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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Wolken im Winter und Frühjahr eine ungeheuere Wasser-
menge in Gestalt von Schnee und Regen absetzen. Dies
Wasser wird in große künstliche Behälter gesammelt, indem
man eine starke Mauer quer durch ein Thal führt und so
hinter derselben eine Anstauung bewirkt. Ein solches Re-
servoir heißt "Bend", ein persisches Wort, das sich eigent-
lich auf die Mauer oder das Wehr bezieht und gleichbedeu-
tend ist mit dem deutschen "Band".

Die Bedingungen, um einen Bend anlegen zu können,
sind, daß die Thalwände hoch genug seien, damit man viel
Wassertiefe und wenig Verdampfungsfläche erlange, daß sie
einigermaßen steil und nahe aneinander treten, damit die
Mauer nicht zu lang und zu kostbar werde, daß dicht hin-
ter derselben die Thalsohle wenig Gefälle habe, damit die
Anstauung weit hinauf reiche, daß endlich das obere Thal
viele und weite Verzweigungen besitze, folglich starken Zu-
fluß gewähre, und im Allgemeinen hoch genug liege, da-
mit das Wasser mit starkem Gefälle abfließen könne.

Die Mauern, welche eine so bedeutende Wassermasse
zurückhalten sollen, sind 80, selbst 120 Schritt lang, 30
bis 40 Fuß hoch und 25 bis 30 Fuß dick, sie sind aus
Quadern erbaut, im Jnnern mit Kalk und rohen Steinen
ausgefüllt und äußerlich oft mit Marmor bekleidet, mit Jn-
schriften und Kiosken geschmückt.

Wenn im Frühjahre der Bend gefüllt ist, so findet das
noch ferner zuströmende Wasser seinen Abfluß durch eine
Oeffnung im obern Theil des Wehrs, und wird mittelst
gemauerter Rinnen in den natürlichen Thalweg geleitet.
Unten in der Mitte der Mauer hingegen befindet sich ein
Portal oder Gewölbe, der "Tackim" oder die Vertheilung
genannt, wo durch eine bestimmte Zahl von 11/2 Zoll wei-
ten Röhren (Luleh oder Maaß) dasjenige Quantum Was-
ser aus dem Teich eintritt, mit welchem die Leitung stätig
gespeiset werden soll. Die Zahl der Luleh hängt natürlich
von der Größe des überhaupt vorhandenen Wasserschatzes
ab, welcher 8 bis 9 Monate vorhalten soll, wobei noch zu

Wolken im Winter und Fruͤhjahr eine ungeheuere Waſſer-
menge in Geſtalt von Schnee und Regen abſetzen. Dies
Waſſer wird in große kuͤnſtliche Behaͤlter geſammelt, indem
man eine ſtarke Mauer quer durch ein Thal fuͤhrt und ſo
hinter derſelben eine Anſtauung bewirkt. Ein ſolches Re-
ſervoir heißt „Bend“, ein perſiſches Wort, das ſich eigent-
lich auf die Mauer oder das Wehr bezieht und gleichbedeu-
tend iſt mit dem deutſchen „Band“.

Die Bedingungen, um einen Bend anlegen zu koͤnnen,
ſind, daß die Thalwaͤnde hoch genug ſeien, damit man viel
Waſſertiefe und wenig Verdampfungsflaͤche erlange, daß ſie
einigermaßen ſteil und nahe aneinander treten, damit die
Mauer nicht zu lang und zu koſtbar werde, daß dicht hin-
ter derſelben die Thalſohle wenig Gefaͤlle habe, damit die
Anſtauung weit hinauf reiche, daß endlich das obere Thal
viele und weite Verzweigungen beſitze, folglich ſtarken Zu-
fluß gewaͤhre, und im Allgemeinen hoch genug liege, da-
mit das Waſſer mit ſtarkem Gefaͤlle abfließen koͤnne.

