gehoben zu sehen. Hier ist nur ein Herr, die Uebrigen sind Knechte, und ich sehe nicht ein, warum der Eine sich die Mühe giebt, etwas Anderes, als einen Schlafrock anzuzie- hen. Sobald Se. Hoheit zu Pferde stiegen, ließ man eine Menge Minen in den Steinbrüchen auf den Bergen rings umher auffliegen. Zu beiden Seiten des Weges paradir- ten die Notabilitäten der Stadt, rechts die Muselmänner, links die Rajahs. Obenan stehen die Mollah oder Geist- lichen, welche noch immer den schönen weißen Turban be- haupten, dann folgen die weltlichen Sommitäten. Links paradirten erst die Griechen mit Lorbeerzweigen, dann die Armenier mit Wachskerzen, und endlich die armen verhöhn- ten und gemißhandelten Juden, die hier etwas vor dem Hunde, aber hinter dem Pferde rangiren. Die Moslem standen aufrecht mit über den Leib verschränkten Armen, die Rajahs aber, und selbst Bischof und Priester mit den geweihten Kirchengeräthen, warfen sich nieder und blieben mit der Stirn an der Erde, bis der Sultan vorüber war; sie durften das Antlitz des Padischah nicht schauen. So Etwas muß freilich das Selbstgefühl der Türken nähren, und doch kann und wird dies nicht lange mehr fortbe- stehen. An mehreren Stellen wurde beim Vorüberreiten des Großherrn der Kurban oder das Opfer an sieben Ham- meln vollzogen, welche man die Hälse abschnitt.
Heute, am Freitag (dem türkischen Sonntag), ging der Großherr mit zahlreichem Gefolge in die Moschee; ich habe dagegen tüchtig mit meiner Aufnahme zu thun.
Schumla ist in landschaftlicher Hinsicht eben so schön, als es in militairischer interessant ist. Erst, wenn man die berühmten Verschanzungen passirt, erblickt man die Stadt in einem Thal ohne Ausgang zwischen steilen be- waldeten Bergen; die Kuppeln der Moscheen und Bäder, die schlanken weißen Minarehs, die vielen Bäume zwischen den flachen Dächern, die reiche Cultur der Gegend gewäh- ren ein herrliches Gemälde; überall sprudeln Fontainen, die üppigsten Kornfelder schmücken die weite Ebene, und
9
gehoben zu ſehen. Hier iſt nur ein Herr, die Uebrigen ſind Knechte, und ich ſehe nicht ein, warum der Eine ſich die Muͤhe giebt, etwas Anderes, als einen Schlafrock anzuzie- hen. Sobald Se. Hoheit zu Pferde ſtiegen, ließ man eine Menge Minen in den Steinbruͤchen auf den Bergen rings umher auffliegen. Zu beiden Seiten des Weges paradir- ten die Notabilitaͤten der Stadt, rechts die Muſelmaͤnner, links die Rajahs. Obenan ſtehen die Mollah oder Geiſt- lichen, welche noch immer den ſchoͤnen weißen Turban be- haupten, dann folgen die weltlichen Sommitaͤten. Links paradirten erſt die Griechen mit Lorbeerzweigen, dann die Armenier mit Wachskerzen, und endlich die armen verhoͤhn- ten und gemißhandelten Juden, die hier etwas vor dem Hunde, aber hinter dem Pferde rangiren. Die Moslem ſtanden aufrecht mit uͤber den Leib verſchraͤnkten Armen, die Rajahs aber, und ſelbſt Biſchof und Prieſter mit den geweihten Kirchengeraͤthen, warfen ſich nieder und blieben mit der Stirn an der Erde, bis der Sultan voruͤber war; ſie durften das Antlitz des Padiſchah nicht ſchauen. So Etwas muß freilich das Selbſtgefuͤhl der Tuͤrken naͤhren, und doch kann und wird dies nicht lange mehr fortbe- ſtehen. An mehreren Stellen wurde beim Voruͤberreiten des Großherrn der Kurban oder das Opfer an ſieben Ham- meln vollzogen, welche man die Haͤlſe abſchnitt.
Heute, am Freitag (dem tuͤrkiſchen Sonntag), ging der Großherr mit zahlreichem Gefolge in die Moſchee; ich habe dagegen tuͤchtig mit meiner Aufnahme zu thun.
