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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Mittags darauf reisten wir mit dem großen schönen
Dampfschiff "Fürst Metternich" ab. Den Bosphor hin-
auf hatten wir die Begleitung von lieben Freunden und
Bekannten; vor Bujukdere schieden wir, und nun eilte un-
ser Pyroscaph hinaus in den Euxin. Das Wetter war
köstlich, die See ruhig, und mit Vergnügen schwammen wir
die Küste entlang, welche, überall hoch und steil, in der
Ferne von noch höheren beschneiten und bewaldeten Kup-
pen überragt ist. Das Schiff nahm in Sinope Kohlen
ein, und wir benutzten diesen Aufenthalt, um das alte ge-
nuesische Castell bei hellem Mondenschein zu besehen. Es
liegt auf einer Landenge und sperrt die ungewöhnlich gut
gebaute Stadt und eine bergige Halbinsel vom Continent
ab. Der Ort ist sehr haltbar und hat schöne Schiffswerf-
ten; die milde Luft, die vielen Oelbäume und Cypressen,
das leuchtende Meer, die alten Thürme und Mauern ge-
ben ein schönes südliches Bild. Am zweiten Tage Mittags
schon liefen wir in den Hafen von Samsun ein; in zwei-
mal vier und zwanzig Stunden hatten wir mit allem Con-
fort hundert deutsche Meilen zurückgelegt, eine Reise, die
um so glücklicher genannt werden kann, als sie im Aequi-
noctium und auf dem Schwarzen Meere statt hatte.

Der Anblick von Samsun ist höchst angenehm; ein
altes genuesisches Castell, mehrere gut gebaute türkische Ko-
naks, einige steinerne Moscheen und Hanns zeichnen sich
schon in der Ferne aus. Das ganze Städtchen ist von
einem Oliven-Wäldchen umgeben, welches das Berg-Am-
phitheater bekleidet und aus dem freundliche Kiosks und
Gartenhäuser hervorblicken; die Gipfel der Hügel krönt ein
griechisches Dorf und dahinter ragen Waldkuppen, die ihre
3000 Fuß Höhe haben mögen. Jch benutzte den Abend,
um einen Plan dieses Orts, des Hafens und der Umge-
bungen aufzunehmen, und es kam mir wirklich seltsam ge-
nug vor, in Pontus, im Lande Mithridats, meinen engli-
schen Patent-Meßtisch aufzustellen. Eine Viertelmeile nörd-
lich der Stadt fand ich die Ruinen eines alten Molo und

Mittags darauf reiſten wir mit dem großen ſchoͤnen
Dampfſchiff „Fuͤrſt Metternich“ ab. Den Bosphor hin-
auf hatten wir die Begleitung von lieben Freunden und
Bekannten; vor Bujukdere ſchieden wir, und nun eilte un-
ſer Pyroscaph hinaus in den Euxin. Das Wetter war
koͤſtlich, die See ruhig, und mit Vergnuͤgen ſchwammen wir
die Kuͤſte entlang, welche, uͤberall hoch und ſteil, in der
Ferne von noch hoͤheren beſchneiten und bewaldeten Kup-
pen uͤberragt iſt. Das Schiff nahm in Sinope Kohlen
ein, und wir benutzten dieſen Aufenthalt, um das alte ge-
nueſiſche Caſtell bei hellem Mondenſchein zu beſehen. Es
liegt auf einer Landenge und ſperrt die ungewoͤhnlich gut
gebaute Stadt und eine bergige Halbinſel vom Continent
ab. Der Ort iſt ſehr haltbar und hat ſchoͤne Schiffswerf-
ten; die milde Luft, die vielen Oelbaͤume und Cypreſſen,
das leuchtende Meer, die alten Thuͤrme und Mauern ge-
ben ein ſchoͤnes ſuͤdliches Bild. Am zweiten Tage Mittags
ſchon liefen wir in den Hafen von Samſun ein; in zwei-
mal vier und zwanzig Stunden hatten wir mit allem Con-
fort hundert deutſche Meilen zuruͤckgelegt, eine Reiſe, die
um ſo gluͤcklicher genannt werden kann, als ſie im Aequi-
noctium und auf dem Schwarzen Meere ſtatt hatte.

