derselben ist so allgemein gefühlt, daß selbst die Pforte es anerkennt.
Es ist erfreulich, zu bemerken, daß auch diese Regie- rung anfängt, einzusehen, wie gerecht sein nicht nur gerecht, sondern auch klug und vortheilhaft ist. Jch kann nicht ge- nug die Gewissenhaftigkeit rühmen, mit welcher das kleine Corps Mehmet-Pascha's das Eigenthum der Dörfer re- spectirte, welche der Regierung treu geblieben; ein Bazar war im Lager eröffnet, auf welchem die Landleute ohne Scheu ihre Waare feil boten; der Eintritt in die Dörfer war streng untersagt, um Unordnungen vorzubeugen, und fast litten unsere Pferde Mangel mitten unter wogenden Kornfeldern. Jn diesem Verhalten des Heeres, als des folgsamsten Werkzeuges der Regierung, darf man wohl den Willen des Staats-Oberhauptes selbst erkennen. Jn der That hat der Gang, den die Regierung seit einer Reihe von Jahren inne hält, schon Vertrauen erweckt; man fürch- tet nicht mehr, wie früher, gewaltsame Beraubung des Ei- genthums, wohl aber willkürliche Beschlagnahme des Er- trags. Sollten vom Staat angestellte, reichlich bezahlte, aber mit eiserner Strenge controllirte Beamten nicht nach und nach einzuführen sein?
Erlauben Sie mir jetzt, Jhre Aufmerksamkeit auf den zweiten Punkt, auf die Conscription zu richten. Die Mili- tairpflichtigkeit, in ihrer jetzigen Gestalt, ist eine schwere Last wenigen Schultern aufgebürdet; wie hart diese Steuer einzelne Ortschaften, und in diesen wieder nur einzelne Jn- dividuen trifft, zeigt unter andern das Beispiel der Stadt Söört.
Gleich nach ihrer Eroberung durch Reschid-Pascha ergab die Zählung 600 muselmännische und 200 Rajahs- Familien; von erstern wurden 200 Rekruten, also 5 bis 6 pC., auf einmal ausgehoben. Seit drei Jahren nun ist die muselmännische Bevölkerung auf 400 Feuerstellen herab- gesunken, und eben, als ich das Städtchen sah, verlangte man neue 200 Mann. Jn Folge dieser Forderung war
derſelben iſt ſo allgemein gefuͤhlt, daß ſelbſt die Pforte es anerkennt.
Es iſt erfreulich, zu bemerken, daß auch dieſe Regie- rung anfaͤngt, einzuſehen, wie gerecht ſein nicht nur gerecht, ſondern auch klug und vortheilhaft iſt. Jch kann nicht ge- nug die Gewiſſenhaftigkeit ruͤhmen, mit welcher das kleine Corps Mehmet-Paſcha's das Eigenthum der Doͤrfer re- ſpectirte, welche der Regierung treu geblieben; ein Bazar war im Lager eroͤffnet, auf welchem die Landleute ohne Scheu ihre Waare feil boten; der Eintritt in die Doͤrfer war ſtreng unterſagt, um Unordnungen vorzubeugen, und faſt litten unſere Pferde Mangel mitten unter wogenden Kornfeldern. Jn dieſem Verhalten des Heeres, als des folgſamſten Werkzeuges der Regierung, darf man wohl den Willen des Staats-Oberhauptes ſelbſt erkennen. Jn der That hat der Gang, den die Regierung ſeit einer Reihe von Jahren inne haͤlt, ſchon Vertrauen erweckt; man fuͤrch- tet nicht mehr, wie fruͤher, gewaltſame Beraubung des Ei- genthums, wohl aber willkuͤrliche Beſchlagnahme des Er- trags. Sollten vom Staat angeſtellte, reichlich bezahlte, aber mit eiſerner Strenge controllirte Beamten nicht nach und nach einzufuͤhren ſein?
Erlauben Sie mir jetzt, Jhre Aufmerkſamkeit auf den zweiten Punkt, auf die Conſcription zu richten. Die Mili- tairpflichtigkeit, in ihrer jetzigen Geſtalt, iſt eine ſchwere Laſt wenigen Schultern aufgebuͤrdet; wie hart dieſe Steuer einzelne Ortſchaften, und in dieſen wieder nur einzelne Jn- dividuen trifft, zeigt unter andern das Beiſpiel der Stadt Soͤoͤrt.
Gleich nach ihrer Eroberung durch Reſchid-Paſcha ergab die Zaͤhlung 600 muſelmaͤnniſche und 200 Rajahs- Familien; von erſtern wurden 200 Rekruten, alſo 5 bis 6 pC., auf einmal ausgehoben. Seit drei Jahren nun iſt die muſelmaͤnniſche Bevoͤlkerung auf 400 Feuerſtellen herab- geſunken, und eben, als ich das Staͤdtchen ſah, verlangte man neue 200 Mann. Jn Folge dieſer Forderung war
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derſelben iſt ſo allgemein gefuͤhlt, daß ſelbſt die Pforte es
anerkennt.
Es iſt erfreulich, zu bemerken, daß auch dieſe Regie-
rung anfaͤngt, einzuſehen, wie gerecht ſein nicht nur gerecht,
ſondern auch klug und vortheilhaft iſt. Jch kann nicht ge-
nug die Gewiſſenhaftigkeit ruͤhmen, mit welcher das kleine
Corps Mehmet-Paſcha's das Eigenthum der Doͤrfer re-
ſpectirte, welche der Regierung treu geblieben; ein Bazar
war im Lager eroͤffnet, auf welchem die Landleute ohne
Scheu ihre Waare feil boten; der Eintritt in die Doͤrfer
war ſtreng unterſagt, um Unordnungen vorzubeugen, und
faſt litten unſere Pferde Mangel mitten unter wogenden
Kornfeldern. Jn dieſem Verhalten des Heeres, als des
folgſamſten Werkzeuges der Regierung, darf man wohl den
Willen des Staats-Oberhauptes ſelbſt erkennen. Jn der
That hat der Gang, den die Regierung ſeit einer Reihe
von Jahren inne haͤlt, ſchon Vertrauen erweckt; man fuͤrch-
tet nicht mehr, wie fruͤher, gewaltſame Beraubung des Ei-
genthums, wohl aber willkuͤrliche Beſchlagnahme des Er-
trags. Sollten vom Staat angeſtellte, reichlich bezahlte,
aber mit eiſerner Strenge controllirte Beamten nicht nach
und nach einzufuͤhren ſein?
Erlauben Sie mir jetzt, Jhre Aufmerkſamkeit auf den
zweiten Punkt, auf die Conſcription zu richten. Die Mili-
tairpflichtigkeit, in ihrer jetzigen Geſtalt, iſt eine ſchwere
Laſt wenigen Schultern aufgebuͤrdet; wie hart dieſe Steuer
einzelne Ortſchaften, und in dieſen wieder nur einzelne Jn-
dividuen trifft, zeigt unter andern das Beiſpiel der Stadt
Soͤoͤrt.
Gleich nach ihrer Eroberung durch Reſchid-Paſcha
ergab die Zaͤhlung 600 muſelmaͤnniſche und 200 Rajahs-
Familien; von erſtern wurden 200 Rekruten, alſo 5 bis
6 pC., auf einmal ausgehoben. Seit drei Jahren nun iſt
die muſelmaͤnniſche Bevoͤlkerung auf 400 Feuerſtellen herab-
geſunken, und eben, als ich das Staͤdtchen ſah, verlangte
man neue 200 Mann. Jn Folge dieſer Forderung war
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/292>, abgerufen am 23.11.2024.
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