Schumla iſt in landſchaftlicher Hinſicht eben ſo ſchoͤn, als es in militairiſcher intereſſant iſt. Erſt, wenn man die beruͤhmten Verſchanzungen paſſirt, erblickt man die Stadt in einem Thal ohne Ausgang zwiſchen ſteilen be- waldeten Bergen; die Kuppeln der Moſcheen und Baͤder, die ſchlanken weißen Minarehs, die vielen Baͤume zwiſchen den flachen Daͤchern, die reiche Cultur der Gegend gewaͤh- ren ein herrliches Gemaͤlde; uͤberall ſprudeln Fontainen, die uͤppigſten Kornfelder ſchmuͤcken die weite Ebene, und
9
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0139"n="129"/>
gehoben zu ſehen. Hier iſt nur <hirendition="#g">ein</hi> Herr, die Uebrigen ſind<lb/>
Knechte, und ich ſehe nicht ein, warum der Eine ſich die<lb/>
Muͤhe giebt, etwas Anderes, als einen Schlafrock anzuzie-<lb/>
hen. Sobald Se. Hoheit zu Pferde ſtiegen, ließ man eine<lb/>
Menge Minen in den Steinbruͤchen auf den Bergen rings<lb/>
umher auffliegen. Zu beiden Seiten des Weges paradir-<lb/>
ten die Notabilitaͤten der Stadt, rechts die Muſelmaͤnner,<lb/>
links die Rajahs. Obenan ſtehen die Mollah oder Geiſt-<lb/>
lichen, welche noch immer den ſchoͤnen weißen Turban be-<lb/>
haupten, dann folgen die weltlichen Sommitaͤten. Links<lb/>
paradirten erſt die Griechen mit Lorbeerzweigen, dann die<lb/>
Armenier mit Wachskerzen, und endlich die armen verhoͤhn-<lb/>
ten und gemißhandelten Juden, die hier etwas vor dem<lb/>
Hunde, aber hinter dem Pferde rangiren. Die Moslem<lb/>ſtanden aufrecht mit uͤber den Leib verſchraͤnkten Armen,<lb/>
die Rajahs aber, und ſelbſt Biſchof und Prieſter mit den<lb/>
geweihten Kirchengeraͤthen, warfen ſich nieder und blieben<lb/>
mit der Stirn an der Erde, bis der Sultan voruͤber war;<lb/>ſie durften das Antlitz des Padiſchah nicht ſchauen. So<lb/>
Etwas muß freilich das Selbſtgefuͤhl der Tuͤrken naͤhren,<lb/>
und doch <hirendition="#g">kann</hi> und <hirendition="#g">wird</hi> dies nicht lange mehr fortbe-<lb/>ſtehen. An mehreren Stellen wurde beim Voruͤberreiten<lb/>
des Großherrn der Kurban oder das Opfer an ſieben Ham-<lb/>
meln vollzogen, welche man die Haͤlſe abſchnitt.</p><lb/><p>Heute, am Freitag (dem tuͤrkiſchen Sonntag), ging der<lb/>
Großherr mit zahlreichem Gefolge in die Moſchee; ich habe<lb/>
dagegen tuͤchtig mit meiner Aufnahme zu thun.</p><lb/><p>Schumla iſt in landſchaftlicher Hinſicht eben ſo ſchoͤn,<lb/>
als es in militairiſcher intereſſant iſt. Erſt, wenn man<lb/>
die beruͤhmten Verſchanzungen paſſirt, erblickt man die<lb/>
Stadt in einem Thal ohne Ausgang zwiſchen ſteilen be-<lb/>
waldeten Bergen; die Kuppeln der Moſcheen und Baͤder,<lb/>
die ſchlanken weißen Minarehs, die vielen Baͤume zwiſchen<lb/>
den flachen Daͤchern, die reiche Cultur der Gegend gewaͤh-<lb/>
ren ein herrliches Gemaͤlde; uͤberall ſprudeln Fontainen,<lb/>
die uͤppigſten Kornfelder ſchmuͤcken die weite Ebene, und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">9</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[129/0139]
gehoben zu ſehen. Hier iſt nur ein Herr, die Uebrigen ſind
Knechte, und ich ſehe nicht ein, warum der Eine ſich die
Muͤhe giebt, etwas Anderes, als einen Schlafrock anzuzie-
hen. Sobald Se. Hoheit zu Pferde ſtiegen, ließ man eine
Menge Minen in den Steinbruͤchen auf den Bergen rings
umher auffliegen. Zu beiden Seiten des Weges paradir-
ten die Notabilitaͤten der Stadt, rechts die Muſelmaͤnner,
links die Rajahs. Obenan ſtehen die Mollah oder Geiſt-
lichen, welche noch immer den ſchoͤnen weißen Turban be-
haupten, dann folgen die weltlichen Sommitaͤten. Links
paradirten erſt die Griechen mit Lorbeerzweigen, dann die
Armenier mit Wachskerzen, und endlich die armen verhoͤhn-
ten und gemißhandelten Juden, die hier etwas vor dem
Hunde, aber hinter dem Pferde rangiren. Die Moslem
ſtanden aufrecht mit uͤber den Leib verſchraͤnkten Armen,
die Rajahs aber, und ſelbſt Biſchof und Prieſter mit den
geweihten Kirchengeraͤthen, warfen ſich nieder und blieben
mit der Stirn an der Erde, bis der Sultan voruͤber war;
ſie durften das Antlitz des Padiſchah nicht ſchauen. So
Etwas muß freilich das Selbſtgefuͤhl der Tuͤrken naͤhren,
und doch kann und wird dies nicht lange mehr fortbe-
ſtehen. An mehreren Stellen wurde beim Voruͤberreiten
des Großherrn der Kurban oder das Opfer an ſieben Ham-
meln vollzogen, welche man die Haͤlſe abſchnitt.
Heute, am Freitag (dem tuͤrkiſchen Sonntag), ging der
Großherr mit zahlreichem Gefolge in die Moſchee; ich habe
dagegen tuͤchtig mit meiner Aufnahme zu thun.
Schumla iſt in landſchaftlicher Hinſicht eben ſo ſchoͤn,
als es in militairiſcher intereſſant iſt. Erſt, wenn man
die beruͤhmten Verſchanzungen paſſirt, erblickt man die
Stadt in einem Thal ohne Ausgang zwiſchen ſteilen be-
waldeten Bergen; die Kuppeln der Moſcheen und Baͤder,
die ſchlanken weißen Minarehs, die vielen Baͤume zwiſchen
den flachen Daͤchern, die reiche Cultur der Gegend gewaͤh-
ren ein herrliches Gemaͤlde; uͤberall ſprudeln Fontainen,
die uͤppigſten Kornfelder ſchmuͤcken die weite Ebene, und
9
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/139>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.