Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

ZWEITES BUCH. KAPITEL V.
tiefsten Bedeutung gewesen ist; allein es leidet keinen Zweifel,
einestheils dass die Samniten auch in der Stellung und Be-
waffnung den Römern gleichartiger gegenüberstanden als die
Etrusker und die Gallier, anderntheils dass die neue Heer-
ordnung im Wesentlichen schon bestand als die samnitischen
Kriege begannen.

Die samnitische Nation, die als man in Rom die Tar-
quinier austrieb ohne Zweifel schon seit längerer Zeit im Be-
sitz des zwischen der apulischen und der campanischen Ebene
aufsteigenden und beide beherrschenden Hügellandes gewesen
war, war auf der einen Seite durch die Daunier -- Arpis
Macht und Blüthe fällt in diese Zeit -- auf der andern durch
die Griechen und Etrusker bisher an weiterem Vordringen
gehindert worden. Aber der Sturz der etruskischen Macht
um das Ende des dritten, das Sinken der griechischen Colo-
nien im Laufe des vierten Jahrhunderts machten ihnen Luft
nach Süden und nach Westen und ein samnitischer Schwarm
nach dem andern machte fortan sich Bahn bis an, ja über
das Meer. Zuerst erschienen sie in der Ebene am Golf, wo
der Name der Campaner vernommen wird seit dem Anfang
des vierten Jahrhunderts; die Etrusker werden erdrückt, die
Griechen beschränkt, jenen Capua (331), diesen Kyme (335)
entrissen. Um dieselbe Zeit, vielleicht schon früher zeigen
sich in Grossgriechenland die Lucaner, die im Anfang des
vierten Jahrhunderts mit Terinaeern und Thurinern im Kampf
liegen und geraume Zeit vor 364 in dem griechischen Laos
sich festsetzten. Um diese Zeit betrug ihr Aufgebot 30000
Mann zu Fuss und 4000 Reiter. Gegen das Ende des vierten
Jahrhunderts wird der Name der Brettier zuerst gehört, die
ungleich den andern Stämmen nicht als Colonie, sondern im
Kampf von den Lucanern sich losgemacht und mit vielen
fremdartigen Elementen sich gemischt hatten. Umsonst such-
ten die Griechen sich des Andranges der Barbaren zu er-
wehren; der achaeische Städtebund ward 361 reconstituirt
und festgesetzt, dass wenn von den Lucanern eine der ver-
bündeten Städte angegriffen werde, alle Zuzug leisten und die
Führer der nicht erschienenen Heerhaufen Todesstrafe leiden
sollten. Aber selbst die Einigkeit half nicht mehr, da der
Herr von Syrakus, der ältere Dionysios mit den Italikern gegen
seine Landsleute gemeinschaftliche Sache machte. Während
Dionysios sie von der See verdrängte, ward von den Italikern
eine Stadt nach der andern besetzt oder zerstört und nur

ZWEITES BUCH. KAPITEL V.
tiefsten Bedeutung gewesen ist; allein es leidet keinen Zweifel,
einestheils daſs die Samniten auch in der Stellung und Be-
waffnung den Römern gleichartiger gegenüberstanden als die
Etrusker und die Gallier, anderntheils daſs die neue Heer-
ordnung im Wesentlichen schon bestand als die samnitischen
Kriege begannen.

