gade, welche die wenigsten Verluste gehabt, ist Kurd Meh- met Pascha's, inclusive der Todten und Verwundeten wäh- rend unsers kleinen Feldzuges im Karsann-Dagh hat sie 200 Mann eingebüßt; alle übrigen Regimenter aber haben durch Krankheit sehr bedeutend verloren, und ich bleibe ge- wiß noch hinter der Wahrheit zurück, wenn ich behaupte, daß wir im Verlauf eines Friedens-Jahres ein Drittel unsers Corps begraben haben.
Unter solchen Umständen, und weil der Ersatz fast aus- schließlich auf Kurdistan lastet, ist die Rekrutenaushebung ein förmlicher Raubzug der Behörde gegen die Ortschaften; es giebt Dörfer, welche völlig von jungen arbeitsfähigen Mannschaften entblößt sind, und man muß dieser Men- schenjagd beigewohnt, die Ersatzmannschaft mit geknebelten Händen und zornvollem Blick haben ankommen sehen, um zu begreifen, wie die Regierung, beim besten Willen, sich die Gemüther dieses Volks gänzlich entfremdet. Zu jenen in unmittelbarer Nähe liegenden Uebeln gesellt sich für die Zukunft eine unausbleibliche Abnahme der muselmännischen, ohnehin schon so dünnen, Bevölkerung, neben der Erschö- pfung der Hülfsmittel, noch das Versiegen der Quellen, aus welchen sie fließen.
Nun übt die Anwesenheit eines so bedeutenden Corps noch indirekt einen ungeheueren Druck auf die Provinz; die Märsche, die Unterbringung der Truppen, die Heran- schaffung der Nahrungsmittel, des Holzes, der Fourage etc., alles dies zwingt die Einwohner zu einer Menge von Froh- nen, Gestellung von Zug- und Lastvieh, Natural- und Per- sonal-Leistungen. Bei den bestehenden Sitten und der Ein- richtung der Wohnungen muß entweder der Wirth oder die Einquartierung zum Hause hinaus; sobald man daher nicht unter Zelten lagern kann, werden aus ganzen Stadt- vierteln die Bewohner ausgetrieben, und zwar ohne Ent- schädigung. Während dieses Winters haben wir die ganze, bedeutende Stadt Malatia in Beschlag genommen, ohne auch nur ein Haus seinem Besitzer zu lassen; die Einwoh-
gade, welche die wenigſten Verluſte gehabt, iſt Kurd Meh- met Paſcha's, incluſive der Todten und Verwundeten waͤh- rend unſers kleinen Feldzuges im Karſann-Dagh hat ſie 200 Mann eingebuͤßt; alle uͤbrigen Regimenter aber haben durch Krankheit ſehr bedeutend verloren, und ich bleibe ge- wiß noch hinter der Wahrheit zuruͤck, wenn ich behaupte, daß wir im Verlauf eines Friedens-Jahres ein Drittel unſers Corps begraben haben.
Unter ſolchen Umſtaͤnden, und weil der Erſatz faſt aus- ſchließlich auf Kurdiſtan laſtet, iſt die Rekrutenaushebung ein foͤrmlicher Raubzug der Behoͤrde gegen die Ortſchaften; es giebt Doͤrfer, welche voͤllig von jungen arbeitsfaͤhigen Mannſchaften entbloͤßt ſind, und man muß dieſer Men- ſchenjagd beigewohnt, die Erſatzmannſchaft mit geknebelten Haͤnden und zornvollem Blick haben ankommen ſehen, um zu begreifen, wie die Regierung, beim beſten Willen, ſich die Gemuͤther dieſes Volks gaͤnzlich entfremdet. Zu jenen in unmittelbarer Naͤhe liegenden Uebeln geſellt ſich fuͤr die Zukunft eine unausbleibliche Abnahme der muſelmaͤnniſchen, ohnehin ſchon ſo duͤnnen, Bevoͤlkerung, neben der Erſchoͤ- pfung der Huͤlfsmittel, noch das Verſiegen der Quellen, aus welchen ſie fließen.
