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Mohr, Christian Otto: Beitrag zur Theorie des Fachwerks. T. 1. In: Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Hannover (1874), Sp. 509-526.

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Mohr, Beitrag zur Theorie des Fachwerks.

Beitrag zur Theorie des Fachwerks;
(Mit Figuren und Tabelle auf den Blättern 609 und 610.)


In einer Arbeit, welche ich im vorletzten Hefte dieser
Zeitschrift veröffentlicht habe, ist das Princip der virtuellen
Geschwindigkeit angewandt worden, um das Gesetz der Form-
veränderung eines Fachwerks darzustellen. Obgleich diese
Darstellung auf den besonderen Zweck jener Arbeit: die
Bestimmung des Horizontalschubs eines Bogenfachwerks sich
beschränkt, so dürfte doch aus dem Gange der einfachen Be-
trachtung zur Genüge hervorgehen, daß dasselbe Verfahren
mit Nutzen in allen denjenigen Fällen sich anwenden läßt,
wo die Formveränderung eines Fachwerks in Betracht ge-
zogen werden muß. Da die meisten hierauf bezüglichen
Fragen entweder noch gar nicht oder doch nur ungenügend
behandelt worden sind, so erlaube ich mir, einige Untersuchun-
[Spaltenumbruch] gen mitzutheilen, zu welchen die Anwendung des oben bezeich-
neten Verfahrens mich geführt hat.

Mit Fachwerk soll im Folgenden jede Trägerkonstruk-
tion bezeichnet werden, welche aus stabförmigen Theilen so
zusammengesetzt und welche so unterstützt ist, daß eine Ver-
änderung der Form und der Lage des Trägers nur in Folge
von Längenänderungen der Konstruktionstheile entstehen
kann. Die Betrachtung soll jedoch beschränkt werden auf
solche Fälle, in welchen die Achsen sämmtlicher Konstruktions-
theile und die auf den Träger einwirkenden äußeren Kräfte
in einer Ebene liegen. Bezieht man die Lage der Punkte
in dieser Ebene auf ein beliebiges festes Koordinatensystem
und bezeichnet man mit:
m die Anzahl der sämmtlichen Knotenpunkte des Fachwerks;
n die Anzahl der festen Auflager;
o die Anzahl der beweglichen Auflager; und mit
p die Anzahl der Konstrultionstheile;
so kann die Form und die Lage des Trägers durch die 2 · m
Koordinaten der m Knotenpunkte bestimmt werden. Bei den
Formveränderungen des Fachwerks, welche durch beliebige
Längenänderungen der Konstruktionstheile entstehen können,
bleiben die 2 · n Koordinaten der festen Auflager konstant.
Von den beiden Koordinaten eines jeden der o beweglichen
Auflager ist entweder die eine konstant -- wenn nämlich
die Auflagerbahn zu einer Koordinatenachse parallel gerichtet
ist -- oder sie ist durch die gegebene Form der Auflagerbahn
doch jedenfalls abhängig von der anderen. Die übrigen
(2 m -- 2 n -- o) Koordinaten bilden demnach die von ein-
ander unabhängigen veränderlichen Größen, welche
die Form des Fachwerks bestimmen. Wenn diese (2 m --
2 n -- o) veränderlichen Größen und außerdem die unver-
änderliche Stützenlage d. h. die Koordinaten der festen und
die Bahnen der beweglichen Auflager gegeben sind, so können
alle Dimensionen der Konstruktionsfigur und insbesondere
auch die Längen der [Formel 1] Geraden, welche die m
Knotenpunkte mit einander verbinden, bestimmt werden. Sind
umgekehrt von (2 m -- 2 n -- o) der eben genannten Geraden
die Längen gegeben, so lassen sich, vorausgesetzt daß diese
Längen von einander und von der gegebenen Stützenlage
unabhängig sind, die Ordinaten aller Knotenpunkte er-
mitteln, d. h. die Form des Fachwerks ist durch jene Längen
bestimmt. Ein Fachwerk von m Knotenpunkten,
welches von n festen und o beweglichen Auflagern
gestützt wird, muß demnach (2 m -- 2 n -- o) Kon-
struktionstheile enthalten
, deren Längen von einander
und von der Stützenlage unabhängig sind. Ob die Länge
eines Konstruktionstheiles von den Längen anderer Theile
und von der Stützenlage abhängig ist oder nicht, läßt sich
entweder nach bekannten einfachen geometrischen Regeln oder

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Mohr, Beitrag zur Theorie des Fachwerks.

