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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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meels ernährt nicht nur die Kinder, sondern auch die Fül-
len, welche danach mager aber kräftig, wie unsere trainir-
ten Pferde, werden; das Fleisch ist schmackhaft und gesund,
das Fell und selbst die Knochen des Kameels werden be-
nutzt. Das elendeste Futter, dürres Gras, Disteln und
Gestrüpp, genügen diesen geduldigen, starken, wehrlosen und
nützlichsten aller Thiere. Nächst den Kameelen, von wel-
chen selbst der arme Araber eine fast unglaubliche Menge
besitzt, bildet das Pferd den Hauptreichthum des Arabers.
Es ist bekannt, wie diese Thiere mit den Kindern im Zelt
aufwachsen, wie sie ihre Nahrung, ihre Streifzüge und
Entbehrungen theilen, und wie die Geburt eines Füllens
von edler Race ein Tag der Freude im ganzen Aschiret ist.

Man bringt in Europa die arabischen Pferde in Clas-
sificationen, welche weder richtig noch erschöpfend sind; da-
hin gehört namentlich die Unterscheidung von Kohilans und
Nedschdi's. Letzter Name bezeichnet den zahlreichen Araber-
stamm, welcher die Hochebenen des innern Arabiens bewohnt
und allerdings die vortrefflichsten Pferde zieht, aber so we-
nig jedes arabische Pferd ein Racepferd, eben so wenig ist
jeder Nedschdi ein Kohilan. Die Sache ist diese: Kohilan
hieß das Leibpferd Haseret-Süleiman-Peigambers ("Sr.
Gnaden Salomons des Propheten"). Nun ist es aller-
dings wahr und kein Mährchen, daß die edleren Rosse bei
der Geburt ihren Stammbaum erhalten, in welchem die
Aeltern und oft die Großältern aufgeführt sind, und wel-
chen das Pferd gewöhnlich an einer Schnur und in einer
kleinen dreieckigen Kapsel um den Hals trägt. Aber im
Laufe vieler Jahrhunderte haben sich von den Nachkommen
Kohilans einzelne so sehr ausgezeichnet, daß sie selbst Stamm-
väter besonderer Geschlechter geworden sind. Mir wurden
als die vorzüglichsten Enkel Kohilans die Kinder Meneghi's
genannt, demnächst die Terafi, die Djelevi, die Sakali und
viele andere Geschlechter mehr. Auf der Flucht von Me-
dina ritt Mohammed einen Kohilan von der Linie Meneghi.
Du siehst, daß also keineswegs jeder Nedschdi ein edles

meels ernaͤhrt nicht nur die Kinder, ſondern auch die Fuͤl-
len, welche danach mager aber kraͤftig, wie unſere trainir-
ten Pferde, werden; das Fleiſch iſt ſchmackhaft und geſund,
das Fell und ſelbſt die Knochen des Kameels werden be-
nutzt. Das elendeſte Futter, duͤrres Gras, Diſteln und
Geſtruͤpp, genuͤgen dieſen geduldigen, ſtarken, wehrloſen und
nuͤtzlichſten aller Thiere. Naͤchſt den Kameelen, von wel-
chen ſelbſt der arme Araber eine faſt unglaubliche Menge
beſitzt, bildet das Pferd den Hauptreichthum des Arabers.
Es iſt bekannt, wie dieſe Thiere mit den Kindern im Zelt
aufwachſen, wie ſie ihre Nahrung, ihre Streifzuͤge und
Entbehrungen theilen, und wie die Geburt eines Fuͤllens
von edler Raçe ein Tag der Freude im ganzen Aſchiret iſt.

