ßerst schnell näherte. Die Tete unserer Colonne machte Halt, aber der Zug war wohl eine Meile lang, und wenig Hoffnung, mit etwa sechzig Bewaffneten den ganzen Con- voy zu decken. Die Reiter sprengten voraus auf einen künstlichen Erdhügel, von wo ich mir die Araber zeigen ließ; wirklich bewegte sich eine Menge schwarzer Punkte mit großer Schnelligkeit durch die Ebene, da ich aber ein kleines Fernglas bei mir führte, so konnte ich die Gesell- schaft bald davon überzeugen, daß, was wir vor uns sahen, nur ein ungeheures Rudel wilder Schweine sei, die gerade auf uns zu kamen. Bald erkannte man die Thiere mit bloßen Augen.
Der Kjerwan-Baschi erzählte mir heute Abend eine cha- rakteristische Anekdote von einem Araber, welche ich schon in Orfa gehört hatte.
Ein türkischer Cavallerie-General, Dano-Pascha zu Mardin, stand schon seit lange in Unterhandlung mit einem arabischen Stamme wegen einer edlen Stute vom Geschlecht Meneghi; endlich vereinigte man sich zu dem Preise von 60 Beuteln oder nahe an 2000 Thalern. Zur verabredeten Stunde trifft der Häuptling des Stammes mit seiner Stute im Hofe des Pascha's ein; dieser versucht noch zu handeln, aber der Scheikh erwiedert stolz, daß er nicht einen Para herablasse. Verdrießlich wirft der Türke ihm die Summe hin mit der Aeußerung, daß 30,000 Piaster ein unerhörter Preis für ein Pferd sei. Der Araber blickt ihn schweigend an und bindet das Geld ganz ruhig in seinen weißen Man- tel, dann steigt er in den Hof hinab, um Abschied von sei- nem Thiere zu nehmen; er spricht ihm arabische Worte ins Ohr, streicht ihm über Stirn und Augen, untersucht die Hufe und schreitet bedächtig und musternd rings um das aufmerksame Thier. Plötzlich schwingt er sich auf den nack- ten Rücken des Pferdes, welches augenblicklich vorwärts und zum Hofe hinausschießt.
Jn der Regel stehen hier die Pferde Tags und Nachts mit dem Palann oder Sattel aus Filzbecken. Jeder vor-
ßerſt ſchnell naͤherte. Die Tete unſerer Colonne machte Halt, aber der Zug war wohl eine Meile lang, und wenig Hoffnung, mit etwa ſechzig Bewaffneten den ganzen Con- voy zu decken. Die Reiter ſprengten voraus auf einen kuͤnſtlichen Erdhuͤgel, von wo ich mir die Araber zeigen ließ; wirklich bewegte ſich eine Menge ſchwarzer Punkte mit großer Schnelligkeit durch die Ebene, da ich aber ein kleines Fernglas bei mir fuͤhrte, ſo konnte ich die Geſell- ſchaft bald davon uͤberzeugen, daß, was wir vor uns ſahen, nur ein ungeheures Rudel wilder Schweine ſei, die gerade auf uns zu kamen. Bald erkannte man die Thiere mit bloßen Augen.
Der Kjerwan-Baſchi erzaͤhlte mir heute Abend eine cha- rakteriſtiſche Anekdote von einem Araber, welche ich ſchon in Orfa gehoͤrt hatte.
Ein tuͤrkiſcher Cavallerie-General, Dano-Paſcha zu Mardin, ſtand ſchon ſeit lange in Unterhandlung mit einem arabiſchen Stamme wegen einer edlen Stute vom Geſchlecht Meneghi; endlich vereinigte man ſich zu dem Preiſe von 60 Beuteln oder nahe an 2000 Thalern. Zur verabredeten Stunde trifft der Haͤuptling des Stammes mit ſeiner Stute im Hofe des Paſcha's ein; dieſer verſucht noch zu handeln, aber der Scheikh erwiedert ſtolz, daß er nicht einen Para herablaſſe. Verdrießlich wirft der Tuͤrke ihm die Summe hin mit der Aeußerung, daß 30,000 Piaſter ein unerhoͤrter Preis fuͤr ein Pferd ſei. Der Araber blickt ihn ſchweigend an und bindet das Geld ganz ruhig in ſeinen weißen Man- tel, dann ſteigt er in den Hof hinab, um Abſchied von ſei- nem Thiere zu nehmen; er ſpricht ihm arabiſche Worte ins Ohr, ſtreicht ihm uͤber Stirn und Augen, unterſucht die Hufe und ſchreitet bedaͤchtig und muſternd rings um das aufmerkſame Thier. Ploͤtzlich ſchwingt er ſich auf den nack- ten Ruͤcken des Pferdes, welches augenblicklich vorwaͤrts und zum Hofe hinausſchießt.
Jn der Regel ſtehen hier die Pferde Tags und Nachts mit dem Palann oder Sattel aus Filzbecken. Jeder vor-
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ßerſt ſchnell naͤherte. Die Tete unſerer Colonne machte
Halt, aber der Zug war wohl eine Meile lang, und wenig
Hoffnung, mit etwa ſechzig Bewaffneten den ganzen Con-
voy zu decken. Die Reiter ſprengten voraus auf einen
kuͤnſtlichen Erdhuͤgel, von wo ich mir die Araber zeigen
ließ; wirklich bewegte ſich eine Menge ſchwarzer Punkte
mit großer Schnelligkeit durch die Ebene, da ich aber ein
kleines Fernglas bei mir fuͤhrte, ſo konnte ich die Geſell-
ſchaft bald davon uͤberzeugen, daß, was wir vor uns ſahen,
nur ein ungeheures Rudel wilder Schweine ſei, die gerade
auf uns zu kamen. Bald erkannte man die Thiere mit
bloßen Augen.
Der Kjerwan-Baſchi erzaͤhlte mir heute Abend eine cha-
rakteriſtiſche Anekdote von einem Araber, welche ich ſchon
in Orfa gehoͤrt hatte.
Ein tuͤrkiſcher Cavallerie-General, Dano-Paſcha zu
Mardin, ſtand ſchon ſeit lange in Unterhandlung mit einem
arabiſchen Stamme wegen einer edlen Stute vom Geſchlecht
Meneghi; endlich vereinigte man ſich zu dem Preiſe von
60 Beuteln oder nahe an 2000 Thalern. Zur verabredeten
Stunde trifft der Haͤuptling des Stammes mit ſeiner Stute
im Hofe des Paſcha's ein; dieſer verſucht noch zu handeln,
aber der Scheikh erwiedert ſtolz, daß er nicht einen Para
herablaſſe. Verdrießlich wirft der Tuͤrke ihm die Summe
hin mit der Aeußerung, daß 30,000 Piaſter ein unerhoͤrter
Preis fuͤr ein Pferd ſei. Der Araber blickt ihn ſchweigend
an und bindet das Geld ganz ruhig in ſeinen weißen Man-
tel, dann ſteigt er in den Hof hinab, um Abſchied von ſei-
nem Thiere zu nehmen; er ſpricht ihm arabiſche Worte ins
Ohr, ſtreicht ihm uͤber Stirn und Augen, unterſucht die
Hufe und ſchreitet bedaͤchtig und muſternd rings um das
aufmerkſame Thier. Ploͤtzlich ſchwingt er ſich auf den nack-
ten Ruͤcken des Pferdes, welches augenblicklich vorwaͤrts
und zum Hofe hinausſchießt.
Jn der Regel ſtehen hier die Pferde Tags und Nachts
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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