nuesische Schlösser, mit Mauern und Thürmen umgeben, ragten auf den Jnseln und Vorgebirgen empor. Am frü- hen Morgen liefen wir in das von hohen Gebirgsgruppen umgebene weite Becken von Smyrna ein. Der Vollmond leuchtete noch, als schon der östliche Himmel sich dunkelroth färbte, wie wenn der asiatische Boden von der gestrigen Hitze noch glühte. Die Berge sind ganz kahl, von der Sonne verbrannt, aber von äußerst schönen Formen. Am Fuß derselben, längs des Meeres zieht sich ein grüner Streif von bebautem Land mit Weinbergen, Oliven, Maulbeerbäu- men und dunklen Cypressen hin. Die Dörfer und Häuser sind von Stein mit flachem Dach erbaut. Am Ende der Bucht zeigt sich nun Smyrna, welches amphitheatralisch an den hinterliegenden Bergen emporsteigt. Unten am Meere hinter den Schiffen erkennt man zuerst eine große Kaserne, eine Batterie, ein schönes Caravanseraj mit vielen Kuppeln, mehrere Moscheen und links die Frankenstadt mit steiner- nen Gebäuden. Jn zweiter Region zeigt sich die eigentlich türkische Stadt. Wenn eine Handvoll kleiner rother Häu- ser, einige Moscheen und Fontainen vom Himmel auf die Erde herabfielen, so könnte der Bauplan nicht bunter aus- fallen, als der dieser Stadt. Man erstaunt, daß man noch Wege und Fußsteige durch die Häusermasse findet. Hoch über das Ganze ragt das alte Schloß oder die Festung von Smyrna, welche in der fernsten Vorzeit erbaut, von den Genuesern mit Thürmen versehen ist, und welche die Türken jetzt verfallen lassen. Eine Trümmer auf demsel- ben Hügel wird die Schule des Homer genannt. Dahin- ter erheben sich die blauen Berge Kleinasiens.
Da die Hitze hier sehr groß ist, so eilte ich, mich ganz auf smyrniotische Art zu kleiden, d. h. in einen weißen Strohhut, weißleinene Jacke und Pantalons, Schuhe und Strümpfe. Die Leute sind hier so gescheut, diesen Anzug während des Sommers selbst in Gesellschaften nicht zu än- dern. Wenn ich Dir aber in meinem leichten Costüm auf einem Esel-Paßgänger, mit dem Halfterstrick in der einen
nueſiſche Schloͤſſer, mit Mauern und Thuͤrmen umgeben, ragten auf den Jnſeln und Vorgebirgen empor. Am fruͤ- hen Morgen liefen wir in das von hohen Gebirgsgruppen umgebene weite Becken von Smyrna ein. Der Vollmond leuchtete noch, als ſchon der oͤſtliche Himmel ſich dunkelroth faͤrbte, wie wenn der aſiatiſche Boden von der geſtrigen Hitze noch gluͤhte. Die Berge ſind ganz kahl, von der Sonne verbrannt, aber von aͤußerſt ſchoͤnen Formen. Am Fuß derſelben, laͤngs des Meeres zieht ſich ein gruͤner Streif von bebautem Land mit Weinbergen, Oliven, Maulbeerbaͤu- men und dunklen Cypreſſen hin. Die Doͤrfer und Haͤuſer ſind von Stein mit flachem Dach erbaut. Am Ende der Bucht zeigt ſich nun Smyrna, welches amphitheatraliſch an den hinterliegenden Bergen emporſteigt. Unten am Meere hinter den Schiffen erkennt man zuerſt eine große Kaſerne, eine Batterie, ein ſchoͤnes Caravanſeraj mit vielen Kuppeln, mehrere Moſcheen und links die Frankenſtadt mit ſteiner- nen Gebaͤuden. Jn zweiter Region zeigt ſich die eigentlich tuͤrkiſche Stadt. Wenn eine Handvoll kleiner rother Haͤu- ſer, einige Moſcheen und Fontainen vom Himmel auf die Erde herabfielen, ſo koͤnnte der Bauplan nicht bunter aus- fallen, als der dieſer Stadt. Man erſtaunt, daß man noch Wege und Fußſteige durch die Haͤuſermaſſe findet. Hoch uͤber das Ganze ragt das alte Schloß oder die Feſtung von Smyrna, welche in der fernſten Vorzeit erbaut, von den Genueſern mit Thuͤrmen verſehen iſt, und welche die Tuͤrken jetzt verfallen laſſen. Eine Truͤmmer auf demſel- ben Huͤgel wird die Schule des Homer genannt. Dahin- ter erheben ſich die blauen Berge Kleinaſiens.
