Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.der fürstlichen Familie. Je nach der Beschaffenheit desselben 1) Es zeugt in der That von geringem staatsmännischen Sinne, wenn Klüber, und von keinem ehrlichen Verhalten, wenn K. S. Zachariä bei allen sich darbietenden Gelegenheiten gegen den Grundsatz der Ebenbür- tigkeit der Ehen in fürstlichen Familien zu Felde gezogen sind. Romanen- empfindsamkeit ist hier ganz an der falschen Stelle, und eine sophistische Verdrehung von Geschichte und Hausgesetzen gerade in dieser Frage be- sonders schmählich, weil ungewöhnlich schädlich und gefährlich. -- Nur in einem einzigen Falle können Mißheirathen auch von politischem Nutzen sein, wie bereits Spinoza scharfsinnig bemerkt hat. Wenn nämlich ein fürstliches Geschlecht allzu zahlreich, dadurch aber sich selbst und dem Lande zur Last geworden ist, mag eine Begünstigung von Ehen, aus welchen keine weiteren Erbfähigen entstehen, zweckmäßig sein. 2) Es sollte nicht erst ausdrücklich bemerkt werden müssen, daß ein Uebergang der Regierung auf eine weibliche Linie verständigerweise nur stattfinden kann, wenn sämmtliche männliche Mitglieder des Hauses aus- gestorben sind. Das Beispiel der englischen Successionsordnung zeigt jedoch, daß eine Warnung hier nicht am unrechten Orte ist. Dadurch nämlich, daß hier Weiber nur beim Erbgange in direkter Linie ausgeschlossen sind, nicht aber wenn die Krone auf eine Nebenlinie übergeht, hat England Han- nover verloren und appanagirte Linien, welche voraussichtlich niemals zur Regierung gelangen, erhalten. Daß durch diese Erbfolgeordnung die Kö- nigin Victoria zum Throne gelangte, ist allerdings ein sehr günstiger Zufall und mag im einzelnen Falle als reichliche Entschädigung betrachtet werden; allein die Unrichtigkeit des Grundsatzes wird dadurch nicht geheilt. der fürſtlichen Familie. Je nach der Beſchaffenheit deſſelben 1) Es zeugt in der That von geringem ſtaatsmänniſchen Sinne, wenn Klüber, und von keinem ehrlichen Verhalten, wenn K. S. Zachariä bei allen ſich darbietenden Gelegenheiten gegen den Grundſatz der Ebenbür- tigkeit der Ehen in fürſtlichen Familien zu Felde gezogen ſind. Romanen- empfindſamkeit iſt hier ganz an der falſchen Stelle, und eine ſophiſtiſche Verdrehung von Geſchichte und Hausgeſetzen gerade in dieſer Frage be- ſonders ſchmählich, weil ungewöhnlich ſchädlich und gefährlich. — Nur in einem einzigen Falle können Mißheirathen auch von politiſchem Nutzen ſein, wie bereits Spinoza ſcharfſinnig bemerkt hat. Wenn nämlich ein fürſtliches Geſchlecht allzu zahlreich, dadurch aber ſich ſelbſt und dem Lande zur Laſt geworden iſt, mag eine Begünſtigung von Ehen, aus welchen keine weiteren Erbfähigen entſtehen, zweckmäßig ſein. 2) Es ſollte nicht erſt ausdrücklich bemerkt werden müſſen, daß ein Uebergang der Regierung auf eine weibliche Linie verſtändigerweiſe nur ſtattfinden kann, wenn ſämmtliche männliche Mitglieder des Hauſes aus- geſtorben ſind. Das Beiſpiel der engliſchen Succeſſionsordnung zeigt jedoch, daß eine Warnung hier nicht am unrechten Orte iſt. Dadurch nämlich, daß hier Weiber nur beim Erbgange in direkter Linie ausgeſchloſſen ſind, nicht aber wenn die Krone auf eine Nebenlinie übergeht, hat England Han- nover verloren und appanagirte Linien, welche vorausſichtlich niemals zur Regierung