Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ZWEITES BUCH. KAPTEL VII. genkam. Es blieb dem König nichts übrig als eine zweiteSchlacht zu liefern, in der Hoffnung durch einen entschei- denden Sieg die römische Symmachie in diesen Landschaften zu erschüttern. Bei Ausculum (Ascoli di Puglia) trafen beide Heere auf einander. Unter Pyrrhos Fahnen fochten ausser seinen epeirotischen und makedonischen Truppen die itali- schen Söldner, die Bürgerwehr -- die sogenannten Weiss- schilder -- von Tarent, und die verbündeten Lucaner, Bret- tier und Samniten, zusammen 70000 Mann zu Fuss, davon 16000 Griechen und Epeiroten, über 8000 Reiter und 19 Elephanten. Mit den Römern standen an diesem Tage die Latiner, Campaner, Volsker, Sabiner, Umbrer, Marruciner, Paeligner, Frentaner und Arpaner; auch sie zählten über 70000 Mann zu Fuss, darunter 20000 römische Bürger und 8000 Reiter. Beide Theile hatten in ihrem Heerwesen Aen- derungen vorgenommen. Pyrrhos, mit scharfem Soldatenblick die Vorzüge der Manipularordnung erkennend, hatte auf den Flügeln die lange Fronte seiner Phalangen vertauscht mit einer der Cohortenstellung nachgebildeten unterbrochenen Aufstellung in Fähnlein, indem er, vielleicht nicht minder aus politischen wie aus militärischen Gründen, zwischen die Abtheilungen seiner eigenen Leute die tarentinischen und samnitischen Cohorten einschob; im Mitteltreffen allein stand die epeirotische Phalanx in geschlossener Reihe. Die Römer führten zur Abwehr der Elephanten eine Art Streitwagen heran, aus denen Feuerbecken an eisernen Stangen hervorragten und auf denen bewegliche zum Herablassen eingerichtete Masten mit Eisenstacheln be- festigt waren -- gewissermassen das Vorbild der Enterbrücken, die im ersten punischen Krieg eine so grosse Rolle spielen sollten. -- Nach dem griechischen Schlachtbericht, der minder parteiisch scheint als der uns auch vorliegende römische, waren die Griechen am ersten Tage im Nachtheil, da es ihnen nicht gelang an den schroffen und sumpfigen Fluss- ufern, wo sie gezwungen wurden das Gefecht anzunehmen, ihre Linie zu entwickeln noch Reiterei und Elephanten ins Gefecht zu bringen. Am zweiten Tage kam dagegen Pyrrhos den Römern in der Besetzung des durchschnittenen Terrains zuvor und erreichte so ohne Verlust die Ebene, wo er seine Phalanx ungestört entfaltete. Vergeblich stürzten sich die Römer verzweifelten Muths mit ihren Schwertern auf die Sarissen; die Phalanx stand unerschütterlich jedem Angriff in der Fronte, bis endlich der Ansturm der Elephanten auch ZWEITES BUCH. KAPTEL VII. genkam. Es blieb dem König nichts übrig als eine zweiteSchlacht zu liefern, in der Hoffnung durch einen entschei- denden Sieg die römische Symmachie in diesen Landschaften zu erschüttern. Bei Ausculum (Ascoli di Puglia) trafen beide Heere auf einander. Unter Pyrrhos Fahnen fochten auſser seinen epeirotischen und makedonischen Truppen die itali- schen Söldner, die Bürgerwehr — die sogenannten Weiſs- schilder — von Tarent, und die verbündeten Lucaner, Bret- tier und Samniten, zusammen 70000 Mann zu Fuſs, davon 16000 Griechen und Epeiroten, über 8000 Reiter und 19 Elephanten. Mit den Römern standen an diesem Tage die Latiner, Campaner, Volsker, Sabiner, Umbrer, Marruciner, Paeligner, Frentaner und Arpaner; auch sie zählten über 70000 Mann zu Fuſs, darunter 20000 römische Bürger und 8000 Reiter. Beide Theile hatten in ihrem Heerwesen Aen- derungen vorgenommen. Pyrrhos, mit scharfem Soldatenblick die Vorzüge der Manipularordnung erkennend, hatte auf den Flügeln die lange Fronte seiner Phalangen vertauscht mit einer der Cohortenstellung nachgebildeten unterbrochenen Aufstellung in Fähnlein, indem er, vielleicht nicht minder aus politischen wie aus militärischen Gründen, zwischen die Abtheilungen seiner eigenen Leute die tarentinischen und samnitischen Cohorten einschob; im Mitteltreffen allein stand die epeirotische Phalanx in geschlossener Reihe. Die Römer führten zur Abwehr der Elephanten eine Art Streitwagen heran, aus denen Feuerbecken an eisernen Stangen hervorragten und auf denen bewegliche zum Herablassen eingerichtete Masten mit Eisenstacheln be- festigt waren — gewissermaſsen das Vorbild