wohl übrigens auf den Raub angewiesen, den Truppen ist eine doppelte Löhnung gezahlt; Geld wird mit vollen Hän- den gespendet.
Unsere Vorposten (2 Eskadrons) stehen vor Nisib hart an der Grenze; es waren ihnen Pferde weggelaufen, die Spahi's suchten sie auf jenseitigem Gebiete, einer von ihnen wird verwundet und stirbt. Aus diesem Hergange wird ein entsetzliches Halloh gemacht; Pascha Effendimis con- vocirt einen Divan der Mollahs, deren wir hier zu Dutzen- den jetzt haben, und die den Pas vor den General-Lieute- nants nehmen (wahrscheinlich bis das Fetwa ausgefer- tigt ist).
Der Pascha bringt in alle Welt, ihm zu bestätigen, daß jenes Ereigniß eine gültige Ursache zum Kriege sei, die Mollahs sind vollkommen seiner Meinung; Du kannst Dir denken, daß wir das nicht so unbedingt sind. Jch habe dem Pascha gestern, um gewiß deutlich zu sein, durch den Dragoman ausdrücklich gesagt: "Die Mollahs können dir sagen, ob der Krieg gerecht -- ob er aber klug, kannst nur du allein beurtheilen. Die ganze Lage der Verhältnisse, die Absichten des Großherrn, die der europäischen Höfe, -- Stärke und Stellung aller unserer, so wie der feindlichen Corps, die Hülfsmittel des Landes, die angehäuften Vor- räthe etc., Alles das müßte vorliegen, um in dieser hoch- wichtigen Sache einen Rath zu geben, und alle diese Dinge wissen weder die Mollahs, noch ich, noch sonst Jemand, als du. Die ganze Ehre und die ganze Verantwortlichkeit fällt auf dich, und von Niemand sonst darfst du Rath er- warten." -- Das ist aber nicht, was er zu hören wünscht.
Der Pascha läßt es zwar nicht an Confiance, wohl aber zuweilen an Confidences fehlen, er räumt indeß ein, daß man den Krieg durchaus nicht erklären darf, ehe wir nicht ganz bereit sind, ihn auch sogleich anzufangen. Wir brau- chen von heut an noch mindestens vierzehn Tage oder drei Wochen, um nur marschfertig zu sein, und diese Zeit bleibt Euch, um eine Vereinigung, oder doch ein Zusammenwir-
wohl uͤbrigens auf den Raub angewieſen, den Truppen iſt eine doppelte Loͤhnung gezahlt; Geld wird mit vollen Haͤn- den geſpendet.
Unſere Vorpoſten (2 Eskadrons) ſtehen vor Niſib hart an der Grenze; es waren ihnen Pferde weggelaufen, die Spahi's ſuchten ſie auf jenſeitigem Gebiete, einer von ihnen wird verwundet und ſtirbt. Aus dieſem Hergange wird ein entſetzliches Halloh gemacht; Paſcha Effendimis con- vocirt einen Divan der Mollahs, deren wir hier zu Dutzen- den jetzt haben, und die den Pas vor den General-Lieute- nants nehmen (wahrſcheinlich bis das Fetwa ausgefer- tigt iſt).
Der Paſcha bringt in alle Welt, ihm zu beſtaͤtigen, daß jenes Ereigniß eine guͤltige Urſache zum Kriege ſei, die Mollahs ſind vollkommen ſeiner Meinung; Du kannſt Dir denken, daß wir das nicht ſo unbedingt ſind. Jch habe dem Paſcha geſtern, um gewiß deutlich zu ſein, durch den Dragoman ausdruͤcklich geſagt: „Die Mollahs koͤnnen dir ſagen, ob der Krieg gerecht — ob er aber klug, kannſt nur du allein beurtheilen. Die ganze Lage der Verhaͤltniſſe, die Abſichten des Großherrn, die der europaͤiſchen Hoͤfe, — Staͤrke und Stellung aller unſerer, ſo wie der feindlichen Corps, die Huͤlfsmittel des Landes, die angehaͤuften Vor- raͤthe ꝛc., Alles das muͤßte vorliegen, um in dieſer hoch- wichtigen Sache einen Rath zu geben, und alle dieſe Dinge wiſſen weder die Mollahs, noch ich, noch ſonſt Jemand, als du. Die ganze Ehre und die ganze Verantwortlichkeit faͤllt auf dich, und von Niemand ſonſt darfſt du Rath er- warten.“ — Das iſt aber nicht, was er zu hoͤren wuͤnſcht.