Die samnitische Nation, die als man in Rom die Tar-
quinier austrieb ohne Zweifel schon seit längerer Zeit im Be-
sitz des zwischen der apulischen und der campanischen Ebene
aufsteigenden und beide beherrschenden Hügellandes gewesen
war, war auf der einen Seite durch die Daunier — Arpis
Macht und Blüthe fällt in diese Zeit — auf der andern durch
die Griechen und Etrusker bisher an weiterem Vordringen
gehindert worden. Aber der Sturz der etruskischen Macht
um das Ende des dritten, das Sinken der griechischen Colo-
nien im Laufe des vierten Jahrhunderts machten ihnen Luft
nach Süden und nach Westen und ein samnitischer Schwarm
nach dem andern machte fortan sich Bahn bis an, ja über
das Meer. Zuerst erschienen sie in der Ebene am Golf, wo
der Name der Campaner vernommen wird seit dem Anfang
des vierten Jahrhunderts; die Etrusker werden erdrückt, die
Griechen beschränkt, jenen Capua (331), diesen Kyme (335)
entrissen. Um dieselbe Zeit, vielleicht schon früher zeigen
sich in Groſsgriechenland die Lucaner, die im Anfang des
vierten Jahrhunderts mit Terinaeern und Thurinern im Kampf
liegen und geraume Zeit vor 364 in dem griechischen Laos
sich festsetzten. Um diese Zeit betrug ihr Aufgebot 30000
Mann zu Fuſs und 4000 Reiter. Gegen das Ende des vierten
Jahrhunderts wird der Name der Brettier zuerst gehört, die
ungleich den andern Stämmen nicht als Colonie, sondern im
Kampf von den Lucanern sich losgemacht und mit vielen
fremdartigen Elementen sich gemischt hatten. Umsonst such-
ten die Griechen sich des Andranges der Barbaren zu er-
wehren; der achaeische Städtebund ward 361 reconstituirt
und festgesetzt, daſs wenn von den Lucanern eine der ver-
bündeten Städte angegriffen werde, alle Zuzug leisten und die
Führer der nicht erschienenen Heerhaufen Todesstrafe leiden
sollten. Aber selbst die Einigkeit half nicht mehr, da der
Herr von Syrakus, der ältere Dionysios mit den Italikern gegen
seine Landsleute gemeinschaftliche Sache machte. Während
Dionysios sie von der See verdrängte, ward von den Italikern
eine Stadt nach der andern besetzt oder zerstört und nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0238" n="224"/><fw place="top" type="header">ZWEITES BUCH. KAPITEL V.</fw><lb/>
tiefsten Bedeutung gewesen ist; allein es leidet keinen Zweifel,<lb/>
einestheils da&#x017F;s die Samniten auch in der Stellung und Be-<lb/>
waffnung den Römern gleichartiger gegenüberstanden als die<lb/>
Etrusker und die Gallier, anderntheils da&#x017F;s die neue Heer-<lb/>
ordnung im Wesentlichen schon bestand als die samnitischen<lb/>
Kriege begannen.</p><lb/>
          <p>Die samnitische Nation, die als man in Rom die Tar-<lb/>
quinier austrieb ohne Zweifel schon seit längerer Zeit im Be-<lb/>
sitz des zwischen der apulischen und der campanischen Ebene<lb/>
aufsteigenden und beide beherrschenden Hügellandes gewesen<lb/>
war, war auf der einen Seite durch die Daunier &#x2014; Arpis<lb/>
Macht und Blüthe fällt in diese Zeit &#x2014; auf der andern durch<lb/>
die Griechen und Etrusker bisher an weiterem Vordringen<lb/>
gehindert worden. Aber der Sturz der etruskischen Macht<lb/>
um das Ende des dritten, das Sinken der griechischen Colo-<lb/>
nien im Laufe des vierten Jahrhunderts machten ihnen Luft<lb/>
nach Süden und nach Westen und ein samnitischer Schwarm<lb/>
nach dem andern machte fortan sich Bahn bis an, ja über<lb/>
das Meer. Zuerst erschienen sie in der Ebene am Golf, wo<lb/>
der Name der Campaner vernommen wird seit dem Anfang<lb/>
des vierten Jahrhunderts; die Etrusker werden erdrückt, die<lb/>
Griechen beschränkt, jenen Capua (331), diesen Kyme (335)<lb/>
entrissen. Um dieselbe Zeit, vielleicht schon früher zeigen<lb/>
sich in Gro&#x017F;sgriechenland die Lucaner, die im Anfang des<lb/>