Der Anblick von Samſun iſt hoͤchſt angenehm; ein
altes genueſiſches Caſtell, mehrere gut gebaute tuͤrkiſche Ko-
naks, einige ſteinerne Moſcheen und Hanns zeichnen ſich
ſchon in der Ferne aus. Das ganze Staͤdtchen iſt von
einem Oliven-Waͤldchen umgeben, welches das Berg-Am-
phitheater bekleidet und aus dem freundliche Kiosks und
Gartenhaͤuſer hervorblicken; die Gipfel der Huͤgel kroͤnt ein
griechiſches Dorf und dahinter ragen Waldkuppen, die ihre
3000 Fuß Hoͤhe haben moͤgen. Jch benutzte den Abend,
um einen Plan dieſes Orts, des Hafens und der Umge-
bungen aufzunehmen, und es kam mir wirklich ſeltſam ge-
nug vor, in Pontus, im Lande Mithridats, meinen engli-
ſchen Patent-Meßtiſch aufzuſtellen. Eine Viertelmeile noͤrd-
lich der Stadt fand ich die Ruinen eines alten Molo und

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[199/0209] Mittags darauf reiſten wir mit dem großen ſchoͤnen Dampfſchiff „Fuͤrſt Metternich“ ab. Den Bosphor hin- auf hatten wir die Begleitung von lieben Freunden und Bekannten; vor Bujukdere ſchieden wir, und nun eilte un- ſer Pyroscaph hinaus in den Euxin. Das Wetter war koͤſtlich, die See ruhig, und mit Vergnuͤgen ſchwammen wir die Kuͤſte entlang, welche, uͤberall hoch und ſteil, in der Ferne von noch hoͤheren beſchneiten und bewaldeten Kup- pen uͤberragt iſt. Das Schiff nahm in Sinope Kohlen ein, und wir benutzten dieſen Aufenthalt, um das alte ge- nueſiſche Caſtell bei hellem Mondenſchein zu beſehen. Es liegt auf einer Landenge und ſperrt die ungewoͤhnlich gut gebaute Stadt und eine bergige Halbinſel vom Continent ab. Der Ort iſt ſehr haltbar und hat ſchoͤne Schiffswerf- ten; die milde Luft, die vielen Oelbaͤume und Cypreſſen, das leuchtende Meer, die alten Thuͤrme und Mauern ge- ben ein ſchoͤnes ſuͤdliches Bild. Am zweiten Tage Mittags ſchon liefen wir in den Hafen von Samſun ein; in zwei- mal vier und zwanzig Stunden hatten wir mit allem Con- fort hundert deutſche Meilen zuruͤckgelegt, eine Reiſe, die um ſo gluͤcklicher genannt werden kann, als ſie im Aequi- noctium und auf dem Schwarzen Meere ſtatt hatte. Der Anblick von Samſun iſt hoͤchſt angenehm; ein altes genueſiſches Caſtell, mehrere gut gebaute tuͤrkiſche Ko- naks, einige ſteinerne Moſcheen und Hanns zeichnen ſich ſchon in der Ferne aus. Das ganze Staͤdtchen iſt von einem Oliven-Waͤldchen umgeben, welches das Berg-Am- phitheater bekleidet und aus dem freundliche Kiosks und Gartenhaͤuſer hervorblicken; die Gipfel der Huͤgel kroͤnt ein griechiſches Dorf und dahinter ragen Waldkuppen, die ihre 3000 Fuß Hoͤhe haben moͤgen. Jch benutzte den Abend, um einen Plan dieſes Orts, des Hafens und der Umge- bungen aufzunehmen, und es kam mir wirklich ſeltſam ge- nug vor, in Pontus, im Lande Mithridats, meinen engli- ſchen Patent-Meßtiſch aufzuſtellen. Eine Viertelmeile noͤrd- lich der Stadt fand ich die Ruinen eines alten Molo und

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/209>, abgerufen am 27.05.2024.