rien behauptet. Allein als der gesammte tuskische Bund, die Verwirrung und die Schwäche des römischen Staats nach der Vertreibung der Tarquinier benutzend, jetzt unter dem König Larth Porsena von Clusium seinen Angriff mächtiger als zuvor erneuerte, fand er nicht ferner den gewohnten Widerstand; Rom capitulirte und trat im Frieden (angeblich 246) nicht bloss alle Besitzungen am rechten Tiberufer an die nächst- liegenden tuskischen Gemeinden ab und gab also die aus- schliessliche Herrschaft über den Strom auf, sondern lieferte auch dem Sieger seine sämmtlichen Waffen aus und verpflich- tete sich fortan des Eisens nur zur Pflugschaar sich zu be- dienen. Es schien, als könne die Einigung Italiens unter tuskischer Suprematie nicht mehr fern sein.
Allein die Gefahr, welche die Coalition der etruskischen und karthagischen Nation über die Griechen wie die Italiker gebracht hatte, ward glücklich beschworen durch die enge Verbündung der durch Stammverwandtschaft wie durch die gemeinsame Gefahr auf einander angewiesenen Völker. Zu- nächst fand das etruskische Heer, das nach Roms Fall in Latium eingedrungen war und vor den Mauern von Aricia stand, hier die Grenze seiner Siegesbahn durch die rechtzei- tige Hülfe der Kymaeer, die den Latinern zu Hülfe eilten (247). Wir wissen nicht, wie der Kampf endigte und nament- lich nicht, ob es Rom gelang sich sofort des verderblichen und schimpflichen Friedens zu entledigen; gewiss ist nur, dass die Tusker auch diesmal auf dem linken Tiberufer auf längere Zeit sich zu behaupten nicht vermochten.
Aber die hellenische Nation ward bald zu einem ent- scheidenderen Kampf gegen die Barbaren des Westens wie des Ostens genöthigt. Es war um die Zeit der Perserkriege. Die Stellung der Tyrier zu dem Grosskönig führte auch Kar- thago in die Bahnen der persischen Politik -- wie denn selbst ein Bündniss zwischen den Karthagern und Xerxes glaubwür- dig überliefert ist -- und mit den Karthagern die Etrusker. Es war eine der grossartigsten politischen Combinationen, die gleichzeitig die asiatischen Schaaren auf Griechenland, die punischen auf Sicilien warf, um mit einem Schlag die Freiheit und die Civilisation vom Angesicht der Erde zu vertilgen. Der Sieg blieb den Hellenen. Die Schlacht bei Salamis (274 der Stadt) rettete und rächte sie im Osten; und an demselben Tag -- so wird erzählt -- besiegten die Herren von Syra- kus und Akragas, Gelon und Theron das ungeheure Heer des
ZWEITES BUCH. KAPITEL IV.
rien behauptet. Allein als der gesammte tuskische Bund, die Verwirrung und die Schwäche des römischen Staats nach der Vertreibung der Tarquinier benutzend, jetzt unter dem König Larth Porsena von Clusium seinen Angriff mächtiger als zuvor erneuerte, fand er nicht ferner den gewohnten Widerstand; Rom capitulirte und trat im Frieden (angeblich 246) nicht bloſs alle Besitzungen am rechten Tiberufer an die nächst- liegenden tuskischen Gemeinden ab und gab also die aus- schlieſsliche Herrschaft über den Strom auf, sondern lieferte auch dem Sieger seine sämmtlichen Waffen aus und verpflich- tete sich fortan des Eisens nur zur Pflugschaar sich zu be- dienen. Es schien, als könne die Einigung Italiens unter tuskischer Suprematie nicht mehr fern sein.
Allein die Gefahr, welche die Coalition der etruskischen und karthagischen Nation über die Griechen wie die Italiker gebracht hatte, ward glücklich beschworen durch die enge Verbündung der durch Stammverwandtschaft wie durch die gemeinsame Gefahr auf einander angewiesenen Völker. Zu- nächst fand das etruskische Heer, das nach Roms Fall in Latium eingedrungen war und vor den Mauern von Aricia stand, hier die Grenze seiner Siegesbahn durch die rechtzei- tige Hülfe der Kymaeer, die den Latinern zu Hülfe eilten (247). Wir wissen nicht, wie der Kampf endigte und nament- lich nicht, ob es Rom gelang sich sofort des verderblichen und schimpflichen Friedens zu entledigen; gewiſs ist nur, daſs die Tusker auch diesmal auf dem linken Tiberufer auf längere Zeit sich zu behaupten nicht vermochten.
