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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL VIII.
Bauerwirthschaften erkannte Pyrrhos scharfer Blick den Grund
des politischen und militärischen Uebergewichts der Römer.
Aus den römischen Bauern bestand die Volksversammlung wie
das Heer und sie waren es, die in die Colonien geführt mit
dem Pfluge sicherten, was sie mit dem Schwert gewonnen
hatten. Die Geschichte dieses Standes ist die innere Ge-
schichte Roms; es ist schon dargestellt worden, welche ge-
fährliche Krisen dessen Verschuldung im dritten und vierten
Jahrhundert herbeiführte, bis mit den entscheidenden politi-
schen Erfolgen Roms theils die Assignationen, Colonisirungen
und Incorporationen den Bauernstand wieder vermehrten, theils
das Sinken des Zinsfusses und die steigende städtische Entwick-
lung der Hauptstadt dem latinischen Ackerbauer durch billiges
Geld und hohe Kornpreise aufhalfen. -- Freilich vermehrte
neben der ansässigen Bevölkerung sich auch die nichtbe-
sitzende und vermuthlich in noch stärkerem Verhältniss. Schon
im fünften Jahrhundert waren die Fleischerscharren am Markte
den Läden der Geldwechsler gewichen und zog sich zu bei-
den Seiten desselben eine Reihe glänzender Kaufhallen hin.
Es konnte nicht fehlen, dass in einer Stadt wie Rom auch
städtischer Luxus allmählich erblühte und die Zahl der diesem
dienstbaren Leute schnell anwuchs; namentlich durch die
steigende Zahl der Sclaven, wovon die sehr ernsthafte Sclaven-
verschwörung des Jahres 335 Zeugniss giebt, und die dadurch
veranlasste Vermehrung der Freigelassenen, die unbequem zu
werden anfing, wie man schliessen kann aus der im Jahre
397 auf die Freilassungen gelegten Steuer von 5 Procent des
Werthes der Sclaven und aus der Beschränkung der politi-
schen Rechte der Freigelassenen durch die Censur des Jahres
450. Nur wenige derselben werden dem Ackerbau sich ge-
widmet haben; die grössere Menge betrieb Gewerbe und Han-
del in Rom für eigene Rechnung und für die ihrer Patrone,
denn regelmässig hatte der Freilasser einen Antheil, oft
die Hälfte von dem Gewinn der von ihm entlassenen Leute
sich ausbedungen und häufig überdies gab der Patron ihnen
Capital in ihr Geschäft; so dass bei den Geschäften des Frei-
gelassenen der Patron in nicht viel anderer Weise betheiligt
war als bei denen, die der Sclave für Rechnung seines Herrn
betrieb. Wenn sich also die städtische und industrielle Be-
triebsamkeit vermehrte, so floss doch durch die eigenthümliche
Stellung der Sclaven und Freigelassenen ein guter Theil des
Gewinns aus dem kleinen Gewerb und Handel in die Kasse

ZWEITES BUCH. KAPITEL VIII.
Bauerwirthschaften erkannte Pyrrhos scharfer Blick den Grund
des politischen und militärischen Uebergewichts der Römer.
Aus den römischen Bauern bestand die Volksversammlung wie
das Heer und sie waren es, die in die Colonien geführt mit
dem Pfluge sicherten, was sie mit dem Schwert gewonnen
hatten. Die Geschichte dieses Standes ist die innere Ge-
schichte Roms; es ist schon dargestellt worden, welche ge-
fährliche Krisen dessen Verschuldung im dritten und vierten
Jahrhundert herbeiführte, bis mit den entscheidenden politi-
schen Erfolgen Roms theils die Assignationen, Colonisirungen
und Incorporationen den Bauernstand wieder vermehrten, theils
das Sinken des Zinsfuſses und die steigende städtische Entwick-
lung der Hauptstadt dem latinischen Ackerbauer durch billiges
Geld und hohe Kornpreise aufhalfen. — Freilich vermehrte
neben der ansässigen Bevölkerung sich auch die nichtbe-
sitzende und vermuthlich in noch stärkerem Verhältniſs. Schon
im fünften Jahrhundert waren die Fleischerscharren am Markte
den Läden der Geldwechsler gewichen und zog sich zu bei-
den Seiten desselben eine Reihe glänzender Kaufhallen hin.
