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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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zu verstehen ist, überflüssig, die räumliche Grundlage noch
einmal besonders hervorzuheben.

Daß der Staat die Förderung sämmtlicher Lebens-
kreise
, welche in seiner Bevölkerung sich thatsächlich vorfinden,
und somit ihren Zweck bilden, zur Aufgabe hat, erhellt aus der
Hülfsbedürftigkeit ihrer Aller. Allerdings sind die Leistungen des
Staates von verschiedenem Umfange, je nachdem die eigene
Kraft der natürlichen Vergesellschaftungen größer oder kleiner
ist, und nach dem Grade der Entwicklung, welche die Ge-
sittigung diesen besonderen Kräften gegeben hat; aber selbst die
größten gesellschaftlichen Kreise und die höchsten Culturzustände
können ihrer doch nicht ganz entbehren 4). Eine große Verar-
mung der Wissenschaft und vielfache Versäumniß und Verkehrt-
heit im Leben ist dadurch entstanden, daß lange, und zwar
nicht blos von rechtsphilosophischen Schulen sondern auch im
gemeinen Bewußtsein, nur die einzelne Persönlichkeit und ihre
Zwecke in Verbindung mit dem Staate gebracht worden sind;
und es wäre manche übertriebene Forderung und Feindselig-
keit gegen den Staat in der Neuzeit vermieden worden,
wenn immer anerkannt gewesen wäre, daß die Gesellschaft,
wie sie nun auch immer sei, einen Anspruch an den Staat
habe 5).

Endlich ist nur Förderung, nicht aber vollständige
Uebernahme der Lebenszwecke des Volkes vom Staate gefordert.
Es ist allerdings möglich, daß dieser seine Theilnehmer voll-
ständig absorbirt und er an ihrer Stelle lebt und handelt.
Die Staaten des klassischen Alterthumes und einzelne Theokra-
tien sind Belege hiervon. Allein es ist dieß keineswegs immer
der Fall; und es ist recht gut, daß dem nicht so ist. Theils
beschränkt eine so weitgehende Thätigkeit des Staates die einzelne
Persönlichkeit und die ganze Bedeutung ihres Daseins auf der
Erde allzusehr; theils kann der Staat nur sehr schwer die

zu verſtehen iſt, überflüſſig, die räumliche Grundlage noch
einmal beſonders hervorzuheben.

Daß der Staat die Förderung ſämmtlicher Lebens-
kreiſe
, welche in ſeiner Bevölkerung ſich thatſächlich vorfinden,
und ſomit ihren Zweck bilden, zur Aufgabe hat, erhellt aus der
Hülfsbedürftigkeit ihrer Aller. Allerdings ſind die Leiſtungen des
Staates von verſchiedenem Umfange, je nachdem die eigene
Kraft der natürlichen Vergeſellſchaftungen größer oder kleiner
iſt, und nach dem Grade der Entwicklung, welche die Ge-
ſittigung dieſen beſonderen Kräften gegeben hat; aber ſelbſt die
größten geſellſchaftlichen Kreiſe und die höchſten Culturzuſtände
können ihrer doch nicht ganz entbehren 4). Eine große Verar-
mung der Wiſſenſchaft und vielfache Verſäumniß und Verkehrt-
heit im Leben iſt dadurch entſtanden, daß lange, und zwar
nicht blos von rechtsphiloſophiſchen Schulen ſondern auch im
gemeinen Bewußtſein, nur die einzelne Perſönlichkeit und ihre
Zwecke in Verbindung mit dem Staate gebracht worden ſind;
und es wäre manche übertriebene Forderung und Feindſelig-
keit gegen den Staat in der Neuzeit vermieden worden,
wenn immer anerkannt geweſen wäre, daß die Geſellſchaft,
wie ſie nun auch immer ſei, einen Anſpruch an den Staat
habe 5).

Endlich iſt nur Förderung, nicht aber vollſtändige
Uebernahme der Lebenszwecke des Volkes vom Staate gefordert.
Es iſt allerdings möglich, daß dieſer ſeine Theilnehmer voll-
ſtändig abſorbirt und er an ihrer Stelle lebt und handelt.
Die Staaten des klaſſiſchen Alterthumes und einzelne Theokra-
tien ſind Belege hiervon. Allein es iſt dieß keineswegs immer
der Fall; und es iſt recht gut, daß dem nicht ſo iſt. Theils
beſchränkt eine ſo weitgehende Thätigkeit des Staates die einzelne
Perſönlichkeit und die ganze Bedeutung ihres Daſeins auf der
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[70/0084] zu verſtehen iſt, überflüſſig, die räumliche Grundlage noch einmal beſonders hervorzuheben. Daß der Staat die Förderung ſämmtlicher Lebens- kreiſe, welche in ſeiner Bevölkerung ſich thatſächlich vorfinden, und ſomit ihren Zweck bilden, zur Aufgabe hat, erhellt aus der Hülfsbedürftigkeit ihrer Aller. Allerdings ſind die Leiſtungen des Staates von verſchiedenem Umfange, je nachdem die eigene Kraft der natürlichen Vergeſellſchaftungen größer oder kleiner iſt, und nach dem Grade der Entwicklung, welche die Ge- ſittigung dieſen beſonderen Kräften gegeben hat; aber ſelbſt die größten geſellſchaftlichen Kreiſe und die höchſten Culturzuſtände können ihrer doch nicht ganz entbehren 4). Eine große Verar- mung der Wiſſenſchaft und vielfache Verſäumniß und Verkehrt- heit im Leben iſt dadurch entſtanden, daß lange, und zwar nicht blos von rechtsphiloſophiſchen Schulen ſondern auch im gemeinen Bewußtſein, nur die einzelne Perſönlichkeit und ihre Zwecke in Verbindung mit dem Staate gebracht worden ſind; und es wäre manche übertriebene Forderung und Feindſelig- keit gegen den Staat in der Neuzeit vermieden worden, wenn immer anerkannt geweſen wäre, daß die Geſellſchaft, wie ſie nun auch immer ſei, einen Anſpruch an den Staat habe 5). Endlich iſt nur Förderung, nicht aber vollſtändige Uebernahme der Lebenszwecke des Volkes vom Staate gefordert. Es iſt allerdings möglich, daß dieſer ſeine Theilnehmer voll- ſtändig abſorbirt und er an ihrer Stelle lebt und handelt. Die Staaten des klaſſiſchen Alterthumes und einzelne Theokra- tien ſind Belege hiervon. Allein es iſt dieß keineswegs immer der Fall; und es iſt recht gut, daß dem nicht ſo iſt. Theils beſchränkt eine ſo weitgehende Thätigkeit des Staates die einzelne Perſönlichkeit und die ganze Bedeutung ihres Daſeins auf der Erde allzuſehr; theils kann der Staat nur ſehr ſchwer die

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/84>, abgerufen am 27.11.2024.