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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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schon bestehende Versammlung oder Person auch dieses Recht
erhalten. -- Um einen Richter zu finden, welcher Rechtskennt-
niß, staatliche Einsicht, Unabhängigkeit und eine Eindruck
machende Stellung mit einander verbinde, sind der Versuche
schon gar manche gemacht worden, ohne daß auch nur einer
derselben vor gegründeten Einwendungen gesichert wäre. Ein
Oberhaus z. B., wo ein solches besteht, ist nicht unbefangen
und nicht unbetheiligt genug; ein gewöhnlicher oberster Gerichts-
hof bietet keine Sicherheit staatlicher Einsicht; ein eigens für
solche Anklagen zusammengesetzter Staatsgerichtshof wird leicht
bei schwierigen Principienfragen in seine verschiedenartigen
Bestandtheile zerfallen anstatt dieselben zu einem Ganzen zu
verschmelzen; rechtsgelehrte Richter sind zu formell, Geschworene
leicht bewegt durch die augenblickliche Strömung der öffentlichen
Meinung. Hier hat man sich denn mit dem am wenigsten
Unvollkommenen zufrieden zu stellen. Dies ist denn aber wohl
entweder, falls eine solche besteht, eine zahlreiche Pairskammer
mit einem Zusatze hochgestellter Rechtsgelehrter; oder ein eigens
zusammengesetzter Staatsgerichtshof, welcher zu gleichen Theilen
aus einer Anzahl von der Regierung ernannter Mitglieder,
gleichvielen durch eine mittelbare oder unmittelbare Volkswahl
Bezeichneten, endlich aus einem dritten, sei es durch gemein-
schaftliche Wahl sei es durch Loos oder dergl. zur Ausgleichung
und Verbindung beigefügten, Elemente bestünde. -- Als An-
geklagter aber muß Jeder belangt werden können, welcher
selbstständig die Regierungsgewalt zu Verletzungen der Volks-
rechte zu verwenden im Stande ist; in Monarchieen jedoch mit
Ausnahme des Fürsten selbst, dessen Antastung den Schlußstein
des ganzen Gebäudes herausreißen würde, überdies ohne
Zweifel ganz verzweifelte Angriffe auf das bestehende Recht
hervorrufen könnte. -- Im Uebrigen mag die ganze Einrich-
tung sowohl mit einer sonstigen Volksvertretung in Verbindung

ſchon beſtehende Verſammlung oder Perſon auch dieſes Recht
erhalten. — Um einen Richter zu finden, welcher Rechtskennt-
niß, ſtaatliche Einſicht, Unabhängigkeit und eine Eindruck
machende Stellung mit einander verbinde, ſind der Verſuche
ſchon gar manche gemacht worden, ohne daß auch nur einer
derſelben vor gegründeten Einwendungen geſichert wäre. Ein
Oberhaus z. B., wo ein ſolches beſteht, iſt nicht unbefangen
und nicht unbetheiligt genug; ein gewöhnlicher oberſter Gerichts-
hof bietet keine Sicherheit ſtaatlicher Einſicht; ein eigens für
ſolche Anklagen zuſammengeſetzter Staatsgerichtshof wird leicht
bei ſchwierigen Principienfragen in ſeine verſchiedenartigen
Beſtandtheile zerfallen anſtatt dieſelben zu einem Ganzen zu
verſchmelzen; rechtsgelehrte Richter ſind zu formell, Geſchworene
leicht bewegt durch die augenblickliche Strömung der öffentlichen
Meinung. Hier hat man ſich denn mit dem am wenigſten
Unvollkommenen zufrieden zu ſtellen. Dies iſt denn aber wohl
entweder, falls eine ſolche beſteht, eine zahlreiche Pairskammer
mit einem Zuſatze hochgeſtellter Rechtsgelehrter; oder ein eigens
zuſammengeſetzter Staatsgerichtshof, welcher zu gleichen Theilen
aus einer Anzahl von der Regierung ernannter Mitglieder,
gleichvielen durch eine mittelbare oder unmittelbare Volkswahl
Bezeichneten, endlich aus einem dritten, ſei es durch gemein-
ſchaftliche Wahl ſei es durch Loos oder dergl. zur Ausgleichung
und Verbindung beigefügten, Elemente beſtünde. — Als An-
geklagter aber muß Jeder belangt werden können, welcher
ſelbſtſtändig die Regierungsgewalt zu Verletzungen der Volks-
rechte zu verwenden im Stande iſt; in Monarchieen jedoch mit
Ausnahme des Fürſten ſelbſt, deſſen Antaſtung den Schlußſtein
des ganzen Gebäudes herausreißen würde, überdies ohne
Zweifel ganz verzweifelte Angriffe auf das beſtehende Recht
hervorrufen könnte. — Im Uebrigen mag die ganze Einrich-
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[642/0656] ſchon beſtehende Verſammlung oder Perſon auch dieſes Recht erhalten. — Um einen Richter zu finden, welcher Rechtskennt- niß, ſtaatliche Einſicht, Unabhängigkeit und eine Eindruck machende Stellung mit einander verbinde, ſind der Verſuche ſchon gar manche gemacht worden, ohne daß auch nur einer derſelben vor gegründeten Einwendungen geſichert wäre. Ein Oberhaus z. B., wo ein ſolches beſteht, iſt nicht unbefangen und nicht unbetheiligt genug; ein gewöhnlicher oberſter Gerichts- hof bietet keine Sicherheit ſtaatlicher Einſicht; ein eigens für ſolche Anklagen zuſammengeſetzter Staatsgerichtshof wird leicht bei ſchwierigen Principienfragen in ſeine verſchiedenartigen Beſtandtheile zerfallen anſtatt dieſelben zu einem Ganzen zu verſchmelzen; rechtsgelehrte Richter ſind zu formell, Geſchworene leicht bewegt durch die augenblickliche Strömung der öffentlichen Meinung. Hier hat man ſich denn mit dem am wenigſten Unvollkommenen zufrieden zu ſtellen. Dies iſt denn aber wohl entweder, falls eine ſolche beſteht, eine zahlreiche Pairskammer mit einem Zuſatze hochgeſtellter Rechtsgelehrter; oder ein eigens zuſammengeſetzter Staatsgerichtshof, welcher zu gleichen Theilen aus einer Anzahl von der Regierung ernannter Mitglieder, gleichvielen durch eine mittelbare oder unmittelbare Volkswahl Bezeichneten, endlich aus einem dritten, ſei es durch gemein- ſchaftliche Wahl ſei es durch Loos oder dergl. zur Ausgleichung und Verbindung beigefügten, Elemente beſtünde. — Als An- geklagter aber muß Jeder belangt werden können, welcher ſelbſtſtändig die Regierungsgewalt zu Verletzungen der Volks- rechte zu verwenden im Stande iſt; in Monarchieen jedoch mit Ausnahme des Fürſten ſelbſt, deſſen Antaſtung den Schlußſtein des ganzen Gebäudes herausreißen würde, überdies ohne Zweifel ganz verzweifelte Angriffe auf das beſtehende Recht hervorrufen könnte. — Im Uebrigen mag die ganze Einrich- tung ſowohl mit einer ſonſtigen Volksvertretung in Verbindung

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/656>, abgerufen am 24.11.2024.