genannt, war schon zu Kaiser Konstantins Zeit eine starke Festung und mit fünf Legionen besetzt. Jm Jahre 359 griff Sapor den Platz an; siebzig persische Bogenschützen wur- den durch einen Verräther die Treppe hinaufgelassen, welche in die Felswand gehauen noch heute nach dem Tigris hin- abführt; sie pflanzten ihre Fahne auf einen drei Stock ho- hen Thurm, aber die gallischen Legionen stürzten die Ein- gedrungenen wieder hinab, und die Belagerung verlängerte sich auf drei und siebzig Tage. Ein allgemeiner Sturm lieferte die Stadt in die Gewalt der Perser, welche sie furcht- bar zerstörten. Jm Jahre 505 hielt Amida eine neue drei- monatliche Belagerung aus, welche 50,000 Persern das Le- ben kostete, aber die Stadt ward überrumpelt und 80,000 Einwohner fanden den Tod. Amida wurde jedoch wieder von den Römern in Besitz genommen, und als, nach dem Tode Julians, sein Nachfolger Jovian das starke Nisibis (der Name und die Trümmer haben sich in dem Städtchen Nisibin erhalten) den Persern auslieferte, wurde den christ- lichen Einwohnern ein Stadtviertel zu Diarbekir eingeräumt. Justinian stellte die Befestigung der Stadt wieder her, wel- che, zwischen dem unsichern Armenien und dem feindseligen Persien vorgeschoben, damals von großer Wichtigkeit war, und wahrscheinlich sind die hohen schönen Mauern, die noch heute unversehrt dastehen, die nämlichen, welche vor zwölf Jahrhunderten gegründet wurden. Dies ist bei der Vor- trefflichkeit des Materials und bei der Sorgfalt der Er- bauung möglich; die harten schwarzen Basaltsteine sind mit der größten Genauigkeit geschnitten, und erheben sich zu einer Höhe von 30 bis 40 Fuß. Die Thürme sind äußerst schön, sie überhöhen die Mauer, aus welcher sie alle achtzig Schritte hervortreten, und sind so geräumig, daß sie sehr gut Geschütz aufnehmen könnten. Zwischen je zwei Thür- men springt noch ein Strebepfeiler hervor, dessen Zinnen die Mauer flankiren; diese zeigt eine Menge lateinischer, griechi- scher und persischer Jnschriften.
Die Pracht der Befestigung contrastirt seltsam mit dem
genannt, war ſchon zu Kaiſer Konſtantins Zeit eine ſtarke Feſtung und mit fuͤnf Legionen beſetzt. Jm Jahre 359 griff Sapor den Platz an; ſiebzig perſiſche Bogenſchuͤtzen wur- den durch einen Verraͤther die Treppe hinaufgelaſſen, welche in die Felswand gehauen noch heute nach dem Tigris hin- abfuͤhrt; ſie pflanzten ihre Fahne auf einen drei Stock ho- hen Thurm, aber die galliſchen Legionen ſtuͤrzten die Ein- gedrungenen wieder hinab, und die Belagerung verlaͤngerte ſich auf drei und ſiebzig Tage. Ein allgemeiner Sturm lieferte die Stadt in die Gewalt der Perſer, welche ſie furcht- bar zerſtoͤrten. Jm Jahre 505 hielt Amida eine neue drei- monatliche Belagerung aus, welche 50,000 Perſern das Le- ben koſtete, aber die Stadt ward uͤberrumpelt und 80,000 Einwohner fanden den Tod. Amida wurde jedoch wieder von den Roͤmern in Beſitz genommen, und als, nach dem Tode Julians, ſein Nachfolger Jovian das ſtarke Niſibis (der Name und die Truͤmmer haben ſich in dem Staͤdtchen Niſibin erhalten) den Perſern auslieferte, wurde den chriſt- lichen Einwohnern ein Stadtviertel zu Diarbekir eingeraͤumt. Juſtinian ſtellte die Befeſtigung der Stadt wieder her, wel- che, zwiſchen dem unſichern Armenien und dem feindſeligen Perſien vorgeſchoben, damals von großer Wichtigkeit war, und wahrſcheinlich ſind die hohen ſchoͤnen Mauern, die noch heute unverſehrt daſtehen, die naͤmlichen, welche vor zwoͤlf Jahrhunderten gegruͤndet wurden. Dies iſt bei der Vor- trefflichkeit des Materials und bei der Sorgfalt der Er- bauung moͤglich; die harten ſchwarzen Baſaltſteine ſind mit der groͤßten Genauigkeit geſchnitten, und erheben ſich zu einer Hoͤhe von 30 bis 40 Fuß. Die Thuͤrme ſind aͤußerſt ſchoͤn, ſie uͤberhoͤhen die Mauer, aus welcher ſie alle achtzig Schritte hervortreten, und ſind ſo geraͤumig, daß ſie ſehr gut Geſchuͤtz aufnehmen koͤnnten. Zwiſchen je zwei Thuͤr- men ſpringt noch ein Strebepfeiler hervor, deſſen Zinnen die Mauer flankiren; dieſe zeigt eine Menge lateiniſcher, griechi- ſcher und perſiſcher Jnſchriften.
