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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Widerwillen absichtlich verheimlicht wird; theils endlich weil
viele Arbeit und bedeutendes Geschick dazu gehört, die ge-
wünschten Thatsachen abzulösen von ihren Umgebungen und
Verbindungen. Die Folge hiervon ist nun aber eine doppelte.
Einmal muß sehr genau zwischen den verschiedenen Quellen
unterschieden werden, aus welchen statistische Angaben gezogen
werden können. Nicht alle stehen auf gleicher Stufe der Zu-
verlässigkeit, sei es nach dem Umfange sei es nach der inneren
Wahrheit. Zweitens aber hat sich begeben, was sonst bei
keiner Staatswissenschaft der Fall ist, daß in vielen Staaten
amtliche Einrichtungen getroffen sind zur Auffindung und zur
Bearbeitung des statistischen Stoffes, und daß sich überhaupt
die Regierungen der Statistik in höherem Grade und unmittel-
barer annehmen, als dies bei anderen Kenntnissen über den
Staat der Fall ist.

Die Quellen der Statistik zerfallen demgemäß in amt-
liche
und private. -- Die ersteren sind aber wieder theils
von eigens dazu bestimmten Behörden, statistischen Bureaus,
gesammelt und bearbeitet, theils entstehen sie bei anderen Re-
gierungsorganen, in der Regel zum Zwecke einer unmittelbaren
Anwendung oder wenigstens Zurechtfindung in dem aufgetra-
genen Geschäftskreise. Weder die einen noch die andern sind
nothwendig zur Veröffentlichung bestimmt; und wenn diese auch
bei den Arbeiten der statistischen Bureaus in größerem Maße
stattfindet, so pflegt es um so weniger bei den statistischen
Sammlungen der übrigen Behörden der Fall zu sein. Aller-
dings macht die Stufe der politischen Gesittigung hier einen
mächtigen Unterschied, insoferne nicht nur überhaupt freisinni-
gere und ihrer guten Absichten sich bewußte Regierungen zu
Mittheilungen geneigter sind, sondern namentlich auch die con-
stitutionelle Staatsform häufige Veröffentlichungen staatlicher
Zustände zur Folge hat. Je größer der Antheil der Bürger

v. Mohl, Encyclopädie. 47

Widerwillen abſichtlich verheimlicht wird; theils endlich weil
viele Arbeit und bedeutendes Geſchick dazu gehört, die ge-
wünſchten Thatſachen abzulöſen von ihren Umgebungen und
Verbindungen. Die Folge hiervon iſt nun aber eine doppelte.
Einmal muß ſehr genau zwiſchen den verſchiedenen Quellen
unterſchieden werden, aus welchen ſtatiſtiſche Angaben gezogen
werden können. Nicht alle ſtehen auf gleicher Stufe der Zu-
verläſſigkeit, ſei es nach dem Umfange ſei es nach der inneren
Wahrheit. Zweitens aber hat ſich begeben, was ſonſt bei
keiner Staatswiſſenſchaft der Fall iſt, daß in vielen Staaten
amtliche Einrichtungen getroffen ſind zur Auffindung und zur
Bearbeitung des ſtatiſtiſchen Stoffes, und daß ſich überhaupt
die Regierungen der Statiſtik in höherem Grade und unmittel-
barer annehmen, als dies bei anderen Kenntniſſen über den
Staat der Fall iſt.

Die Quellen der Statiſtik zerfallen demgemäß in amt-
liche
und private. — Die erſteren ſind aber wieder theils
von eigens dazu beſtimmten Behörden, ſtatiſtiſchen Bureaus,
geſammelt und bearbeitet, theils entſtehen ſie bei anderen Re-
gierungsorganen, in der Regel zum Zwecke einer unmittelbaren
Anwendung oder wenigſtens Zurechtfindung in dem aufgetra-
genen Geſchäftskreiſe. Weder die einen noch die andern ſind
nothwendig zur Veröffentlichung beſtimmt; und wenn dieſe auch
bei den Arbeiten der ſtatiſtiſchen Bureaus in größerem Maße
ſtattfindet, ſo pflegt es um ſo weniger bei den ſtatiſtiſchen
Sammlungen der übrigen Behörden der Fall zu ſein. Aller-
dings macht die Stufe der politiſchen Geſittigung hier einen
mächtigen Unterſchied, inſoferne nicht nur überhaupt freiſinni-
gere und ihrer guten Abſichten ſich bewußte Regierungen zu
Mittheilungen geneigter ſind, ſondern namentlich auch die con-
ſtitutionelle Staatsform häufige Veröffentlichungen ſtaatlicher
Zuſtände zur Folge hat. Je größer der Antheil der Bürger

v. Mohl, Encyclopädie. 47
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[737/0751] Widerwillen abſichtlich verheimlicht wird; theils endlich weil viele Arbeit und bedeutendes Geſchick dazu gehört, die ge- wünſchten Thatſachen abzulöſen von ihren Umgebungen und Verbindungen. Die Folge hiervon iſt nun aber eine doppelte. Einmal muß ſehr genau zwiſchen den verſchiedenen Quellen unterſchieden werden, aus welchen ſtatiſtiſche Angaben gezogen werden können. Nicht alle ſtehen auf gleicher Stufe der Zu- verläſſigkeit, ſei es nach dem Umfange ſei es nach der inneren Wahrheit. Zweitens aber hat ſich begeben, was ſonſt bei keiner Staatswiſſenſchaft der Fall iſt, daß in vielen Staaten amtliche Einrichtungen getroffen ſind zur Auffindung und zur Bearbeitung des ſtatiſtiſchen Stoffes, und daß ſich überhaupt die Regierungen der Statiſtik in höherem Grade und unmittel- barer annehmen, als dies bei anderen Kenntniſſen über den Staat der Fall iſt. Die Quellen der Statiſtik zerfallen demgemäß in amt- liche und private. — Die erſteren ſind aber wieder theils von eigens dazu beſtimmten Behörden, ſtatiſtiſchen Bureaus, geſammelt und bearbeitet, theils entſtehen ſie bei anderen Re- gierungsorganen, in der Regel zum Zwecke einer unmittelbaren Anwendung oder wenigſtens Zurechtfindung in dem aufgetra- genen Geſchäftskreiſe. Weder die einen noch die andern ſind nothwendig zur Veröffentlichung beſtimmt; und wenn dieſe auch bei den Arbeiten der ſtatiſtiſchen Bureaus in größerem Maße ſtattfindet, ſo pflegt es um ſo weniger bei den ſtatiſtiſchen Sammlungen der übrigen Behörden der Fall zu ſein. Aller- dings macht die Stufe der politiſchen Geſittigung hier einen mächtigen Unterſchied, inſoferne nicht nur überhaupt freiſinni- gere und ihrer guten Abſichten ſich bewußte Regierungen zu Mittheilungen geneigter ſind, ſondern namentlich auch die con- ſtitutionelle Staatsform häufige Veröffentlichungen ſtaatlicher Zuſtände zur Folge hat. Je größer der Antheil der Bürger v. Mohl, Encyclopädie. 47

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/751>, abgerufen am 24.11.2024.