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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL VI.
Römern in Lucanien, dessen Bewohner seit längerer Zeit in
heftigem innerem Hader lebten. Das Volk war auch hier mit
richtigem Instinct für den Anschluss an die Samniten; da aber
das Bündniss mit den Samniten auch Frieden mit Tarent nach
sich zog und ein grosser Theil der regierenden Herren nicht
gemeint war die einträglichen Plünderungszüge einzustellen, so
gelang es den Römern mit den Lucanern ein Bündniss abzu-
schliessen, das unschätzbar war, weil dadurch den Tarentinern
zu schaffen gemacht wurde und also Rom seine ganze Macht
gegen Samnium verwenden konnte. Mochte auch die nationale
Partei in Lucanien unter dem Einfluss Tarents vorübergehend
ans Ruder gelangen, so hielten jedenfalls die Parteien in dem
Volke sich so die Wage, dass dasselbe während des ersten und
entscheidenden Abschnittes des grossen samnitischen Krieges in
denselben nicht wesentlich zu Gunsten der Samniten eingriff.
In Folge dessen verhielt auch Tarent sich leidend, wozu frei-
lich auch die sikelischen Angelegenheiten und die Schlaffheit
und Fahrigkeit der tarentiner Demagogie das Ihrige beitrugen.

So stand Samnium nach allen Seiten hin allein; kaum
dass einige der östlichen Bergdistricte ihm Zuzug sandten. Mit
dem Jahre 428 begann der Krieg im samnitischen Lande selbst;
einige Städte an der campanischen Grenze, Rufrium (zwischen
Venafrum und Teanum) und Allifae wurden von den Römern
besetzt. In den folgenden Jahren durchzogen die römischen
Heere fechtend und plündernd Samnium bis in das vestinische
Gebiet hinein, ja bis nach Apulien, wo man sie mit offenen
Armen empfing, überall im entschiedensten Vortheil. Der
Muth der Samniten war gebrochen; sie sandten die römischen
Gefangenen zurück und mit ihnen die Leiche des Führers
der Kriegspartei Brutulus Papius, welcher den römischen Hen-
kern zuvorgekommen war, als die samnitische Volksgemeinde
beschloss durch seine Auslieferung Frieden und leidliche Be-
dingungen vom Feinde zu erkaufen. Demüthig bat man um
Frieden; er ward verweigert (432). Da rüsteten sich die Samni-
ten unter ihrem neuen Feldherrn Gavius Pontius zur äussersten
und verzweifelten Gegenwehr. Das römische Heer, das unter
den beiden Consuln des folgenden Jahres (433) Spurius Po-
stumius und Titus Veturius bei Calatia (zwischen Caserta
und Maddaloni) gelagert war, erhielt die Nachricht und die
Aussage zahlreicher Gefangenen bestätigte sie, dass die Sam-
niten Luceria eng eingeschlossen hielten und die wichtige
Stadt, an der der Besitz Apuliens hing, in grosser Gefahr

ZWEITES BUCH. KAPITEL VI.
Römern in Lucanien, dessen Bewohner seit längerer Zeit in
heftigem innerem Hader lebten. Das Volk war auch hier mit
richtigem Instinct für den Anschluſs an die Samniten; da aber
das Bündniſs mit den Samniten auch Frieden mit Tarent nach
sich zog und ein groſser Theil der regierenden Herren nicht
gemeint war die einträglichen Plünderungszüge einzustellen, so
gelang es den Römern mit den Lucanern ein Bündniſs abzu-
schlieſsen, das unschätzbar war, weil dadurch den Tarentinern
zu schaffen gemacht wurde und also Rom seine ganze Macht
gegen Samnium verwenden konnte. Mochte auch die nationale
Partei in Lucanien unter dem Einfluſs Tarents vorübergehend
ans Ruder gelangen, so hielten jedenfalls die Parteien in dem
Volke sich so die Wage, daſs dasselbe während des ersten und
entscheidenden Abschnittes des groſsen samnitischen Krieges in
denselben nicht wesentlich zu Gunsten der Samniten eingriff.
In Folge dessen verhielt auch Tarent sich leidend, wozu frei-
lich auch die sikelischen Angelegenheiten und die Schlaffheit
und Fahrigkeit der tarentiner Demagogie das Ihrige beitrugen.