Die Pracht der Befeſtigung contraſtirt ſeltſam mit dem
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genannt, war ſchon zu Kaiſer Konſtantins Zeit eine ſtarke
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Sapor den Platz an; ſiebzig perſiſche Bogenſchuͤtzen wur-
den durch einen Verraͤther die Treppe hinaufgelaſſen, welche
in die Felswand gehauen noch heute nach dem Tigris hin-
abfuͤhrt; ſie pflanzten ihre Fahne auf einen drei Stock ho-
hen Thurm, aber die galliſchen Legionen ſtuͤrzten die Ein-
gedrungenen wieder hinab, und die Belagerung verlaͤngerte
ſich auf drei und ſiebzig Tage. Ein allgemeiner Sturm
lieferte die Stadt in die Gewalt der Perſer, welche ſie furcht-
bar zerſtoͤrten. Jm Jahre 505 hielt Amida eine neue drei-
monatliche Belagerung aus, welche 50,000 Perſern das Le-
ben koſtete, aber die Stadt ward uͤberrumpelt und 80,000
Einwohner fanden den Tod. Amida wurde jedoch wieder
von den Roͤmern in Beſitz genommen, und als, nach dem
Tode Julians, ſein Nachfolger Jovian das ſtarke Niſibis
(der Name und die Truͤmmer haben ſich in dem Staͤdtchen
Niſibin erhalten) den Perſern auslieferte, wurde den chriſt-
lichen Einwohnern ein Stadtviertel zu Diarbekir eingeraͤumt.
Juſtinian ſtellte die Befeſtigung der Stadt wieder her, wel-
che, zwiſchen dem unſichern Armenien und dem feindſeligen
Perſien vorgeſchoben, damals von großer Wichtigkeit war,
und wahrſcheinlich ſind die hohen ſchoͤnen Mauern, die noch
heute unverſehrt daſtehen, die naͤmlichen, welche vor zwoͤlf
Jahrhunderten gegruͤndet wurden. Dies iſt bei der Vor-
trefflichkeit des Materials und bei der Sorgfalt der Er-
bauung moͤglich; die harten ſchwarzen Baſaltſteine ſind mit
der groͤßten Genauigkeit geſchnitten, und erheben ſich zu
einer Hoͤhe von 30 bis 40 Fuß. Die Thuͤrme ſind aͤußerſt
ſchoͤn, ſie uͤberhoͤhen die Mauer, aus welcher ſie alle achtzig
Schritte hervortreten, und ſind ſo geraͤumig, daß ſie ſehr
gut Geſchuͤtz aufnehmen koͤnnten. Zwiſchen je zwei Thuͤr-
men ſpringt noch ein Strebepfeiler hervor, deſſen Zinnen die
Mauer flankiren; dieſe zeigt eine Menge lateiniſcher, griechi-
ſcher und perſiſcher Jnſchriften.
Die Pracht der Befeſtigung contraſtirt ſeltſam mit dem
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/245>, abgerufen am 24.11.2024.
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