schen Nautik geben. Kaum waren wir eine Stunde von dem Hafen entfernt, als wir Abends 7 Uhr wieder einmal strandeten. Wir warfen die Anker hinter dem Schiffe aus, und arbeiteten, um loszukommen, aber umsonst. Es mußte das Wasser aus dem Kessel gelassen werden, wodurch das Schiff sehr erleichtert wird, und bald nach Mitternacht wurden wir wieder flott. Nun mußten die Anker gefischt, der Kessel gefüllt und der Heerd geheizt werden. Gegen Morgen war Alles so weit fertig, und die Maschine sollte in Gang gesetzt werden. Jch muß hier bemerken, daß ein Dampfkessel, der mit Meerwasser gespeiset wird, wegen der bei jeder Fahrt sich ansetzenden Salzkruste, in der Regel nur vier bis fünf Jahre Dauer gewährt; der unsrige war aber bereits neun Jahre alt, und die sublime Pforte hatte, trotz der Vorstellung des Capitains, in ihrer Weisheit be- schlossen, daß er noch ein paar Jahre halten müsse. Der Kessel dachte darüber anders; schon auf der Hinreise hatte er zwei Löcher bekommen; Jedermann versprach sich wenig Gutes, und war auf seiner Hut. Als wir uns nun eben in Bewegung setzten sollten, platzte der Kessel; man hatte demselben auf seine alten Tage nie mehr als höchstens die Hälfte des Drucks zugemuthet, auf welchen er ursprüng- lich berechnet gewesen, die Explosion war daher lange nicht so groß, als ich erwartete. Ohnehin war der Sprung auf der untern Seite, das Feuer erlosch sogleich, und in einem Augenblick war der Raum, in welchem die Maschine arbei- tet, mit Dampf und siedendem Wasser angefüllt. Die Leute sprangen auf das Gestell der Maschinen, und zum sehr gro- ßen Glück kam kein Mensch dabei zu Schaden, als der Ca- pitain, welchem die Füße verbrüht wurden.
Wir kehrten nach Smyrna zurück und ich schiffte mich auf ein österreichisches Dampfschiff ein, welches denselben Abend noch abging. Als wir an den Dardanellen vorüber- fuhren, erblickten wir statt des Städtchens Tschanak-Ka- lessi nur eine weite rauchende Brandstätte. Das Feuer hatte am Tage vorher mehrere hundert Häuser, die Woh-
ſchen Nautik geben. Kaum waren wir eine Stunde von dem Hafen entfernt, als wir Abends 7 Uhr wieder einmal ſtrandeten. Wir warfen die Anker hinter dem Schiffe aus, und arbeiteten, um loszukommen, aber umſonſt. Es mußte das Waſſer aus dem Keſſel gelaſſen werden, wodurch das Schiff ſehr erleichtert wird, und bald nach Mitternacht wurden wir wieder flott. Nun mußten die Anker gefiſcht, der Keſſel gefuͤllt und der Heerd geheizt werden. Gegen Morgen war Alles ſo weit fertig, und die Maſchine ſollte in Gang geſetzt werden. Jch muß hier bemerken, daß ein Dampfkeſſel, der mit Meerwaſſer geſpeiſet wird, wegen der bei jeder Fahrt ſich anſetzenden Salzkruſte, in der Regel nur vier bis fuͤnf Jahre Dauer gewaͤhrt; der unſrige war aber bereits neun Jahre alt, und die ſublime Pforte hatte, trotz der Vorſtellung des Capitains, in ihrer Weisheit be- ſchloſſen, daß er noch ein paar Jahre halten muͤſſe. Der Keſſel dachte daruͤber anders; ſchon auf der Hinreiſe hatte er zwei Loͤcher bekommen; Jedermann verſprach ſich wenig Gutes, und war auf ſeiner Hut. Als wir uns nun eben in Bewegung ſetzten ſollten, platzte der Keſſel; man hatte demſelben auf ſeine alten Tage nie mehr als hoͤchſtens die Haͤlfte des Drucks zugemuthet, auf welchen er urſpruͤng- lich berechnet geweſen, die Exploſion war daher lange nicht ſo groß, als ich erwartete. Ohnehin war der Sprung auf der untern Seite, das Feuer erloſch ſogleich, und in einem Augenblick war der Raum, in welchem die Maſchine arbei- tet, mit Dampf und ſiedendem Waſſer angefuͤllt. Die Leute ſprangen auf das Geſtell der Maſchinen, und zum ſehr gro- ßen Gluͤck kam kein Menſch dabei zu Schaden, als der Ca- pitain, welchem die Fuͤße verbruͤht wurden.