Beitrag zur Theorie des Fachwerks;
(Mit Figuren und Tabelle auf den Blättern 609 und 610.)


In einer Arbeit, welche ich im vorletzten Hefte dieſer
Zeitſchrift veröffentlicht habe, iſt das Princip der virtuellen
Geſchwindigkeit angewandt worden, um das Geſetz der Form-
veränderung eines Fachwerks darzuſtellen. Obgleich dieſe
Darſtellung auf den beſonderen Zweck jener Arbeit: die
Beſtimmung des Horizontalſchubs eines Bogenfachwerks ſich
beſchränkt, ſo dürfte doch aus dem Gange der einfachen Be-
trachtung zur Genüge hervorgehen, daß daſſelbe Verfahren
mit Nutzen in allen denjenigen Fällen ſich anwenden läßt,
wo die Formveränderung eines Fachwerks in Betracht ge-
zogen werden muß. Da die meiſten hierauf bezüglichen
Fragen entweder noch gar nicht oder doch nur ungenügend
behandelt worden ſind, ſo erlaube ich mir, einige Unterſuchun-
[Spaltenumbruch] gen mitzutheilen, zu welchen die Anwendung des oben bezeich-
neten Verfahrens mich geführt hat.

Mit Fachwerk ſoll im Folgenden jede Trägerkonſtruk-
tion bezeichnet werden, welche aus ſtabförmigen Theilen ſo
zuſammengeſetzt und welche ſo unterſtützt iſt, daß eine Ver-
änderung der Form und der Lage des Trägers nur in Folge
von Längenänderungen der Konſtruktionstheile entſtehen
kann. Die Betrachtung ſoll jedoch beſchränkt werden auf
ſolche Fälle, in welchen die Achſen ſämmtlicher Konſtruktions-
theile und die auf den Träger einwirkenden äußeren Kräfte
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und bezeichnet man mit:
m die Anzahl der ſämmtlichen Knotenpunkte des Fachwerks;
n die Anzahl der feſten Auflager;
o die Anzahl der beweglichen Auflager; und mit
p die Anzahl der Konſtrultionstheile;
ſo kann die Form und die Lage des Trägers durch die 2 · m
Koordinaten der m Knotenpunkte beſtimmt werden. Bei den
Formveränderungen des Fachwerks, welche durch beliebige
Längenänderungen der Konſtruktionstheile entſtehen können,
bleiben die 2 · n Koordinaten der feſten Auflager konſtant.
Von den beiden Koordinaten eines jeden der o beweglichen
Auflager iſt entweder die eine konſtant — wenn nämlich
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iſt — oder ſie iſt durch die gegebene Form der Auflagerbahn
doch jedenfalls abhängig von der anderen. Die übrigen
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ander unabhängigen veränderlichen Größen, welche
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2 no) veränderlichen Größen und außerdem die unver-
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alle Dimenſionen der Konſtruktionsfigur und insbeſondere
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umgekehrt von (2 m — 2 no) der eben genannten Geraden
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unabhängig ſind, die Ordinaten aller Knotenpunkte er-
mitteln, d. h. die Form des Fachwerks iſt durch jene Längen
beſtimmt. Ein Fachwerk von m Knotenpunkten,
welches von n feſten und o beweglichen Auflagern
geſtützt wird, muß demnach (2 m — 2 no) Kon-
ſtruktionstheile enthalten
, deren Längen von einander
und von der Stützenlage unabhängig ſind. Ob die Länge
eines Konſtruktionstheiles von den Längen anderer Theile
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entweder nach bekannten einfachen geometriſchen Regeln oder