vierten Jahrhunderts mit Terinaeern und Thurinern im Kampf<lb/>
liegen und geraume Zeit vor 364 in dem griechischen Laos<lb/>
sich festsetzten. Um diese Zeit betrug ihr Aufgebot 30000<lb/>
Mann zu Fu&#x017F;s und 4000 Reiter. Gegen das Ende des vierten<lb/>
Jahrhunderts wird der Name der Brettier zuerst gehört, die<lb/>
ungleich den andern Stämmen nicht als Colonie, sondern im<lb/>
Kampf von den Lucanern sich losgemacht und mit vielen<lb/>
fremdartigen Elementen sich gemischt hatten. Umsonst such-<lb/>
ten die Griechen sich des Andranges der Barbaren zu er-<lb/>
wehren; der achaeische Städtebund ward 361 reconstituirt<lb/>
und festgesetzt, da&#x017F;s wenn von den Lucanern eine der ver-<lb/>
bündeten Städte angegriffen werde, alle Zuzug leisten und die<lb/>
Führer der nicht erschienenen Heerhaufen Todesstrafe leiden<lb/>
sollten. Aber selbst die Einigkeit half nicht mehr, da der<lb/>
Herr von Syrakus, der ältere Dionysios mit den Italikern gegen<lb/>
seine Landsleute gemeinschaftliche Sache machte. Während<lb/>
Dionysios sie von der See verdrängte, ward von den Italikern<lb/>
eine Stadt nach der andern besetzt oder zerstört und nur<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0238] ZWEITES BUCH. KAPITEL V. tiefsten Bedeutung gewesen ist; allein es leidet keinen Zweifel, einestheils daſs die Samniten auch in der Stellung und Be- waffnung den Römern gleichartiger gegenüberstanden als die Etrusker und die Gallier, anderntheils daſs die neue Heer- ordnung im Wesentlichen schon bestand als die samnitischen Kriege begannen. Die samnitische Nation, die als man in Rom die Tar- quinier austrieb ohne Zweifel schon seit längerer Zeit im Be- sitz des zwischen der apulischen und der campanischen Ebene aufsteigenden und beide beherrschenden Hügellandes gewesen war, war auf der einen Seite durch die Daunier — Arpis Macht und Blüthe fällt in diese Zeit — auf der andern durch die Griechen und Etrusker bisher an weiterem Vordringen gehindert worden. Aber der Sturz der etruskischen Macht um das Ende des dritten, das Sinken der griechischen Colo- nien im Laufe des vierten Jahrhunderts machten ihnen Luft nach Süden und nach Westen und ein samnitischer Schwarm nach dem andern machte fortan sich Bahn bis an, ja über das Meer. Zuerst erschienen sie in der Ebene am Golf, wo der Name der Campaner vernommen wird seit dem Anfang des vierten Jahrhunderts; die Etrusker werden erdrückt, die Griechen beschränkt, jenen Capua (331), diesen Kyme (335) entrissen. Um dieselbe Zeit, vielleicht schon früher zeigen sich in Groſsgriechenland die Lucaner, die im Anfang des vierten Jahrhunderts mit Terinaeern und Thurinern im Kampf liegen und geraume Zeit vor 364 in dem griechischen Laos sich festsetzten. Um diese Zeit betrug ihr Aufgebot 30000 Mann zu Fuſs und 4000 Reiter. Gegen das Ende des vierten Jahrhunderts wird der Name der Brettier zuerst gehört, die ungleich den andern Stämmen nicht als Colonie, sondern im Kampf von den Lucanern sich losgemacht und mit vielen fremdartigen Elementen sich gemischt hatten. Umsonst such- ten die Griechen sich des Andranges der Barbaren zu er- wehren; der achaeische Städtebund ward 361 reconstituirt und festgesetzt, daſs wenn von den Lucanern eine der ver- bündeten Städte angegriffen werde, alle Zuzug leisten und die Führer der nicht erschienenen Heerhaufen Todesstrafe leiden sollten. Aber selbst die Einigkeit half nicht mehr, da der Herr von Syrakus, der ältere Dionysios mit den Italikern gegen seine Landsleute gemeinschaftliche Sache machte. Während Dionysios sie von der See verdrängte, ward von den Italikern eine Stadt nach der andern besetzt oder zerstört und nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/238
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/238>, abgerufen am 21.11.2024.