Wir kehrten nach Smyrna zuruͤck und ich ſchiffte mich auf ein oͤſterreichiſches Dampfſchiff ein, welches denſelben Abend noch abging. Als wir an den Dardanellen voruͤber- fuhren, erblickten wir ſtatt des Staͤdtchens Tſchanak-Ka- leſſi nur eine weite rauchende Brandſtaͤtte. Das Feuer hatte am Tage vorher mehrere hundert Haͤuſer, die Woh-
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ſchen Nautik geben. Kaum waren wir eine Stunde von
dem Hafen entfernt, als wir Abends 7 Uhr wieder einmal
ſtrandeten. Wir warfen die Anker hinter dem Schiffe aus,
und arbeiteten, um loszukommen, aber umſonſt. Es mußte
das Waſſer aus dem Keſſel gelaſſen werden, wodurch das
Schiff ſehr erleichtert wird, und bald nach Mitternacht
wurden wir wieder flott. Nun mußten die Anker gefiſcht,
der Keſſel gefuͤllt und der Heerd geheizt werden. Gegen
Morgen war Alles ſo weit fertig, und die Maſchine ſollte
in Gang geſetzt werden. Jch muß hier bemerken, daß ein
Dampfkeſſel, der mit Meerwaſſer geſpeiſet wird, wegen der
bei jeder Fahrt ſich anſetzenden Salzkruſte, in der Regel
nur vier bis fuͤnf Jahre Dauer gewaͤhrt; der unſrige war
aber bereits neun Jahre alt, und die ſublime Pforte hatte,
trotz der Vorſtellung des Capitains, in ihrer Weisheit be-
ſchloſſen, daß er noch ein paar Jahre halten muͤſſe. Der
Keſſel dachte daruͤber anders; ſchon auf der Hinreiſe hatte
er zwei Loͤcher bekommen; Jedermann verſprach ſich wenig
Gutes, und war auf ſeiner Hut. Als wir uns nun eben
in Bewegung ſetzten ſollten, platzte der Keſſel; man hatte
demſelben auf ſeine alten Tage nie mehr als hoͤchſtens die
Haͤlfte des Drucks zugemuthet, auf welchen er urſpruͤng-
lich berechnet geweſen, die Exploſion war daher lange nicht
ſo groß, als ich erwartete. Ohnehin war der Sprung auf
der untern Seite, das Feuer erloſch ſogleich, und in einem
Augenblick war der Raum, in welchem die Maſchine arbei-
tet, mit Dampf und ſiedendem Waſſer angefuͤllt. Die Leute
ſprangen auf das Geſtell der Maſchinen, und zum ſehr gro-
ßen Gluͤck kam kein Menſch dabei zu Schaden, als der Ca-
pitain, welchem die Fuͤße verbruͤht wurden.
Wir kehrten nach Smyrna zuruͤck und ich ſchiffte mich
auf ein oͤſterreichiſches Dampfſchiff ein, welches denſelben
Abend noch abging. Als wir an den Dardanellen voruͤber-
fuhren, erblickten wir ſtatt des Staͤdtchens Tſchanak-Ka-
leſſi nur eine weite rauchende Brandſtaͤtte. Das Feuer
hatte am Tage vorher mehrere hundert Haͤuſer, die Woh-
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/84>, abgerufen am 24.11.2024.
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