Kopfe. Se. Excellenz empfingen uns mit einer leichten Bewegung des Kopfs, winkten uns nieder zu sitzen und sagten nach einer Pause, daß wir willkommen seien.
Hafisz-Pascha ist ein geborener Tscherkesse, und wurde für das Serail des Großherrn gekauft, er hat da- her eine bessere Bildung erhalten als die meisten seiner Col- legen; er liest und schreibt, kennt etwas von der persischen und arabischen Sprache, hat einige Kenntnisse und viel Jn- teresse für die ältere Geschichte des Landes; er begleitete die Gesandtschaft, welche vor fünf Jahren nach Rußland ging; in Scodra in Albanien leistete er einen dreizehn- monatlichen Widerstand gegen die ihn belagernden Arnau- ten, und als Reschid-Pascha in Diarbekir starb, gab der Großherr ihm das Commando über die damals mit den Kurden im Krieg begriffene Armee, deren Hauptauf- trag jedoch die Beobachtung der ägyptisch-syrischen Armee war. Anders als die mehrsten seiner Collegen, ist der Pa- scha blaß und mager; der Feß, den er zuweilen zurück- schiebt, bedeckt eine hohe tief gefurchte Stirn. Wenig Wochen, ehe wir ankamen, hatte er eine Tochter und einen Sohn verloren. Obgleich gewiß nicht unempfindlich, beob- achtete er doch die ruhige gelassene Haltung, die überall, aber besonders hier, einen Mann von Stande bezeichnet. Nach einigen Fragen über unsere Reise, über die Wege u. s. w., und nachdem wir Kaffee getrunken, waren wir ent- lassen. Der Divan-Effendi, unser Begleiter, blieb aber zu- rück, um seine Briefe und mündlichen Aufträge mitzutheilen.
Man führte uns in ein großes Zimmer, ganz dem des Pascha's ähnlich; obgleich noch Niemand eigentlich wußte, was aus uns zu machen sei, empfingen uns die Leute doch freundlich genug; der Pascha schickte Betten aus seinem Harem, und wir ruheten von den Beschwerden der Reise bis spät den folgenden Morgen. Wir waren noch nicht lange wach, als man vier prächtige arabische Hengste in den Hof führte; ein Geschenk des Pascha's für uns. Jch war noch beschäftigt, meine beiden Thiere zu
Kopfe. Se. Excellenz empfingen uns mit einer leichten Bewegung des Kopfs, winkten uns nieder zu ſitzen und ſagten nach einer Pauſe, daß wir willkommen ſeien.
Hafisz-Paſcha iſt ein geborener Tſcherkeſſe, und wurde fuͤr das Serail des Großherrn gekauft, er hat da- her eine beſſere Bildung erhalten als die meiſten ſeiner Col- legen; er lieſt und ſchreibt, kennt etwas von der perſiſchen und arabiſchen Sprache, hat einige Kenntniſſe und viel Jn- tereſſe fuͤr die aͤltere Geſchichte des Landes; er begleitete die Geſandtſchaft, welche vor fuͤnf Jahren nach Rußland ging; in Scodra in Albanien leiſtete er einen dreizehn- monatlichen Widerſtand gegen die ihn belagernden Arnau- ten, und als Reſchid-Paſcha in Diarbekir ſtarb, gab der Großherr ihm das Commando uͤber die damals mit den Kurden im Krieg begriffene Armee, deren Hauptauf- trag jedoch die Beobachtung der aͤgyptiſch-ſyriſchen Armee war. Anders als die mehrſten ſeiner Collegen, iſt der Pa- ſcha blaß und mager; der Feß, den er zuweilen zuruͤck- ſchiebt, bedeckt eine hohe tief gefurchte Stirn. Wenig Wochen, ehe wir ankamen, hatte er eine Tochter und einen Sohn verloren. Obgleich gewiß nicht unempfindlich, beob- achtete er doch die ruhige gelaſſene Haltung, die uͤberall, aber beſonders hier, einen Mann von Stande bezeichnet. Nach einigen Fragen uͤber unſere Reiſe, uͤber die Wege u. ſ. w., und nachdem wir Kaffee getrunken, waren wir ent- laſſen. Der Divan-Effendi, unſer Begleiter, blieb aber zu- ruͤck, um ſeine Briefe und muͤndlichen Auftraͤge mitzutheilen.
