und außerdem das ganze Material der Artillerie; die Land- wehr ging fast in corpore nach Hause. Die Brigade Mah- mud-Pascha's besteht heute aus 75 Mann, die von Be- kir-Pascha, welche 5800 Mann stark war, aus 351 etc. Nur die Cavallerie, welche aus Spahi's (Lehnsmänner) besteht, ist größtentheils beisammen. Du siehst hieraus, mit was für Elementen wir zu thun hatten.
Die Unordnung in Jbrahims Corps muß indeß fast eben so groß gewesen sein. Am Tage einer siegreichen Schlacht gingen zwei Bataillone zu uns über, und ägyp- tische Cuirassiere begleiteten unsere Reiter auf ihrer Flucht; 3000 Gewehre wurden an diesem Tage im Lager von Bi- radschik von Flüchtlingen abgeliefert, die sich dort über den Euphrat retteten, und es wurde behauptet, daß Jbrahim auf seine eigenen, zurückweichenden Bataillone gefeuert habe, was ich jedoch nicht für bestimmt ausgeben kann. So hing die Entscheidung an einem Fädchen, und so kam es, daß der Sieger auch nicht die kleinste Verfolgung unter- nahm. Bei der Disposition unserer Truppen schien dies freilich auch kaum nöthig, aber dadurch wurde es möglich, daß der größte Theil der Flüchtlinge sich rechts in die Berge warf, und auch Hafiß-Pascha den Weg nach Rumkaleh und Behesne einschlug, auf welchem aber kein einziges Geschütz fortgebracht werden konnte.
Mein Weg vom Schlachtfelde hatte mich durch unser altes Lager geführt, und ich ritt heran, um zu sehen, was aus meinen Leuten uud Pferden geworden. Vor meinem von einer Kugel durchlöcherten Zelte fand ich einen meiner Maul- esel erschossen, in dem Zelte meine sämmtlichen Sachen zum Aufladen bereit und einen fremden verwundeten Menschen; die Dienerschaft aber mit acht Pferden war davon. Un- sere eigene irregulaire Reiterei war die erste gewesen, welche die Zelte plünderte, wobei sie von feindlicher Cavallerie ge- stört zu sein scheint. Der Tschausch, welcher mich im Ge- fecht begleitete, hatte sich auch etwas früh fortgemacht, ich traf ihn aber glücklicher Weise später wieder, und un-
und außerdem das ganze Material der Artillerie; die Land- wehr ging faſt in corpore nach Hauſe. Die Brigade Mah- mud-Paſcha's beſteht heute aus 75 Mann, die von Be- kir-Paſcha, welche 5800 Mann ſtark war, aus 351 ꝛc. Nur die Cavallerie, welche aus Spahi's (Lehnsmaͤnner) beſteht, iſt groͤßtentheils beiſammen. Du ſiehſt hieraus, mit was fuͤr Elementen wir zu thun hatten.
Die Unordnung in Jbrahims Corps muß indeß faſt eben ſo groß geweſen ſein. Am Tage einer ſiegreichen Schlacht gingen zwei Bataillone zu uns uͤber, und aͤgyp- tiſche Cuiraſſiere begleiteten unſere Reiter auf ihrer Flucht; 3000 Gewehre wurden an dieſem Tage im Lager von Bi- radſchik von Fluͤchtlingen abgeliefert, die ſich dort uͤber den Euphrat retteten, und es wurde behauptet, daß Jbrahim auf ſeine eigenen, zuruͤckweichenden Bataillone gefeuert habe, was ich jedoch nicht fuͤr beſtimmt ausgeben kann. So hing die Entſcheidung an einem Faͤdchen, und ſo kam es, daß der Sieger auch nicht die kleinſte Verfolgung unter- nahm. Bei der Dispoſition unſerer Truppen ſchien dies freilich auch kaum noͤthig, aber dadurch wurde es moͤglich, daß der groͤßte Theil der Fluͤchtlinge ſich rechts in die Berge warf, und auch Hafiß-Paſcha den Weg nach Rumkaleh und Behesne einſchlug, auf welchem aber kein einziges Geſchuͤtz fortgebracht werden konnte.