der Enterbrücken, die im ersten punischen Krieg eine so groſse Rolle spielen sollten. — Nach dem griechischen Schlachtbericht, der minder parteiisch scheint als der uns auch vorliegende römische, waren die Griechen am ersten Tage im Nachtheil, da es ihnen nicht gelang an den schroffen und sumpfigen Fluſs- ufern, wo sie gezwungen wurden das Gefecht anzunehmen, ihre Linie zu entwickeln noch Reiterei und Elephanten ins Gefecht zu bringen. Am zweiten Tage kam dagegen Pyrrhos den Römern in der Besetzung des durchschnittenen Terrains zuvor und erreichte so ohne Verlust die Ebene, wo er seine Phalanx ungestört entfaltete. Vergeblich stürzten sich die Römer verzweifelten Muths mit ihren Schwertern auf die Sarissen; die Phalanx stand unerschütterlich jedem Angriff in der Fronte, bis endlich der Ansturm der Elephanten auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0284" n="270"/><fw place="top" type="header">ZWEITES BUCH. KAPTEL VII.</fw><lb/> genkam. Es blieb dem König nichts übrig als eine zweite<lb/> Schlacht zu liefern, in der Hoffnung durch einen entschei-<lb/> denden Sieg die römische Symmachie in diesen Landschaften<lb/> zu erschüttern. Bei Ausculum (Ascoli di Puglia) trafen beide<lb/> Heere auf einander. Unter Pyrrhos Fahnen fochten auſser<lb/> seinen epeirotischen und makedonischen Truppen die itali-<lb/> schen Söldner, die Bürgerwehr — die sogenannten Weiſs-<lb/> schilder — von Tarent, und die verbündeten Lucaner, Bret-<lb/> tier und Samniten, zusammen 70000 Mann zu Fuſs, davon<lb/> 16000 Griechen und Epeiroten, über 8000 Reiter und 19<lb/> Elephanten. 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ZWEITES BUCH. KAPTEL VII.
genkam. Es blieb dem König nichts übrig als eine zweite
Schlacht zu liefern, in der Hoffnung durch einen entschei-
denden Sieg die römische Symmachie in diesen Landschaften
zu erschüttern. Bei Ausculum (Ascoli di Puglia) trafen beide
Heere auf einander. Unter Pyrrhos Fahnen fochten auſser
seinen epeirotischen und makedonischen Truppen die itali-
schen Söldner, die Bürgerwehr — die sogenannten Weiſs-
schilder — von Tarent, und die verbündeten Lucaner, Bret-
tier und Samniten, zusammen 70000 Mann zu Fuſs, davon
16000 Griechen und Epeiroten, über 8000 Reiter und 19
Elephanten. Mit den Römern standen an diesem Tage die
Latiner, Campaner, Volsker, Sabiner, Umbrer, Marruciner,
Paeligner, Frentaner und Arpaner; auch sie zählten über
70000 Mann zu Fuſs, darunter 20000 römische Bürger und
8000 Reiter. Beide Theile hatten in ihrem Heerwesen Aen-
derungen vorgenommen. Pyrrhos, mit scharfem Soldatenblick
die Vorzüge der Manipularordnung erkennend, hatte auf den
Flügeln die lange Fronte seiner Phalangen vertauscht mit einer
der Cohortenstellung nachgebildeten unterbrochenen Aufstellung
in Fähnlein, indem er, vielleicht nicht minder aus politischen wie
aus militärischen Gründen, zwischen die Abtheilungen seiner
eigenen Leute die tarentinischen und samnitischen Cohorten
einschob; im Mitteltreffen allein stand die epeirotische Phalanx
in geschlossener Reihe. Die Römer führten zur Abwehr der
Elephanten eine Art Streitwagen heran, aus denen Feuerbecken
an eisernen Stangen hervorragten und auf denen bewegliche
zum Herablassen eingerichtete Masten mit Eisenstacheln be-
festigt waren — gewissermaſsen das Vorbild der Enterbrücken,
die im ersten punischen Krieg eine so groſse Rolle spielen
sollten. — Nach dem griechischen Schlachtbericht, der minder
parteiisch scheint als der uns auch vorliegende römische,
waren die Griechen am ersten Tage im Nachtheil, da es
ihnen nicht gelang an den schroffen und sumpfigen Fluſs-
ufern, wo sie gezwungen wurden das Gefecht anzunehmen,
ihre Linie zu entwickeln noch Reiterei und Elephanten ins
Gefecht zu bringen. Am zweiten Tage kam dagegen Pyrrhos
den Römern in der Besetzung des durchschnittenen Terrains
zuvor und erreichte so ohne Verlust die Ebene, wo er seine
Phalanx ungestört entfaltete. Vergeblich stürzten sich die
Römer verzweifelten Muths mit ihren Schwertern auf die
Sarissen; die Phalanx stand unerschütterlich jedem Angriff
in der Fronte, bis endlich der Ansturm der Elephanten auch
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