gelangen, erhalten. Daß durch dieſe Erbfolgeordnung die Kö- nigin Victoria zum Throne gelangte, iſt allerdings ein ſehr günſtiger Zufall und mag im einzelnen Falle als reichliche Entſchädigung betrachtet werden; allein die Unrichtigkeit des Grundſatzes wird dadurch nicht geheilt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0638" n="624"/> der fürſtlichen Familie. Je nach der Beſchaffenheit deſſelben<lb/> wird es Anhänglichkeit und Achtung oder das Gegentheil zu-<lb/> ziehen, was denn in beiden Fällen auch in ſtaatlichen Zu-<lb/> ſtänden ſchwer in die Waage fallen kann. Ueberdies hat das<lb/> Beiſpiel ſo hoch geſtellter Perſonen immer einen großen Einfluß<lb/> auf Sitten und Gewohnheiten des Volkes; jedenfalls verſchlechtert<lb/> ein ſchlimmes Beiſpiel. 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der fürſtlichen Familie. Je nach der Beſchaffenheit deſſelben
wird es Anhänglichkeit und Achtung oder das Gegentheil zu-
ziehen, was denn in beiden Fällen auch in ſtaatlichen Zu-
ſtänden ſchwer in die Waage fallen kann. Ueberdies hat das
Beiſpiel ſo hoch geſtellter Perſonen immer einen großen Einfluß
auf Sitten und Gewohnheiten des Volkes; jedenfalls verſchlechtert
ein ſchlimmes Beiſpiel. Wirkſame und ausführbare geſetzliche
Einrichtungen ſind freilich auch hier nicht vorzuſchlagen, mit
einziger Ausnahme etwa einer hausgeſetzlichen Beſtimmung,
durch welche dem regierenden Fürſten ein weitgehendes Auf-
ſichtsrecht über ſämmtliche Mitglieder des Hauſes eingeräumt
wird; allein die Forderung der Staatskunſt ſteht deßhalb nicht
minder feſt.
¹⁾ Es zeugt in der That von geringem ſtaatsmänniſchen Sinne, wenn
Klüber, und von keinem ehrlichen Verhalten, wenn K. S. Zachariä
bei allen ſich darbietenden Gelegenheiten gegen den Grundſatz der Ebenbür-
tigkeit der Ehen in fürſtlichen Familien zu Felde gezogen ſind. Romanen-
empfindſamkeit iſt hier ganz an der falſchen Stelle, und eine ſophiſtiſche
Verdrehung von Geſchichte und Hausgeſetzen gerade in dieſer Frage be-
ſonders ſchmählich, weil ungewöhnlich ſchädlich und gefährlich. — Nur in
einem einzigen Falle können Mißheirathen auch von politiſchem Nutzen ſein,
wie bereits Spinoza ſcharfſinnig bemerkt hat. Wenn nämlich ein fürſtliches
Geſchlecht allzu zahlreich, dadurch aber ſich ſelbſt und dem Lande zur Laſt
geworden iſt, mag eine Begünſtigung von Ehen, aus welchen keine weiteren
Erbfähigen entſtehen, zweckmäßig ſein.
²⁾ Es ſollte nicht erſt ausdrücklich bemerkt werden müſſen, daß ein
Uebergang der Regierung auf eine weibliche Linie verſtändigerweiſe nur
ſtattfinden kann, wenn ſämmtliche männliche Mitglieder des Hauſes aus-
geſtorben ſind. Das Beiſpiel der engliſchen Succeſſionsordnung zeigt jedoch,
daß eine Warnung hier nicht am unrechten Orte iſt. Dadurch nämlich,
daß hier Weiber nur beim Erbgange in direkter Linie ausgeſchloſſen ſind,
nicht aber wenn die Krone auf eine Nebenlinie übergeht, hat England Han-
nover verloren und appanagirte Linien, welche vorausſichtlich niemals zur
Regierung gelangen, erhalten. Daß durch dieſe Erbfolgeordnung die Kö-
nigin Victoria zum Throne gelangte, iſt allerdings ein ſehr günſtiger
Zufall und mag im einzelnen Falle als reichliche Entſchädigung betrachtet
werden; allein die Unrichtigkeit des Grundſatzes wird dadurch nicht geheilt.
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