Der Paſcha laͤßt es zwar nicht an Confiance, wohl aber zuweilen an Confidences fehlen, er raͤumt indeß ein, daß man den Krieg durchaus nicht erklaͤren darf, ehe wir nicht ganz bereit ſind, ihn auch ſogleich anzufangen. Wir brau- chen von heut an noch mindeſtens vierzehn Tage oder drei Wochen, um nur marſchfertig zu ſein, und dieſe Zeit bleibt Euch, um eine Vereinigung, oder doch ein Zuſammenwir-
<TEI><text><body><divn="1"><div><p><pbfacs="#f0385"n="375"/>
wohl uͤbrigens auf den Raub angewieſen, den Truppen iſt<lb/>
eine doppelte Loͤhnung gezahlt; Geld wird mit vollen Haͤn-<lb/>
den geſpendet.</p><lb/><p>Unſere Vorpoſten (2 Eskadrons) ſtehen vor Niſib hart<lb/>
an der Grenze; es waren ihnen Pferde weggelaufen, die<lb/>
Spahi's ſuchten ſie auf jenſeitigem Gebiete, einer von ihnen<lb/>
wird verwundet und ſtirbt. Aus dieſem Hergange wird<lb/>
ein entſetzliches Halloh gemacht; Paſcha Effendimis con-<lb/>
vocirt einen Divan der Mollahs, deren wir hier zu Dutzen-<lb/>
den jetzt haben, und die den Pas vor den General-Lieute-<lb/>
nants nehmen (wahrſcheinlich bis das Fetwa ausgefer-<lb/>
tigt iſt).</p><lb/><p>Der Paſcha bringt in alle Welt, ihm zu beſtaͤtigen,<lb/>
daß jenes Ereigniß eine guͤltige Urſache zum Kriege ſei, die<lb/>
Mollahs ſind vollkommen ſeiner Meinung; Du kannſt Dir<lb/>
denken, daß wir das nicht ſo unbedingt ſind. Jch habe<lb/>
dem Paſcha geſtern, um gewiß deutlich zu ſein, durch den<lb/>
Dragoman ausdruͤcklich geſagt: „Die Mollahs koͤnnen dir<lb/>ſagen, ob der Krieg gerecht — ob er aber klug, kannſt nur<lb/>
du allein beurtheilen. Die ganze Lage der Verhaͤltniſſe, die<lb/>
Abſichten des Großherrn, die der europaͤiſchen Hoͤfe, —<lb/>
Staͤrke und Stellung aller unſerer, ſo wie der feindlichen<lb/>
Corps, die Huͤlfsmittel des Landes, die angehaͤuften Vor-<lb/>
raͤthe ꝛc., Alles das muͤßte vorliegen, um in dieſer hoch-<lb/>
wichtigen Sache einen Rath zu geben, und alle dieſe Dinge<lb/>
wiſſen weder die Mollahs, noch ich, noch ſonſt Jemand,<lb/>
als du. Die ganze Ehre und die ganze Verantwortlichkeit<lb/>
faͤllt auf dich, und von Niemand ſonſt darfſt du Rath er-<lb/>
warten.“— Das iſt aber nicht, was er zu hoͤren wuͤnſcht.</p><lb/><p>Der Paſcha laͤßt es zwar nicht an Confiance, wohl aber<lb/>
zuweilen an Confidences fehlen, er raͤumt indeß ein, daß<lb/>
man den Krieg durchaus nicht erklaͤren darf, ehe wir nicht<lb/>
ganz bereit ſind, ihn auch ſogleich anzufangen. Wir brau-<lb/>
chen von heut an noch mindeſtens vierzehn Tage oder drei<lb/>
Wochen, um nur marſchfertig zu ſein, und dieſe Zeit bleibt<lb/>
Euch, um eine Vereinigung, oder doch ein Zuſammenwir-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[375/0385]
wohl uͤbrigens auf den Raub angewieſen, den Truppen iſt
eine doppelte Loͤhnung gezahlt; Geld wird mit vollen Haͤn-
den geſpendet.
Unſere Vorpoſten (2 Eskadrons) ſtehen vor Niſib hart
an der Grenze; es waren ihnen Pferde weggelaufen, die
Spahi's ſuchten ſie auf jenſeitigem Gebiete, einer von ihnen
wird verwundet und ſtirbt. Aus dieſem Hergange wird
ein entſetzliches Halloh gemacht; Paſcha Effendimis con-
vocirt einen Divan der Mollahs, deren wir hier zu Dutzen-
den jetzt haben, und die den Pas vor den General-Lieute-
nants nehmen (wahrſcheinlich bis das Fetwa ausgefer-
tigt iſt).
Der Paſcha bringt in alle Welt, ihm zu beſtaͤtigen,
daß jenes Ereigniß eine guͤltige Urſache zum Kriege ſei, die
Mollahs ſind vollkommen ſeiner Meinung; Du kannſt Dir
denken, daß wir das nicht ſo unbedingt ſind. Jch habe
dem Paſcha geſtern, um gewiß deutlich zu ſein, durch den
Dragoman ausdruͤcklich geſagt: „Die Mollahs koͤnnen dir
ſagen, ob der Krieg gerecht — ob er aber klug, kannſt nur
du allein beurtheilen. Die ganze Lage der Verhaͤltniſſe, die
Abſichten des Großherrn, die der europaͤiſchen Hoͤfe, —
Staͤrke und Stellung aller unſerer, ſo wie der feindlichen
Corps, die Huͤlfsmittel des Landes, die angehaͤuften Vor-
raͤthe ꝛc., Alles das muͤßte vorliegen, um in dieſer hoch-
wichtigen Sache einen Rath zu geben, und alle dieſe Dinge
wiſſen weder die Mollahs, noch ich, noch ſonſt Jemand,
als du. Die ganze Ehre und die ganze Verantwortlichkeit
faͤllt auf dich, und von Niemand ſonſt darfſt du Rath er-
warten.“ — Das iſt aber nicht, was er zu hoͤren wuͤnſcht.
Der Paſcha laͤßt es zwar nicht an Confiance, wohl aber
zuweilen an Confidences fehlen, er raͤumt indeß ein, daß
man den Krieg durchaus nicht erklaͤren darf, ehe wir nicht
ganz bereit ſind, ihn auch ſogleich anzufangen. Wir brau-
chen von heut an noch mindeſtens vierzehn Tage oder drei
Wochen, um nur marſchfertig zu ſein, und dieſe Zeit bleibt
Euch, um eine Vereinigung, oder doch ein Zuſammenwir-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/385>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.