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[0011] Mohr, Beitrag zur Theorie des Fachwerks. Beitrag zur Theorie des Fachwerks; vom Baurath Mohr , Profeſſor am Polytechnikum zu Dresden. (Mit Figuren und Tabelle auf den Blättern 609 und 610.) In einer Arbeit, welche ich im vorletzten Hefte dieſer Zeitſchrift veröffentlicht habe, iſt das Princip der virtuellen Geſchwindigkeit angewandt worden, um das Geſetz der Form- veränderung eines Fachwerks darzuſtellen. Obgleich dieſe Darſtellung auf den beſonderen Zweck jener Arbeit: die Beſtimmung des Horizontalſchubs eines Bogenfachwerks ſich beſchränkt, ſo dürfte doch aus dem Gange der einfachen Be- trachtung zur Genüge hervorgehen, daß daſſelbe Verfahren mit Nutzen in allen denjenigen Fällen ſich anwenden läßt, wo die Formveränderung eines Fachwerks in Betracht ge- zogen werden muß. Da die meiſten hierauf bezüglichen Fragen entweder noch gar nicht oder doch nur ungenügend behandelt worden ſind, ſo erlaube ich mir, einige Unterſuchun- gen mitzutheilen, zu welchen die Anwendung des oben bezeich- neten Verfahrens mich geführt hat. Mit Fachwerk ſoll im Folgenden jede Trägerkonſtruk- tion bezeichnet werden, welche aus ſtabförmigen Theilen ſo zuſammengeſetzt und welche ſo unterſtützt iſt, daß eine Ver- änderung der Form und der Lage des Trägers nur in Folge von Längenänderungen der Konſtruktionstheile entſtehen kann. Die Betrachtung ſoll jedoch beſchränkt werden auf ſolche Fälle, in welchen die Achſen ſämmtlicher Konſtruktions- theile und die auf den Träger einwirkenden äußeren Kräfte in einer Ebene liegen. Bezieht man die Lage der Punkte in dieſer Ebene auf ein beliebiges feſtes Koordinatenſyſtem und bezeichnet man mit: m die Anzahl der ſämmtlichen Knotenpunkte des Fachwerks; n die Anzahl der feſten Auflager; o die Anzahl der beweglichen Auflager; und mit p die Anzahl der Konſtrultionstheile; ſo kann die Form und die Lage des Trägers durch die 2 · m Koordinaten der m Knotenpunkte beſtimmt werden. Bei den Formveränderungen des Fachwerks, welche durch beliebige Längenänderungen der Konſtruktionstheile entſtehen können, bleiben die 2 · n Koordinaten der feſten Auflager konſtant. Von den beiden Koordinaten eines jeden der o beweglichen Auflager iſt entweder die eine konſtant — wenn nämlich die Auflagerbahn zu einer Koordinatenachſe parallel gerichtet iſt — oder ſie iſt durch die gegebene Form der Auflagerbahn doch jedenfalls abhängig von der anderen. Die übrigen (2 m — 2 n — o) Koordinaten bilden demnach die von ein- ander unabhängigen veränderlichen Größen, welche die Form des Fachwerks beſtimmen. Wenn dieſe (2 m — 2 n — o) veränderlichen Größen und außerdem die unver- änderliche Stützenlage d. h. die Koordinaten der feſten und die Bahnen der beweglichen Auflager gegeben ſind, ſo können alle Dimenſionen der Konſtruktionsfigur und insbeſondere auch die Längen der [FORMEL] Geraden, welche die m Knotenpunkte mit einander verbinden, beſtimmt werden. Sind umgekehrt von (2 m — 2 n — o) der eben genannten Geraden die Längen gegeben, ſo laſſen ſich, vorausgeſetzt daß dieſe Längen von einander und von der gegebenen Stützenlage unabhängig ſind, die Ordinaten aller Knotenpunkte er- mitteln, d. h. die Form des Fachwerks iſt durch jene Längen beſtimmt. Ein Fachwerk von m Knotenpunkten, welches von n feſten und o beweglichen Auflagern geſtützt wird, muß demnach (2 m — 2 n — o) Kon- ſtruktionstheile enthalten, deren Längen von einander und von der Stützenlage unabhängig ſind. Ob die Länge eines Konſtruktionstheiles von den Längen anderer Theile und von der Stützenlage abhängig iſt oder nicht, läßt ſich entweder nach bekannten einfachen geometriſchen Regeln oder 34

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Zitationshilfe: Mohr, Christian Otto: Beitrag zur Theorie des Fachwerks. T. 1. In: Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Hannover (1874), Sp. 509-526, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohr_fachwerk01_1874/11>, abgerufen am 03.12.2024.