Da die Hitze hier ſehr groß iſt, ſo eilte ich, mich ganz auf ſmyrniotiſche Art zu kleiden, d. h. in einen weißen Strohhut, weißleinene Jacke und Pantalons, Schuhe und Struͤmpfe. Die Leute ſind hier ſo geſcheut, dieſen Anzug waͤhrend des Sommers ſelbſt in Geſellſchaften nicht zu aͤn- dern. Wenn ich Dir aber in meinem leichten Coſtuͤm auf einem Eſel-Paßgaͤnger, mit dem Halfterſtrick in der einen
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nueſiſche Schloͤſſer, mit Mauern und Thuͤrmen umgeben,
ragten auf den Jnſeln und Vorgebirgen empor. Am fruͤ-
hen Morgen liefen wir in das von hohen Gebirgsgruppen
umgebene weite Becken von Smyrna ein. Der Vollmond
leuchtete noch, als ſchon der oͤſtliche Himmel ſich dunkelroth
faͤrbte, wie wenn der aſiatiſche Boden von der geſtrigen
Hitze noch gluͤhte. Die Berge ſind ganz kahl, von der
Sonne verbrannt, aber von aͤußerſt ſchoͤnen Formen. Am
Fuß derſelben, laͤngs des Meeres zieht ſich ein gruͤner Streif
von bebautem Land mit Weinbergen, Oliven, Maulbeerbaͤu-
men und dunklen Cypreſſen hin. Die Doͤrfer und Haͤuſer
ſind von Stein mit flachem Dach erbaut. Am Ende der
Bucht zeigt ſich nun Smyrna, welches amphitheatraliſch an
den hinterliegenden Bergen emporſteigt. Unten am Meere
hinter den Schiffen erkennt man zuerſt eine große Kaſerne,
eine Batterie, ein ſchoͤnes Caravanſeraj mit vielen Kuppeln,
mehrere Moſcheen und links die Frankenſtadt mit ſteiner-
nen Gebaͤuden. Jn zweiter Region zeigt ſich die eigentlich
tuͤrkiſche Stadt. Wenn eine Handvoll kleiner rother Haͤu-
ſer, einige Moſcheen und Fontainen vom Himmel auf die
Erde herabfielen, ſo koͤnnte der Bauplan nicht bunter aus-
fallen, als der dieſer Stadt. Man erſtaunt, daß man noch
Wege und Fußſteige durch die Haͤuſermaſſe findet. Hoch
uͤber das Ganze ragt das alte Schloß oder die Feſtung
von Smyrna, welche in der fernſten Vorzeit erbaut, von
den Genueſern mit Thuͤrmen verſehen iſt, und welche die
Tuͤrken jetzt verfallen laſſen. Eine Truͤmmer auf demſel-
ben Huͤgel wird die Schule des Homer genannt. Dahin-
ter erheben ſich die blauen Berge Kleinaſiens.
Da die Hitze hier ſehr groß iſt, ſo eilte ich, mich ganz
auf ſmyrniotiſche Art zu kleiden, d. h. in einen weißen
Strohhut, weißleinene Jacke und Pantalons, Schuhe und
Struͤmpfe. Die Leute ſind hier ſo geſcheut, dieſen Anzug
waͤhrend des Sommers ſelbſt in Geſellſchaften nicht zu aͤn-
dern. Wenn ich Dir aber in meinem leichten Coſtuͤm auf
einem Eſel-Paßgaͤnger, mit dem Halfterſtrick in der einen
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/81>, abgerufen am 24.11.2024.
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