Nun uͤbt die Anweſenheit eines ſo bedeutenden Corps noch indirekt einen ungeheueren Druck auf die Provinz; die Maͤrſche, die Unterbringung der Truppen, die Heran- ſchaffung der Nahrungsmittel, des Holzes, der Fourage ꝛc., alles dies zwingt die Einwohner zu einer Menge von Froh- nen, Geſtellung von Zug- und Laſtvieh, Natural- und Per- ſonal-Leiſtungen. Bei den beſtehenden Sitten und der Ein- richtung der Wohnungen muß entweder der Wirth oder die Einquartierung zum Hauſe hinaus; ſobald man daher nicht unter Zelten lagern kann, werden aus ganzen Stadt- vierteln die Bewohner ausgetrieben, und zwar ohne Ent- ſchaͤdigung. Waͤhrend dieſes Winters haben wir die ganze, bedeutende Stadt Malatia in Beſchlag genommen, ohne auch nur ein Haus ſeinem Beſitzer zu laſſen; die Einwoh-
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gade, welche die wenigſten Verluſte gehabt, iſt Kurd Meh-
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rend unſers kleinen Feldzuges im Karſann-Dagh hat ſie
200 Mann eingebuͤßt; alle uͤbrigen Regimenter aber haben
durch Krankheit ſehr bedeutend verloren, und ich bleibe ge-
wiß noch hinter der Wahrheit zuruͤck, wenn ich behaupte,
daß wir im Verlauf eines Friedens-Jahres ein Drittel
unſers Corps begraben haben.
Unter ſolchen Umſtaͤnden, und weil der Erſatz faſt aus-
ſchließlich auf Kurdiſtan laſtet, iſt die Rekrutenaushebung
ein foͤrmlicher Raubzug der Behoͤrde gegen die Ortſchaften;
es giebt Doͤrfer, welche voͤllig von jungen arbeitsfaͤhigen
Mannſchaften entbloͤßt ſind, und man muß dieſer Men-
ſchenjagd beigewohnt, die Erſatzmannſchaft mit geknebelten
Haͤnden und zornvollem Blick haben ankommen ſehen, um
zu begreifen, wie die Regierung, beim beſten Willen, ſich
die Gemuͤther dieſes Volks gaͤnzlich entfremdet. Zu jenen
in unmittelbarer Naͤhe liegenden Uebeln geſellt ſich fuͤr die
Zukunft eine unausbleibliche Abnahme der muſelmaͤnniſchen,
ohnehin ſchon ſo duͤnnen, Bevoͤlkerung, neben der Erſchoͤ-
pfung der Huͤlfsmittel, noch das Verſiegen der Quellen,
aus welchen ſie fließen.
Nun uͤbt die Anweſenheit eines ſo bedeutenden Corps
noch indirekt einen ungeheueren Druck auf die Provinz;
die Maͤrſche, die Unterbringung der Truppen, die Heran-
ſchaffung der Nahrungsmittel, des Holzes, der Fourage ꝛc.,
alles dies zwingt die Einwohner zu einer Menge von Froh-
nen, Geſtellung von Zug- und Laſtvieh, Natural- und Per-
ſonal-Leiſtungen. Bei den beſtehenden Sitten und der Ein-
richtung der Wohnungen muß entweder der Wirth oder
die Einquartierung zum Hauſe hinaus; ſobald man daher
nicht unter Zelten lagern kann, werden aus ganzen Stadt-
vierteln die Bewohner ausgetrieben, und zwar ohne Ent-
ſchaͤdigung. Waͤhrend dieſes Winters haben wir die ganze,
bedeutende Stadt Malatia in Beſchlag genommen, ohne
auch nur ein Haus ſeinem Beſitzer zu laſſen; die Einwoh-
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/361>, abgerufen am 22.11.2024.
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