
setzgebung zum Prokrustesbett wird, oder daß bei entschiedener
gegenseitiger Abneigung der zusammengezwungenen Stämme
tiefe Spaltungen, damit aber große Gefahren im Innern
und gegen Außen bestehen. Verschiedenheit der Sprachen,
fast immer mit verschiedener Abstammung verbunden, ist ein
Grund gegenseitiger Trennung, erschwert überdies das gegen-
seitige Verständniß von Regierung und Unterthanen außer-
ordentlich, und führt leicht zu gewaltsamer Einführung einer
Staatssprache, welche dann wieder mit äußerstem Widerwillen
und mit bitterem Gefühle der Unterdrückung von allen anders
redenden Stämmen aufgenommen wird 6). Am schlimmsten ist
es, wenn die Bevölkerung nicht blos aus verschiedenen Stäm-
men derselben Menschenart, sondern sogar aus verschiedenen
Racen besteht. Und nicht immer kann sogar auf eine Aus-
gleichung durch die Entstehung einer Blendlingsbevölkerung
gerechnet werden. Leicht bildet diese nur einen neuen ganz
abgesonderten Bestandtheil 7). Eine Verschmelzung verschiedener
Volksthümlichkeiten ist zwar unter Umständen, nämlich bei nicht
allzugroßer Verschiedenheit der Stämme, bei sehr geschickter
Behandlung und nach langer Zeit möglich; allein da wo kein

v. Mohl, Encyclopädie. 37

denſelben Sympathieen und Abneigungen, bei gleicher Geſchichte
und Sprache eine homogene Geſittigung bildet, welche über
den einzuhaltenden Staatszweck im Ganzen und über die zu
ſeiner Förderung taugenden Einrichtungen keinen Zweifel läßt,
bei Einheit der Geſinnung auch eine Uebereinſtimmung im
ſtaatlichen Handeln erzeugt, und überhaupt das gleichſam aus
einem Guſſe beſtehende Volk viel leichter regierbar macht. Eine
gemiſchte Bevölkerung gewährt dieſe Vortheile nicht; und es iſt
hier ſogar möglich, daß entweder bei einer großen Verſchieden-
heit der natürlichen Anlagen und Neigungen, damit aber auch
des Grades oder der Art der Geſittigung, eine einheitliche Ge-
ſetzgebung zum Prokruſtesbett wird, oder daß bei entſchiedener
gegenſeitiger Abneigung der zuſammengezwungenen Stämme
tiefe Spaltungen, damit aber große Gefahren im Innern
und gegen Außen beſtehen. Verſchiedenheit der Sprachen,
faſt immer mit verſchiedener Abſtammung verbunden, iſt ein
Grund gegenſeitiger Trennung, erſchwert überdies das gegen-
ſeitige Verſtändniß von Regierung und Unterthanen außer-
ordentlich, und führt leicht zu gewaltſamer Einführung einer
Staatsſprache, welche dann wieder mit äußerſtem Widerwillen
und mit bitterem Gefühle der Unterdrückung von allen anders
redenden Stämmen aufgenommen wird 6). Am ſchlimmſten iſt
es, wenn die Bevölkerung nicht blos aus verſchiedenen Stäm-
men derſelben Menſchenart, ſondern ſogar aus verſchiedenen
Racen beſteht. Und nicht immer kann ſogar auf eine Aus-
gleichung durch die Entſtehung einer Blendlingsbevölkerung
gerechnet werden. Leicht bildet dieſe nur einen neuen ganz
abgeſonderten Beſtandtheil 7). Eine Verſchmelzung verſchiedener
Volksthümlichkeiten iſt zwar unter Umſtänden, nämlich bei nicht
allzugroßer Verſchiedenheit der Stämme, bei ſehr geſchickter
Behandlung und nach langer Zeit möglich; allein da wo kein

v. Mohl, Encyclopädie. 37
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[577/0591] denſelben Sympathieen und Abneigungen, bei gleicher Geſchichte und Sprache eine homogene Geſittigung bildet, welche über den einzuhaltenden Staatszweck im Ganzen und über die zu ſeiner Förderung taugenden Einrichtungen keinen Zweifel läßt, bei Einheit der Geſinnung auch eine Uebereinſtimmung im ſtaatlichen Handeln erzeugt, und überhaupt das gleichſam aus einem Guſſe beſtehende Volk viel leichter regierbar macht. Eine gemiſchte Bevölkerung gewährt dieſe Vortheile nicht; und es iſt hier ſogar möglich, daß entweder bei einer großen Verſchieden- heit der natürlichen Anlagen und Neigungen, damit aber auch des Grades oder der Art der Geſittigung, eine einheitliche Ge- ſetzgebung zum Prokruſtesbett wird, oder daß bei entſchiedener gegenſeitiger Abneigung der zuſammengezwungenen Stämme tiefe Spaltungen, damit aber große Gefahren im Innern und gegen Außen beſtehen. Verſchiedenheit der Sprachen, faſt immer mit verſchiedener Abſtammung verbunden, iſt ein Grund gegenſeitiger Trennung, erſchwert überdies das gegen- ſeitige Verſtändniß von Regierung und Unterthanen außer- ordentlich, und führt leicht zu gewaltſamer Einführung einer Staatsſprache, welche dann wieder mit äußerſtem Widerwillen und mit bitterem Gefühle der Unterdrückung von allen anders redenden Stämmen aufgenommen wird 6). Am ſchlimmſten iſt es, wenn die Bevölkerung nicht blos aus verſchiedenen Stäm- men derſelben Menſchenart, ſondern ſogar aus verſchiedenen Racen beſteht. Und nicht immer kann ſogar auf eine Aus- gleichung durch die Entſtehung einer Blendlingsbevölkerung gerechnet werden. Leicht bildet dieſe nur einen neuen ganz abgeſonderten Beſtandtheil 7). Eine Verſchmelzung verſchiedener Volksthümlichkeiten iſt zwar unter Umſtänden, nämlich bei nicht allzugroßer Verſchiedenheit der Stämme, bei ſehr geſchickter Behandlung und nach langer Zeit möglich; allein da wo kein v. Mohl, Encyclopädie. 37

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/591>, abgerufen am 24.11.2024.