Mein Weg vom Schlachtfelde hatte mich durch unſer altes Lager gefuͤhrt, und ich ritt heran, um zu ſehen, was aus meinen Leuten uud Pferden geworden. Vor meinem von einer Kugel durchloͤcherten Zelte fand ich einen meiner Maul- eſel erſchoſſen, in dem Zelte meine ſaͤmmtlichen Sachen zum Aufladen bereit und einen fremden verwundeten Menſchen; die Dienerſchaft aber mit acht Pferden war davon. Un- ſere eigene irregulaire Reiterei war die erſte geweſen, welche die Zelte pluͤnderte, wobei ſie von feindlicher Cavallerie ge- ſtoͤrt zu ſein ſcheint. Der Tſchauſch, welcher mich im Ge- fecht begleitete, hatte ſich auch etwas fruͤh fortgemacht, ich traf ihn aber gluͤcklicher Weiſe ſpaͤter wieder, und un-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0408"n="398"/>
und außerdem das ganze Material der Artillerie; die Land-<lb/>
wehr ging faſt <hirendition="#aq">in corpore</hi> nach Hauſe. Die Brigade <hirendition="#g">Mah-<lb/>
mud-Paſcha's</hi> beſteht heute aus 75 Mann, die von <hirendition="#g">Be-<lb/>
kir-Paſcha,</hi> welche 5800 Mann ſtark war, aus 351 ꝛc.<lb/>
Nur die Cavallerie, welche aus Spahi's (Lehnsmaͤnner)<lb/>
beſteht, iſt groͤßtentheils beiſammen. Du ſiehſt hieraus,<lb/>
mit was fuͤr Elementen wir zu thun hatten.</p><lb/><p>Die Unordnung in <hirendition="#g">Jbrahims</hi> Corps muß indeß faſt<lb/>
eben ſo groß geweſen ſein. Am Tage einer <hirendition="#g">ſiegreichen</hi><lb/>
Schlacht gingen zwei Bataillone zu uns uͤber, und aͤgyp-<lb/>
tiſche Cuiraſſiere begleiteten unſere Reiter auf ihrer Flucht;<lb/>
3000 Gewehre wurden an dieſem Tage im Lager von Bi-<lb/>
radſchik von Fluͤchtlingen abgeliefert, die ſich dort uͤber den<lb/>
Euphrat retteten, und es wurde behauptet, daß <hirendition="#g">Jbrahim</hi><lb/>
auf ſeine eigenen, zuruͤckweichenden Bataillone gefeuert habe,<lb/>
was ich jedoch nicht fuͤr beſtimmt ausgeben kann. So<lb/>
hing die Entſcheidung an einem Faͤdchen, und ſo kam es,<lb/>
daß der Sieger auch nicht die kleinſte Verfolgung unter-<lb/>
nahm. Bei der Dispoſition unſerer Truppen ſchien dies<lb/>
freilich auch kaum noͤthig, aber dadurch wurde es moͤglich,<lb/>
daß der groͤßte Theil der Fluͤchtlinge ſich rechts in die<lb/>
Berge warf, und auch <hirendition="#g">Hafiß-Paſcha</hi> den Weg nach<lb/>
Rumkaleh und Behesne einſchlug, auf welchem aber kein<lb/>
einziges Geſchuͤtz fortgebracht werden konnte.</p><lb/><p>Mein Weg vom Schlachtfelde hatte mich durch unſer<lb/>
altes Lager gefuͤhrt, und ich ritt heran, um zu ſehen, was<lb/>
aus meinen Leuten uud Pferden geworden. Vor meinem von<lb/>
einer Kugel durchloͤcherten Zelte fand ich einen meiner Maul-<lb/>
eſel erſchoſſen, in dem Zelte meine ſaͤmmtlichen Sachen zum<lb/>
Aufladen bereit und einen fremden verwundeten Menſchen;<lb/>
die Dienerſchaft aber mit acht Pferden war davon. Un-<lb/>ſere eigene irregulaire Reiterei war die erſte geweſen, welche<lb/>
die Zelte pluͤnderte, wobei ſie von feindlicher Cavallerie ge-<lb/>ſtoͤrt zu ſein ſcheint. Der Tſchauſch, welcher mich im Ge-<lb/>
fecht begleitete, hatte ſich auch etwas fruͤh fortgemacht,<lb/>
ich traf ihn aber gluͤcklicher Weiſe ſpaͤter wieder, und un-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[398/0408]
und außerdem das ganze Material der Artillerie; die Land-
wehr ging faſt in corpore nach Hauſe. Die Brigade Mah-
mud-Paſcha's beſteht heute aus 75 Mann, die von Be-
kir-Paſcha, welche 5800 Mann ſtark war, aus 351 ꝛc.
Nur die Cavallerie, welche aus Spahi's (Lehnsmaͤnner)
beſteht, iſt groͤßtentheils beiſammen. Du ſiehſt hieraus,
mit was fuͤr Elementen wir zu thun hatten.
Die Unordnung in Jbrahims Corps muß indeß faſt
eben ſo groß geweſen ſein. Am Tage einer ſiegreichen
Schlacht gingen zwei Bataillone zu uns uͤber, und aͤgyp-
tiſche Cuiraſſiere begleiteten unſere Reiter auf ihrer Flucht;
3000 Gewehre wurden an dieſem Tage im Lager von Bi-
radſchik von Fluͤchtlingen abgeliefert, die ſich dort uͤber den
Euphrat retteten, und es wurde behauptet, daß Jbrahim
auf ſeine eigenen, zuruͤckweichenden Bataillone gefeuert habe,
was ich jedoch nicht fuͤr beſtimmt ausgeben kann. So
hing die Entſcheidung an einem Faͤdchen, und ſo kam es,
daß der Sieger auch nicht die kleinſte Verfolgung unter-
nahm. Bei der Dispoſition unſerer Truppen ſchien dies
freilich auch kaum noͤthig, aber dadurch wurde es moͤglich,
daß der groͤßte Theil der Fluͤchtlinge ſich rechts in die
Berge warf, und auch Hafiß-Paſcha den Weg nach
Rumkaleh und Behesne einſchlug, auf welchem aber kein
einziges Geſchuͤtz fortgebracht werden konnte.
Mein Weg vom Schlachtfelde hatte mich durch unſer
altes Lager gefuͤhrt, und ich ritt heran, um zu ſehen, was
aus meinen Leuten uud Pferden geworden. Vor meinem von
einer Kugel durchloͤcherten Zelte fand ich einen meiner Maul-
eſel erſchoſſen, in dem Zelte meine ſaͤmmtlichen Sachen zum
Aufladen bereit und einen fremden verwundeten Menſchen;
die Dienerſchaft aber mit acht Pferden war davon. Un-
ſere eigene irregulaire Reiterei war die erſte geweſen, welche
die Zelte pluͤnderte, wobei ſie von feindlicher Cavallerie ge-
ſtoͤrt zu ſein ſcheint. Der Tſchauſch, welcher mich im Ge-
fecht begleitete, hatte ſich auch etwas fruͤh fortgemacht,
ich traf ihn aber gluͤcklicher Weiſe ſpaͤter wieder, und un-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/408>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.