Die Mauern, welche eine ſo bedeutende Waſſermaſſe
zuruͤckhalten ſollen, ſind 80, ſelbſt 120 Schritt lang, 30
bis 40 Fuß hoch und 25 bis 30 Fuß dick, ſie ſind aus
Quadern erbaut, im Jnnern mit Kalk und rohen Steinen
ausgefuͤllt und aͤußerlich oft mit Marmor bekleidet, mit Jn-
ſchriften und Kiosken geſchmuͤckt.

Wenn im Fruͤhjahre der Bend gefuͤllt iſt, ſo findet das
noch ferner zuſtroͤmende Waſſer ſeinen Abfluß durch eine
Oeffnung im obern Theil des Wehrs, und wird mittelſt
gemauerter Rinnen in den natuͤrlichen Thalweg geleitet.
Unten in der Mitte der Mauer hingegen befindet ſich ein
Portal oder Gewoͤlbe, der „Tackim“ oder die Vertheilung
genannt, wo durch eine beſtimmte Zahl von 1½ Zoll wei-
ten Roͤhren (Luleh oder Maaß) dasjenige Quantum Waſ-
ſer aus dem Teich eintritt, mit welchem die Leitung ſtaͤtig
geſpeiſet werden ſoll. Die Zahl der Luleh haͤngt natuͤrlich
von der Groͤße des uͤberhaupt vorhandenen Waſſerſchatzes
ab, welcher 8 bis 9 Monate vorhalten ſoll, wobei noch zu

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[86/0096] Wolken im Winter und Fruͤhjahr eine ungeheuere Waſſer- menge in Geſtalt von Schnee und Regen abſetzen. Dies Waſſer wird in große kuͤnſtliche Behaͤlter geſammelt, indem man eine ſtarke Mauer quer durch ein Thal fuͤhrt und ſo hinter derſelben eine Anſtauung bewirkt. Ein ſolches Re- ſervoir heißt „Bend“, ein perſiſches Wort, das ſich eigent- lich auf die Mauer oder das Wehr bezieht und gleichbedeu- tend iſt mit dem deutſchen „Band“. Die Bedingungen, um einen Bend anlegen zu koͤnnen, ſind, daß die Thalwaͤnde hoch genug ſeien, damit man viel Waſſertiefe und wenig Verdampfungsflaͤche erlange, daß ſie einigermaßen ſteil und nahe aneinander treten, damit die Mauer nicht zu lang und zu koſtbar werde, daß dicht hin- ter derſelben die Thalſohle wenig Gefaͤlle habe, damit die Anſtauung weit hinauf reiche, daß endlich das obere Thal viele und weite Verzweigungen beſitze, folglich ſtarken Zu- fluß gewaͤhre, und im Allgemeinen hoch genug liege, da- mit das Waſſer mit ſtarkem Gefaͤlle abfließen koͤnne. Die Mauern, welche eine ſo bedeutende Waſſermaſſe zuruͤckhalten ſollen, ſind 80, ſelbſt 120 Schritt lang, 30 bis 40 Fuß hoch und 25 bis 30 Fuß dick, ſie ſind aus Quadern erbaut, im Jnnern mit Kalk und rohen Steinen ausgefuͤllt und aͤußerlich oft mit Marmor bekleidet, mit Jn- ſchriften und Kiosken geſchmuͤckt. Wenn im Fruͤhjahre der Bend gefuͤllt iſt, ſo findet das noch ferner zuſtroͤmende Waſſer ſeinen Abfluß durch eine Oeffnung im obern Theil des Wehrs, und wird mittelſt gemauerter Rinnen in den natuͤrlichen Thalweg geleitet. Unten in der Mitte der Mauer hingegen befindet ſich ein Portal oder Gewoͤlbe, der „Tackim“ oder die Vertheilung genannt, wo durch eine beſtimmte Zahl von 1½ Zoll wei- ten Roͤhren (Luleh oder Maaß) dasjenige Quantum Waſ- ſer aus dem Teich eintritt, mit welchem die Leitung ſtaͤtig geſpeiſet werden ſoll. Die Zahl der Luleh haͤngt natuͤrlich von der Groͤße des uͤberhaupt vorhandenen Waſſerſchatzes ab, welcher 8 bis 9 Monate vorhalten ſoll, wobei noch zu

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/96>, abgerufen am 22.11.2024.