ward der Ackerbau, bei aller in seinem Wesen liegenden Stabilität, doch intensiv und intelligent getrieben; die gemüth- liche Anhänglichkeit an die ererbte Scholle und an die mit ihr überkommene Weise der Bestellung ist dem praktischen Italiener fremd. So mag namentlich das Berieselungssystem schon früh eingeführt sein und mit den ersten Anfängen der römischen Wissenschaft finden wir gleich eine theoretische Behandlung des Ackerbaus. Für den Römer, auch für den reichen, galt es, sagt Cato, als das höchste Lob ein guter Bauer zu heissen.
Dass der Ackerbau in Rom wohl das erste und ausge- dehnteste Gewerbe war, daneben aber andere Zweige der In- dustrie nicht gefehlt haben, folgt schon aus der frühen Ent- wicklung des städtischen Lebens in diesem Emporium der Latiner, und in der That werden unter den Institutionen des Königs Numa, das heisst unter den seit unvordenklicher Zeit in Rom bestehenden Einrichtungen acht Handwerkerzünfte aufgezählt: der Flötenbläser, der Goldschmiede, der Kupfer- schmiede, der Zimmerleute, der Walker, der Färber, der Töpfer, der Schuster -- womit wohl in der That für die älteste Zeit, wo man das Brotbacken und die gewerbmässige Arzneikunst noch nicht kannte und die Frauen des Hauses die Wolle zu den Kleidern selber spannen, der Kreis der auf Bestellung für fremde Rechnung arbeitenden Gewerke im Wesentlichen erschöpft sein wird. Für das städtische Leben Roms und seine Stellung zu der latinischen Landschaft müssen diese Gewerkschaften in der ältesten Periode von grosser Be- deutung gewesen sein, die nicht abgemessen werden darf nach den späteren durch die Masse der für den Herrn oder auf seine Rechnung arbeitenden Handwerkersclaven und die stei- gende Einfuhr von Luxuswaaren gedrückten Verhältnissen des römischen Handwerks. Vom Waffenrecht indess blieben diese Industriellen durchgängig ausgeschlossen, ausser insofern aus den Zimmerleuten, den Kupferschmieden und gewissen Klassen der Musikanten eigene militärisch organisirte Abtheilungen dem Heer beigegeben wurden, und in Folge dessen behielten die Gewerke eine politisch untergeordnete Stellung. Die Einrich- tung der Zünfte hatte ohne Zweifel denselben Zweck wie die der auch im Namen ihnen gleichenden Priestergemeinschaften; die Sachverständigen thaten sich zusammen, um die Tradition fester und sicherer zu bewahren. Dass unkundige Leute in irgend einer Weise ferngehalten wurden, ist wahrscheinlich; doch finden sich keine Spuren weder monopolistischer Ten-
ACKERBAU, GEWERBE UND HANDEL.
ward der Ackerbau, bei aller in seinem Wesen liegenden Stabilität, doch intensiv und intelligent getrieben; die gemüth- liche Anhänglichkeit an die ererbte Scholle und an die mit ihr überkommene Weise der Bestellung ist dem praktischen Italiener fremd. So mag namentlich das Berieselungssystem schon früh eingeführt sein und mit den ersten Anfängen der römischen Wissenschaft finden wir gleich eine theoretische Behandlung des Ackerbaus. Für den Römer, auch für den reichen, galt es, sagt Cato, als das höchste Lob ein guter Bauer zu heiſsen.