Man fuͤhrte uns in ein großes Zimmer, ganz dem des Paſcha's aͤhnlich; obgleich noch Niemand eigentlich wußte, was aus uns zu machen ſei, empfingen uns die Leute doch freundlich genug; der Paſcha ſchickte Betten aus ſeinem Harem, und wir ruheten von den Beſchwerden der Reiſe bis ſpaͤt den folgenden Morgen. Wir waren noch nicht lange wach, als man vier praͤchtige arabiſche Hengſte in den Hof fuͤhrte; ein Geſchenk des Paſcha's fuͤr uns. Jch war noch beſchaͤftigt, meine beiden Thiere zu
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Kopfe. Se. Excellenz empfingen uns mit einer leichten
Bewegung des Kopfs, winkten uns nieder zu ſitzen und
ſagten nach einer Pauſe, daß wir willkommen ſeien.
Hafisz-Paſcha iſt ein geborener Tſcherkeſſe, und
wurde fuͤr das Serail des Großherrn gekauft, er hat da-
her eine beſſere Bildung erhalten als die meiſten ſeiner Col-
legen; er lieſt und ſchreibt, kennt etwas von der perſiſchen
und arabiſchen Sprache, hat einige Kenntniſſe und viel Jn-
tereſſe fuͤr die aͤltere Geſchichte des Landes; er begleitete
die Geſandtſchaft, welche vor fuͤnf Jahren nach Rußland
ging; in Scodra in Albanien leiſtete er einen dreizehn-
monatlichen Widerſtand gegen die ihn belagernden Arnau-
ten, und als Reſchid-Paſcha in Diarbekir ſtarb, gab
der Großherr ihm das Commando uͤber die damals mit
den Kurden im Krieg begriffene Armee, deren Hauptauf-
trag jedoch die Beobachtung der aͤgyptiſch-ſyriſchen Armee
war. Anders als die mehrſten ſeiner Collegen, iſt der Pa-
ſcha blaß und mager; der Feß, den er zuweilen zuruͤck-
ſchiebt, bedeckt eine hohe tief gefurchte Stirn. Wenig
Wochen, ehe wir ankamen, hatte er eine Tochter und einen
Sohn verloren. Obgleich gewiß nicht unempfindlich, beob-
achtete er doch die ruhige gelaſſene Haltung, die uͤberall,
aber beſonders hier, einen Mann von Stande bezeichnet.
Nach einigen Fragen uͤber unſere Reiſe, uͤber die Wege u.
ſ. w., und nachdem wir Kaffee getrunken, waren wir ent-
laſſen. Der Divan-Effendi, unſer Begleiter, blieb aber zu-
ruͤck, um ſeine Briefe und muͤndlichen Auftraͤge mitzutheilen.
Man fuͤhrte uns in ein großes Zimmer, ganz dem
des Paſcha's aͤhnlich; obgleich noch Niemand eigentlich
wußte, was aus uns zu machen ſei, empfingen uns die
Leute doch freundlich genug; der Paſcha ſchickte Betten
aus ſeinem Harem, und wir ruheten von den Beſchwerden
der Reiſe bis ſpaͤt den folgenden Morgen. Wir waren
noch nicht lange wach, als man vier praͤchtige arabiſche
Hengſte in den Hof fuͤhrte; ein Geſchenk des Paſcha's fuͤr
uns. Jch war noch beſchaͤftigt, meine beiden Thiere zu
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/226>, abgerufen am 26.11.2024.
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