Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite
KAPITEL X.


Die Hellenen und Punier in Italien. Seeherrschaft
der Tusker und Karthager
.

Die älteste griechische Urkunde, die homerischen Ge-
sänge wissen in ihren alten Theilen von Italien und Sicilien
nichts Bestimmtes zu berichten. Ihr Horizont reicht nicht
hinaus über das östliche Becken des Mittelmeers. Aus dem
Westland mochten verirrte Schiffer die erste Nachricht von
der Existenz desselben, den Namen der Siculer und etwa
noch Kunde von Meeresstrudeln und feuerspeienden Inseln
heimgebracht haben; Mährchenerzähler und Dichter füllten
sodann die leeren Räume mit ihren luftigen Gestalten. Aber
schon als die hesiodische Theogonie entstand, scheint das
ganze Gestade Italiens den Hellenen bekannt gewesen zu sein
und nicht viel später mögen sie begonnen haben sich dort
anzusiedeln.

Dass die ältesten hellenischen Einwanderer des Westens
aus Kleinasien gekommen sind, wo zuerst bei den Griechen
der überseeische Handel aufblühte, darf nicht bezweifelt wer-
den. Deutlicher als Sagen und Namengleichheit zeugt dafür
das Gewichtsystem, das in Grossgriechenland nicht dem in
Attika und im Peloponnes vor Solon gebräuchlichen, sondern
dem persischen folgt; denn in Kyme und den achaeischen
Staaten ist der doppelte Golddareikos, in Rhegion, Zankle,
Himera, Naxos der persische Silberdareikos die Münzeinheit.
-- Für die älteste namhafte Ansiedlung im Westland galt
offenbar schon dem Thukydides Kyme; gewiss mit Recht.

KAPITEL X.


Die Hellenen und Punier in Italien. Seeherrschaft
der Tusker und Karthager
.

Die älteste griechische Urkunde, die homerischen Ge-
sänge wissen in ihren alten Theilen von Italien und Sicilien
nichts Bestimmtes zu berichten. Ihr Horizont reicht nicht
hinaus über das östliche Becken des Mittelmeers. Aus dem
Westland mochten verirrte Schiffer die erste Nachricht von
der Existenz desselben, den Namen der Siculer und etwa
noch Kunde von Meeresstrudeln und feuerspeienden Inseln
heimgebracht haben; Mährchenerzähler und Dichter füllten
sodann die leeren Räume mit ihren luftigen Gestalten. Aber
schon als die hesiodische Theogonie entstand, scheint das
ganze Gestade Italiens den Hellenen bekannt gewesen zu sein
und nicht viel später mögen sie begonnen haben sich dort
anzusiedeln.

Daſs die ältesten hellenischen Einwanderer des Westens
aus Kleinasien gekommen sind, wo zuerst bei den Griechen
der überseeische Handel aufblühte, darf nicht bezweifelt wer-
den. Deutlicher als Sagen und Namengleichheit zeugt dafür
das Gewichtsystem, das in Groſsgriechenland nicht dem in
Attika und im Peloponnes vor Solon gebräuchlichen, sondern
dem persischen folgt; denn in Kyme und den achaeischen
Staaten ist der doppelte Golddareikos, in Rhegion, Zankle,
Himera, Naxos der persische Silberdareikos die Münzeinheit.
— Für die älteste namhafte Ansiedlung im Westland galt
offenbar schon dem Thukydides Kyme; gewiſs mit Recht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0102" n="[88]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">KAPITEL</hi> X.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <argument>
            <p><hi rendition="#g">Die Hellenen und Punier in Italien</hi>. <hi rendition="#g">Seeherrschaft<lb/>
der Tusker und Karthager</hi>.</p>
          </argument><lb/>
          <p>Die älteste griechische Urkunde, die homerischen Ge-<lb/>
sänge wissen in ihren alten Theilen von Italien und Sicilien<lb/>
nichts Bestimmtes zu berichten. Ihr Horizont reicht nicht<lb/>
hinaus über das östliche Becken des Mittelmeers. Aus dem<lb/>
Westland mochten verirrte Schiffer die erste Nachricht von<lb/>
der Existenz desselben, den Namen der Siculer und etwa<lb/>
noch Kunde von Meeresstrudeln und feuerspeienden Inseln<lb/>
heimgebracht haben; Mährchenerzähler und Dichter füllten<lb/>
sodann die leeren Räume mit ihren luftigen Gestalten. Aber<lb/>
schon als die hesiodische Theogonie entstand, scheint das<lb/>
ganze Gestade Italiens den Hellenen bekannt gewesen zu sein<lb/>
und nicht viel später mögen sie begonnen haben sich dort<lb/>
anzusiedeln.</p><lb/>
          <p>Da&#x017F;s die ältesten hellenischen Einwanderer des Westens<lb/>
aus Kleinasien gekommen sind, wo zuerst bei den Griechen<lb/>
der überseeische Handel aufblühte, darf nicht bezweifelt wer-<lb/>
den. Deutlicher als Sagen und Namengleichheit zeugt dafür<lb/>
das Gewichtsystem, das in Gro&#x017F;sgriechenland nicht dem in<lb/>
Attika und im Peloponnes vor Solon gebräuchlichen, sondern<lb/>
dem persischen folgt; denn in Kyme und den achaeischen<lb/>
Staaten ist der doppelte Golddareikos, in Rhegion, Zankle,<lb/>
Himera, Naxos der persische Silberdareikos die Münzeinheit.<lb/>
&#x2014; Für die älteste namhafte Ansiedlung im Westland galt<lb/>
offenbar schon dem Thukydides Kyme; gewi&#x017F;s mit Recht.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[88]/0102] KAPITEL X. Die Hellenen und Punier in Italien. Seeherrschaft der Tusker und Karthager. Die älteste griechische Urkunde, die homerischen Ge- sänge wissen in ihren alten Theilen von Italien und Sicilien nichts Bestimmtes zu berichten. Ihr Horizont reicht nicht hinaus über das östliche Becken des Mittelmeers. Aus dem Westland mochten verirrte Schiffer die erste Nachricht von der Existenz desselben, den Namen der Siculer und etwa noch Kunde von Meeresstrudeln und feuerspeienden Inseln heimgebracht haben; Mährchenerzähler und Dichter füllten sodann die leeren Räume mit ihren luftigen Gestalten. Aber schon als die hesiodische Theogonie entstand, scheint das ganze Gestade Italiens den Hellenen bekannt gewesen zu sein und nicht viel später mögen sie begonnen haben sich dort anzusiedeln. Daſs die ältesten hellenischen Einwanderer des Westens aus Kleinasien gekommen sind, wo zuerst bei den Griechen der überseeische Handel aufblühte, darf nicht bezweifelt wer- den. Deutlicher als Sagen und Namengleichheit zeugt dafür das Gewichtsystem, das in Groſsgriechenland nicht dem in Attika und im Peloponnes vor Solon gebräuchlichen, sondern dem persischen folgt; denn in Kyme und den achaeischen Staaten ist der doppelte Golddareikos, in Rhegion, Zankle, Himera, Naxos der persische Silberdareikos die Münzeinheit. — Für die älteste namhafte Ansiedlung im Westland galt offenbar schon dem Thukydides Kyme; gewiſs mit Recht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/102
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. [88]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/102>, abgerufen am 21.11.2024.