So stand Samnium nach allen Seiten hin allein; kaum
daſs einige der östlichen Bergdistricte ihm Zuzug sandten. Mit
dem Jahre 428 begann der Krieg im samnitischen Lande selbst;
einige Städte an der campanischen Grenze, Rufrium (zwischen
Venafrum und Teanum) und Allifae wurden von den Römern
besetzt. In den folgenden Jahren durchzogen die römischen
Heere fechtend und plündernd Samnium bis in das vestinische
Gebiet hinein, ja bis nach Apulien, wo man sie mit offenen
Armen empfing, überall im entschiedensten Vortheil. Der
Muth der Samniten war gebrochen; sie sandten die römischen
Gefangenen zurück und mit ihnen die Leiche des Führers
der Kriegspartei Brutulus Papius, welcher den römischen Hen-
kern zuvorgekommen war, als die samnitische Volksgemeinde
beschloſs durch seine Auslieferung Frieden und leidliche Be-
dingungen vom Feinde zu erkaufen. Demüthig bat man um
Frieden; er ward verweigert (432). Da rüsteten sich die Samni-
ten unter ihrem neuen Feldherrn Gavius Pontius zur äuſsersten
und verzweifelten Gegenwehr. Das römische Heer, das unter
den beiden Consuln des folgenden Jahres (433) Spurius Po-
stumius und Titus Veturius bei Calatia (zwischen Caserta
und Maddaloni) gelagert war, erhielt die Nachricht und die
Aussage zahlreicher Gefangenen bestätigte sie, daſs die Sam-
niten Luceria eng eingeschlossen hielten und die wichtige
Stadt, an der der Besitz Apuliens hing, in groſser Gefahr

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[236/0250] ZWEITES BUCH. KAPITEL VI. Römern in Lucanien, dessen Bewohner seit längerer Zeit in heftigem innerem Hader lebten. Das Volk war auch hier mit richtigem Instinct für den Anschluſs an die Samniten; da aber das Bündniſs mit den Samniten auch Frieden mit Tarent nach sich zog und ein groſser Theil der regierenden Herren nicht gemeint war die einträglichen Plünderungszüge einzustellen, so gelang es den Römern mit den Lucanern ein Bündniſs abzu- schlieſsen, das unschätzbar war, weil dadurch den Tarentinern zu schaffen gemacht wurde und also Rom seine ganze Macht gegen Samnium verwenden konnte. Mochte auch die nationale Partei in Lucanien unter dem Einfluſs Tarents vorübergehend ans Ruder gelangen, so hielten jedenfalls die Parteien in dem Volke sich so die Wage, daſs dasselbe während des ersten und entscheidenden Abschnittes des groſsen samnitischen Krieges in denselben nicht wesentlich zu Gunsten der Samniten eingriff. In Folge dessen verhielt auch Tarent sich leidend, wozu frei- lich auch die sikelischen Angelegenheiten und die Schlaffheit und Fahrigkeit der tarentiner Demagogie das Ihrige beitrugen. So stand Samnium nach allen Seiten hin allein; kaum daſs einige der östlichen Bergdistricte ihm Zuzug sandten. Mit dem Jahre 428 begann der Krieg im samnitischen Lande selbst; einige Städte an der campanischen Grenze, Rufrium (zwischen Venafrum und Teanum) und Allifae wurden von den Römern besetzt. In den folgenden Jahren durchzogen die römischen Heere fechtend und plündernd Samnium bis in das vestinische Gebiet hinein, ja bis nach Apulien, wo man sie mit offenen Armen empfing, überall im entschiedensten Vortheil. Der Muth der Samniten war gebrochen; sie sandten die römischen Gefangenen zurück und mit ihnen die Leiche des Führers der Kriegspartei Brutulus Papius, welcher den römischen Hen- kern zuvorgekommen war, als die samnitische Volksgemeinde beschloſs durch seine Auslieferung Frieden und leidliche Be- dingungen vom Feinde zu erkaufen. Demüthig bat man um Frieden; er ward verweigert (432). Da rüsteten sich die Samni- ten unter ihrem neuen Feldherrn Gavius Pontius zur äuſsersten und verzweifelten Gegenwehr. Das römische Heer, das unter den beiden Consuln des folgenden Jahres (433) Spurius Po- stumius und Titus Veturius bei Calatia (zwischen Caserta und Maddaloni) gelagert war, erhielt die Nachricht und die Aussage zahlreicher Gefangenen bestätigte sie, daſs die Sam- niten Luceria eng eingeschlossen hielten und die wichtige Stadt, an der der Besitz Apuliens hing, in groſser Gefahr

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/250>, abgerufen am 21.11.2024.