Daſs der Ackerbau in Rom wohl das erste und ausge- dehnteste Gewerbe war, daneben aber andere Zweige der In- dustrie nicht gefehlt haben, folgt schon aus der frühen Ent- wicklung des städtischen Lebens in diesem Emporium der Latiner, und in der That werden unter den Institutionen des Königs Numa, das heiſst unter den seit unvordenklicher Zeit in Rom bestehenden Einrichtungen acht Handwerkerzünfte aufgezählt: der Flötenbläser, der Goldschmiede, der Kupfer- schmiede, der Zimmerleute, der Walker, der Färber, der Töpfer, der Schuster — womit wohl in der That für die älteste Zeit, wo man das Brotbacken und die gewerbmäſsige Arzneikunst noch nicht kannte und die Frauen des Hauses die Wolle zu den Kleidern selber spannen, der Kreis der auf Bestellung für fremde Rechnung arbeitenden Gewerke im Wesentlichen erschöpft sein wird. Für das städtische Leben Roms und seine Stellung zu der latinischen Landschaft müssen diese Gewerkschaften in der ältesten Periode von groſser Be- deutung gewesen sein, die nicht abgemessen werden darf nach den späteren durch die Masse der für den Herrn oder auf seine Rechnung arbeitenden Handwerkersclaven und die stei- gende Einfuhr von Luxuswaaren gedrückten Verhältnissen des römischen Handwerks. Vom Waffenrecht indeſs blieben diese Industriellen durchgängig ausgeschlossen, auſser insofern aus den Zimmerleuten, den Kupferschmieden und gewissen Klassen der Musikanten eigene militärisch organisirte Abtheilungen dem Heer beigegeben wurden, und in Folge dessen behielten die Gewerke eine politisch untergeordnete Stellung. Die Einrich- tung der Zünfte hatte ohne Zweifel denselben Zweck wie die der auch im Namen ihnen gleichenden Priestergemeinschaften; die Sachverständigen thaten sich zusammen, um die Tradition fester und sicherer zu bewahren. Daſs unkundige Leute in irgend einer Weise ferngehalten wurden, ist wahrscheinlich; doch finden sich keine Spuren weder monopolistischer Ten-
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ACKERBAU, GEWERBE UND HANDEL.
ward der Ackerbau, bei aller in seinem Wesen liegenden
Stabilität, doch intensiv und intelligent getrieben; die gemüth-
liche Anhänglichkeit an die ererbte Scholle und an die mit ihr
überkommene Weise der Bestellung ist dem praktischen Italiener
fremd. So mag namentlich das Berieselungssystem schon früh
eingeführt sein und mit den ersten Anfängen der römischen
Wissenschaft finden wir gleich eine theoretische Behandlung des
Ackerbaus. Für den Römer, auch für den reichen, galt es, sagt
Cato, als das höchste Lob ein guter Bauer zu heiſsen.
Daſs der Ackerbau in Rom wohl das erste und ausge-
dehnteste Gewerbe war, daneben aber andere Zweige der In-
dustrie nicht gefehlt haben, folgt schon aus der frühen Ent-
wicklung des städtischen Lebens in diesem Emporium der
Latiner, und in der That werden unter den Institutionen des
Königs Numa, das heiſst unter den seit unvordenklicher Zeit
in Rom bestehenden Einrichtungen acht Handwerkerzünfte
aufgezählt: der Flötenbläser, der Goldschmiede, der Kupfer-
schmiede, der Zimmerleute, der Walker, der Färber, der
Töpfer, der Schuster — womit wohl in der That für die
älteste Zeit, wo man das Brotbacken und die gewerbmäſsige
Arzneikunst noch nicht kannte und die Frauen des Hauses
die Wolle zu den Kleidern selber spannen, der Kreis der auf
Bestellung für fremde Rechnung arbeitenden Gewerke im
Wesentlichen erschöpft sein wird. Für das städtische Leben
Roms und seine Stellung zu der latinischen Landschaft müssen
diese Gewerkschaften in der ältesten Periode von groſser Be-
deutung gewesen sein, die nicht abgemessen werden darf nach
den späteren durch die Masse der für den Herrn oder auf
seine Rechnung arbeitenden Handwerkersclaven und die stei-
gende Einfuhr von Luxuswaaren gedrückten Verhältnissen des
römischen Handwerks. Vom Waffenrecht indeſs blieben diese
Industriellen durchgängig ausgeschlossen, auſser insofern aus
den Zimmerleuten, den Kupferschmieden und gewissen Klassen
der Musikanten eigene militärisch organisirte Abtheilungen dem
Heer beigegeben wurden, und in Folge dessen behielten die
Gewerke eine politisch untergeordnete Stellung. Die Einrich-
tung der Zünfte hatte ohne Zweifel denselben Zweck wie die
der auch im Namen ihnen gleichenden Priestergemeinschaften;
die Sachverständigen thaten sich zusammen, um die Tradition
fester und sicherer zu bewahren. Daſs unkundige Leute in
irgend einer Weise ferngehalten wurden, ist wahrscheinlich;
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/141>, abgerufen am 24.11.2024.
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