Man bringt in Europa die arabiſchen Pferde in Claſ-
ſificationen, welche weder richtig noch erſchoͤpfend ſind; da-
hin gehoͤrt namentlich die Unterſcheidung von Kohilans und
Nedſchdi's. Letzter Name bezeichnet den zahlreichen Araber-
ſtamm, welcher die Hochebenen des innern Arabiens bewohnt
und allerdings die vortrefflichſten Pferde zieht, aber ſo we-
nig jedes arabiſche Pferd ein Raçepferd, eben ſo wenig iſt
jeder Nedſchdi ein Kohilan. Die Sache iſt dieſe: Kohilan
hieß das Leibpferd Haſeret-Suͤleiman-Peïgambers („Sr.
Gnaden Salomons des Propheten“). Nun iſt es aller-
dings wahr und kein Maͤhrchen, daß die edleren Roſſe bei
der Geburt ihren Stammbaum erhalten, in welchem die
Aeltern und oft die Großaͤltern aufgefuͤhrt ſind, und wel-
chen das Pferd gewoͤhnlich an einer Schnur und in einer
kleinen dreieckigen Kapſel um den Hals traͤgt. Aber im
Laufe vieler Jahrhunderte haben ſich von den Nachkommen
Kohilans einzelne ſo ſehr ausgezeichnet, daß ſie ſelbſt Stamm-
vaͤter beſonderer Geſchlechter geworden ſind. Mir wurden
als die vorzuͤglichſten Enkel Kohilans die Kinder Meneghi's
genannt, demnaͤchſt die Terafi, die Djelevi, die Sakali und
viele andere Geſchlechter mehr. Auf der Flucht von Me-
dina ritt Mohammed einen Kohilan von der Linie Meneghi.
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[247/0257] meels ernaͤhrt nicht nur die Kinder, ſondern auch die Fuͤl- len, welche danach mager aber kraͤftig, wie unſere trainir- ten Pferde, werden; das Fleiſch iſt ſchmackhaft und geſund, das Fell und ſelbſt die Knochen des Kameels werden be- nutzt. Das elendeſte Futter, duͤrres Gras, Diſteln und Geſtruͤpp, genuͤgen dieſen geduldigen, ſtarken, wehrloſen und nuͤtzlichſten aller Thiere. Naͤchſt den Kameelen, von wel- chen ſelbſt der arme Araber eine faſt unglaubliche Menge beſitzt, bildet das Pferd den Hauptreichthum des Arabers. Es iſt bekannt, wie dieſe Thiere mit den Kindern im Zelt aufwachſen, wie ſie ihre Nahrung, ihre Streifzuͤge und Entbehrungen theilen, und wie die Geburt eines Fuͤllens von edler Raçe ein Tag der Freude im ganzen Aſchiret iſt. Man bringt in Europa die arabiſchen Pferde in Claſ- ſificationen, welche weder richtig noch erſchoͤpfend ſind; da- hin gehoͤrt namentlich die Unterſcheidung von Kohilans und Nedſchdi's. Letzter Name bezeichnet den zahlreichen Araber- ſtamm, welcher die Hochebenen des innern Arabiens bewohnt und allerdings die vortrefflichſten Pferde zieht, aber ſo we- nig jedes arabiſche Pferd ein Raçepferd, eben ſo wenig iſt jeder Nedſchdi ein Kohilan. Die Sache iſt dieſe: Kohilan hieß das Leibpferd Haſeret-Suͤleiman-Peïgambers („Sr. Gnaden Salomons des Propheten“). Nun iſt es aller- dings wahr und kein Maͤhrchen, daß die edleren Roſſe bei der Geburt ihren Stammbaum erhalten, in welchem die Aeltern und oft die Großaͤltern aufgefuͤhrt ſind, und wel- chen das Pferd gewoͤhnlich an einer Schnur und in einer kleinen dreieckigen Kapſel um den Hals traͤgt. Aber im Laufe vieler Jahrhunderte haben ſich von den Nachkommen Kohilans einzelne ſo ſehr ausgezeichnet, daß ſie ſelbſt Stamm- vaͤter beſonderer Geſchlechter geworden ſind. Mir wurden als die vorzuͤglichſten Enkel Kohilans die Kinder Meneghi's genannt, demnaͤchſt die Terafi, die Djelevi, die Sakali und viele andere Geſchlechter mehr. Auf der Flucht von Me- dina ritt Mohammed einen Kohilan von der Linie Meneghi. Du ſiehſt, daß alſo keineswegs jeder Nedſchdi ein edles

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/257>, abgerufen am 24.11.2024.