keinesweges so leicht gefunden werden, wie man darüber reden hört. Forts mit 40 Fuß hohen Mauern, wie die alten und die neuen Schlösser, mögen immerhin dominirt sein, man kann sich doch eine hübsche Weile drin verthei- digen, wenn man sonst nur Lust hat, und überdies sind die Schlösser Kunckaleh und Sultani-Hissar durchaus nicht überhöht.
Jch machte nun noch einen Ausflug nach Alexandra troas, den Ruinen einer Stadt, welche Antigonus, einer der Feldherren Alexanders des Großen, seinem Herrn zur Ehre nahe der Stelle gegründet hatte, wo die Rhede zwischen Tenedos und der flachen asiatischen Küste noch heute den größten Flotten einen guten Ankerplatz gewährt. Wir ritten an dem Grabe des Patroklus vorbei, von wel- chem ich mir einen Oelzweig mitnahm, längs des öden Sandufers, wo der Pelide um die schöne Briseis ge- trauert, nach dem Vorgebirge Sigeum zu, welches hinaus schaut auf das prachtvolle Meer und seine Jnseln, die rauh umstarrte Jmbros, die thracische Samos und Tene- dos, hinter welcher die Flotte der Achäer sich verbarg. Auf einem Hügel, der von Menschenhänden erbaut schien, lag ein griechisches Dorf, Aya-Dimitri, dessen dicht an einander gedrängte Häusermasse ein burgartiges Ansehen hat. Obwohl ich wußte, daß Pergamus nicht hier, son- dern landeinwärts gelegen, so machte es mir Vergnügen, mir vorzustellen, daß dies die viel durchwanderte Feste sei, und wahrscheinlich waren auch die von Göttern abstam- menden Helden nicht besser logirt als in diesen Lehmhütten. Die Gegend ist fast ohne Anbau, junge Kameele weiden in dem hohen dürren Grase, und nur einzeln stehende Pala- muts oder Färbeeichen schmücken die Flur.
Die Sonne senkte sich hinter einem schönen Gebirge herab, als wir unser Nachtquartier, ein großes türkisches Dorf, erreichten. Wir ritten zum Aeltesten des Dorfs, welcher uns mit der üblichen Gastfreiheit empfing: Ak- scham scherif ler heir olsun -- "möge dein ""edler""
keinesweges ſo leicht gefunden werden, wie man daruͤber reden hoͤrt. Forts mit 40 Fuß hohen Mauern, wie die alten und die neuen Schloͤſſer, moͤgen immerhin dominirt ſein, man kann ſich doch eine huͤbſche Weile drin verthei- digen, wenn man ſonſt nur Luſt hat, und uͤberdies ſind die Schloͤſſer Kunckaleh und Sultani-Hiſſar durchaus nicht uͤberhoͤht.
Jch machte nun noch einen Ausflug nach Alexandra troas, den Ruinen einer Stadt, welche Antigonus, einer der Feldherren Alexanders des Großen, ſeinem Herrn zur Ehre nahe der Stelle gegruͤndet hatte, wo die Rhede zwiſchen Tenedos und der flachen aſiatiſchen Kuͤſte noch heute den groͤßten Flotten einen guten Ankerplatz gewaͤhrt. Wir ritten an dem Grabe des Patroklus vorbei, von wel- chem ich mir einen Oelzweig mitnahm, laͤngs des oͤden Sandufers, wo der Pelide um die ſchoͤne Briſeis ge- trauert, nach dem Vorgebirge Sigeum zu, welches hinaus ſchaut auf das prachtvolle Meer und ſeine Jnſeln, die rauh umſtarrte Jmbros, die thraciſche Samos und Tene- dos, hinter welcher die Flotte der Achaͤer ſich verbarg. Auf einem Huͤgel, der von Menſchenhaͤnden erbaut ſchien, lag ein griechiſches Dorf, Aya-Dimitri, deſſen dicht an einander gedraͤngte Haͤuſermaſſe ein burgartiges Anſehen hat. Obwohl ich wußte, daß Pergamus nicht hier, ſon- dern landeinwaͤrts gelegen, ſo machte es mir Vergnuͤgen, mir vorzuſtellen, daß dies die viel durchwanderte Feſte ſei, und wahrſcheinlich waren auch die von Goͤttern abſtam- menden Helden nicht beſſer logirt als in dieſen Lehmhuͤtten. Die Gegend iſt faſt ohne Anbau, junge Kameele weiden in dem hohen duͤrren Graſe, und nur einzeln ſtehende Pala- muts oder Faͤrbeeichen ſchmuͤcken die Flur.