Aber die hellenische Nation ward bald zu einem ent- scheidenderen Kampf gegen die Barbaren des Westens wie des Ostens genöthigt. Es war um die Zeit der Perserkriege. Die Stellung der Tyrier zu dem Groſskönig führte auch Kar- thago in die Bahnen der persischen Politik — wie denn selbst ein Bündniſs zwischen den Karthagern und Xerxes glaubwür- dig überliefert ist — und mit den Karthagern die Etrusker. Es war eine der groſsartigsten politischen Combinationen, die gleichzeitig die asiatischen Schaaren auf Griechenland, die punischen auf Sicilien warf, um mit einem Schlag die Freiheit und die Civilisation vom Angesicht der Erde zu vertilgen. Der Sieg blieb den Hellenen. Die Schlacht bei Salamis (274 der Stadt) rettete und rächte sie im Osten; und an demselben Tag — so wird erzählt — besiegten die Herren von Syra- kus und Akragas, Gelon und Theron das ungeheure Heer des
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ZWEITES BUCH. KAPITEL IV.
rien behauptet. Allein als der gesammte tuskische Bund, die
Verwirrung und die Schwäche des römischen Staats nach der
Vertreibung der Tarquinier benutzend, jetzt unter dem König
Larth Porsena von Clusium seinen Angriff mächtiger als zuvor
erneuerte, fand er nicht ferner den gewohnten Widerstand;
Rom capitulirte und trat im Frieden (angeblich 246) nicht
bloſs alle Besitzungen am rechten Tiberufer an die nächst-
liegenden tuskischen Gemeinden ab und gab also die aus-
schlieſsliche Herrschaft über den Strom auf, sondern lieferte
auch dem Sieger seine sämmtlichen Waffen aus und verpflich-
tete sich fortan des Eisens nur zur Pflugschaar sich zu be-
dienen. Es schien, als könne die Einigung Italiens unter
tuskischer Suprematie nicht mehr fern sein.
Allein die Gefahr, welche die Coalition der etruskischen
und karthagischen Nation über die Griechen wie die Italiker
gebracht hatte, ward glücklich beschworen durch die enge
Verbündung der durch Stammverwandtschaft wie durch die
gemeinsame Gefahr auf einander angewiesenen Völker. Zu-
nächst fand das etruskische Heer, das nach Roms Fall in
Latium eingedrungen war und vor den Mauern von Aricia
stand, hier die Grenze seiner Siegesbahn durch die rechtzei-
tige Hülfe der Kymaeer, die den Latinern zu Hülfe eilten
(247). Wir wissen nicht, wie der Kampf endigte und nament-
lich nicht, ob es Rom gelang sich sofort des verderblichen
und schimpflichen Friedens zu entledigen; gewiſs ist nur,
daſs die Tusker auch diesmal auf dem linken Tiberufer auf
längere Zeit sich zu behaupten nicht vermochten.
Aber die hellenische Nation ward bald zu einem ent-
scheidenderen Kampf gegen die Barbaren des Westens wie
des Ostens genöthigt. Es war um die Zeit der Perserkriege.
Die Stellung der Tyrier zu dem Groſskönig führte auch Kar-
thago in die Bahnen der persischen Politik — wie denn selbst
ein Bündniſs zwischen den Karthagern und Xerxes glaubwür-
dig überliefert ist — und mit den Karthagern die Etrusker.
Es war eine der groſsartigsten politischen Combinationen, die
gleichzeitig die asiatischen Schaaren auf Griechenland, die
punischen auf Sicilien warf, um mit einem Schlag die Freiheit
und die Civilisation vom Angesicht der Erde zu vertilgen. Der
Sieg blieb den Hellenen. Die Schlacht bei Salamis (274 der
Stadt) rettete und rächte sie im Osten; und an demselben
Tag — so wird erzählt — besiegten die Herren von Syra-
kus und Akragas, Gelon und Theron das ungeheure Heer des
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/218>, abgerufen am 24.11.2024.
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