Die Sonne ſenkte ſich hinter einem ſchoͤnen Gebirge herab, als wir unſer Nachtquartier, ein großes tuͤrkiſches Dorf, erreichten. Wir ritten zum Aelteſten des Dorfs, welcher uns mit der uͤblichen Gaſtfreiheit empfing: Ak- scham scherif ler heïr olsun — „moͤge dein „„edler““
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0066"n="56"/>
keinesweges ſo leicht gefunden werden, wie man daruͤber<lb/>
reden hoͤrt. Forts mit 40 Fuß hohen Mauern, wie die<lb/>
alten und die neuen Schloͤſſer, moͤgen immerhin dominirt<lb/>ſein, man kann ſich doch eine huͤbſche Weile drin verthei-<lb/>
digen, wenn man ſonſt nur Luſt hat, und uͤberdies ſind<lb/>
die Schloͤſſer Kunckaleh und Sultani-Hiſſar durchaus nicht<lb/>
uͤberhoͤht.</p><lb/><p>Jch machte nun noch einen Ausflug nach Alexandra<lb/>
troas, den Ruinen einer Stadt, welche <hirendition="#g">Antigonus</hi>, einer<lb/>
der Feldherren <hirendition="#g">Alexanders</hi> des Großen, ſeinem Herrn<lb/>
zur Ehre nahe der Stelle gegruͤndet hatte, wo die Rhede<lb/>
zwiſchen Tenedos und der flachen aſiatiſchen Kuͤſte noch<lb/>
heute den groͤßten Flotten einen guten Ankerplatz gewaͤhrt.<lb/>
Wir ritten an dem Grabe des Patroklus vorbei, von wel-<lb/>
chem ich mir einen Oelzweig mitnahm, laͤngs des oͤden<lb/>
Sandufers, wo der <hirendition="#g">Pelide</hi> um die ſchoͤne <hirendition="#g">Briſeis</hi> ge-<lb/>
trauert, nach dem Vorgebirge Sigeum zu, welches hinaus<lb/>ſchaut auf das prachtvolle Meer und ſeine Jnſeln, die<lb/>
rauh umſtarrte Jmbros, die thraciſche Samos und Tene-<lb/>
dos, hinter welcher die Flotte der Achaͤer ſich verbarg.<lb/>
Auf einem Huͤgel, der von Menſchenhaͤnden erbaut ſchien,<lb/>
lag ein griechiſches Dorf, Aya-Dimitri, deſſen dicht an<lb/>
einander gedraͤngte Haͤuſermaſſe ein burgartiges Anſehen<lb/>
hat. Obwohl ich wußte, daß Pergamus nicht hier, ſon-<lb/>
dern landeinwaͤrts gelegen, ſo machte es mir Vergnuͤgen,<lb/>
mir vorzuſtellen, daß dies die viel durchwanderte Feſte ſei,<lb/>
und wahrſcheinlich waren auch die von Goͤttern abſtam-<lb/>
menden Helden nicht beſſer logirt als in dieſen Lehmhuͤtten.<lb/>
Die Gegend iſt faſt ohne Anbau, junge Kameele weiden in<lb/>
dem hohen duͤrren Graſe, und nur einzeln ſtehende Pala-<lb/>
muts oder Faͤrbeeichen ſchmuͤcken die Flur.</p><lb/><p>Die Sonne ſenkte ſich hinter einem ſchoͤnen Gebirge<lb/>
herab, als wir unſer Nachtquartier, ein großes tuͤrkiſches<lb/>
Dorf, erreichten. Wir ritten zum Aelteſten des Dorfs,<lb/>
welcher uns mit der uͤblichen Gaſtfreiheit empfing: <hirendition="#aq">Ak-<lb/>
scham scherif ler heïr olsun</hi>—„moͤge dein „„edler““<lb/></p></div></body></text></TEI>
[56/0066]
keinesweges ſo leicht gefunden werden, wie man daruͤber
reden hoͤrt. Forts mit 40 Fuß hohen Mauern, wie die
alten und die neuen Schloͤſſer, moͤgen immerhin dominirt
ſein, man kann ſich doch eine huͤbſche Weile drin verthei-
digen, wenn man ſonſt nur Luſt hat, und uͤberdies ſind
die Schloͤſſer Kunckaleh und Sultani-Hiſſar durchaus nicht
uͤberhoͤht.
Jch machte nun noch einen Ausflug nach Alexandra
troas, den Ruinen einer Stadt, welche Antigonus, einer
der Feldherren Alexanders des Großen, ſeinem Herrn
zur Ehre nahe der Stelle gegruͤndet hatte, wo die Rhede
zwiſchen Tenedos und der flachen aſiatiſchen Kuͤſte noch
heute den groͤßten Flotten einen guten Ankerplatz gewaͤhrt.
Wir ritten an dem Grabe des Patroklus vorbei, von wel-
chem ich mir einen Oelzweig mitnahm, laͤngs des oͤden
Sandufers, wo der Pelide um die ſchoͤne Briſeis ge-
trauert, nach dem Vorgebirge Sigeum zu, welches hinaus
ſchaut auf das prachtvolle Meer und ſeine Jnſeln, die
rauh umſtarrte Jmbros, die thraciſche Samos und Tene-
dos, hinter welcher die Flotte der Achaͤer ſich verbarg.
Auf einem Huͤgel, der von Menſchenhaͤnden erbaut ſchien,
lag ein griechiſches Dorf, Aya-Dimitri, deſſen dicht an
einander gedraͤngte Haͤuſermaſſe ein burgartiges Anſehen
hat. Obwohl ich wußte, daß Pergamus nicht hier, ſon-
dern landeinwaͤrts gelegen, ſo machte es mir Vergnuͤgen,
mir vorzuſtellen, daß dies die viel durchwanderte Feſte ſei,
und wahrſcheinlich waren auch die von Goͤttern abſtam-
menden Helden nicht beſſer logirt als in dieſen Lehmhuͤtten.
Die Gegend iſt faſt ohne Anbau, junge Kameele weiden in
dem hohen duͤrren Graſe, und nur einzeln ſtehende Pala-
muts oder Faͤrbeeichen ſchmuͤcken die Flur.
Die Sonne ſenkte ſich hinter einem ſchoͤnen Gebirge
herab, als wir unſer Nachtquartier, ein großes tuͤrkiſches
Dorf, erreichten. Wir ritten zum Aelteſten des Dorfs,
welcher uns mit der uͤblichen Gaſtfreiheit empfing: Ak-
scham scherif ler heïr olsun — „moͤge dein „„edler““
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/66>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.