Es konnte nicht fehlen, daſs in einer Stadt wie Rom auch
städtischer Luxus allmählich erblühte und die Zahl der diesem
dienstbaren Leute schnell anwuchs; namentlich durch die
steigende Zahl der Sclaven, wovon die sehr ernsthafte Sclaven-
verschwörung des Jahres 335 Zeugniſs giebt, und die dadurch
veranlaſste Vermehrung der Freigelassenen, die unbequem zu
werden anfing, wie man schlieſsen kann aus der im Jahre
397 auf die Freilassungen gelegten Steuer von 5 Procent des
Werthes der Sclaven und aus der Beschränkung der politi-
schen Rechte der Freigelassenen durch die Censur des Jahres
450. Nur wenige derselben werden dem Ackerbau sich ge-
widmet haben; die gröſsere Menge betrieb Gewerbe und Han-
del in Rom für eigene Rechnung und für die ihrer Patrone,
denn regelmäſsig hatte der Freilasser einen Antheil, oft
die Hälfte von dem Gewinn der von ihm entlassenen Leute
sich ausbedungen und häufig überdies gab der Patron ihnen
Capital in ihr Geschäft; so daſs bei den Geschäften des Frei-
gelassenen der Patron in nicht viel anderer Weise betheiligt
war als bei denen, die der Sclave für Rechnung seines Herrn
betrieb. Wenn sich also die städtische und industrielle Be-
triebsamkeit vermehrte, so floſs doch durch die eigenthümliche
Stellung der Sclaven und Freigelassenen ein guter Theil des
Gewinns aus dem kleinen Gewerb und Handel in die Kasse

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[292/0306] ZWEITES BUCH. KAPITEL VIII. Bauerwirthschaften erkannte Pyrrhos scharfer Blick den Grund des politischen und militärischen Uebergewichts der Römer. Aus den römischen Bauern bestand die Volksversammlung wie das Heer und sie waren es, die in die Colonien geführt mit dem Pfluge sicherten, was sie mit dem Schwert gewonnen hatten. Die Geschichte dieses Standes ist die innere Ge- schichte Roms; es ist schon dargestellt worden, welche ge- fährliche Krisen dessen Verschuldung im dritten und vierten Jahrhundert herbeiführte, bis mit den entscheidenden politi- schen Erfolgen Roms theils die Assignationen, Colonisirungen und Incorporationen den Bauernstand wieder vermehrten, theils das Sinken des Zinsfuſses und die steigende städtische Entwick- lung der Hauptstadt dem latinischen Ackerbauer durch billiges Geld und hohe Kornpreise aufhalfen. — Freilich vermehrte neben der ansässigen Bevölkerung sich auch die nichtbe- sitzende und vermuthlich in noch stärkerem Verhältniſs. Schon im fünften Jahrhundert waren die Fleischerscharren am Markte den Läden der Geldwechsler gewichen und zog sich zu bei- den Seiten desselben eine Reihe glänzender Kaufhallen hin. Es konnte nicht fehlen, daſs in einer Stadt wie Rom auch städtischer Luxus allmählich erblühte und die Zahl der diesem dienstbaren Leute schnell anwuchs; namentlich durch die steigende Zahl der Sclaven, wovon die sehr ernsthafte Sclaven- verschwörung des Jahres 335 Zeugniſs giebt, und die dadurch veranlaſste Vermehrung der Freigelassenen, die unbequem zu werden anfing, wie man schlieſsen kann aus der im Jahre 397 auf die Freilassungen gelegten Steuer von 5 Procent des Werthes der Sclaven und aus der Beschränkung der politi- schen Rechte der Freigelassenen durch die Censur des Jahres 450. Nur wenige derselben werden dem Ackerbau sich ge- widmet haben; die gröſsere Menge betrieb Gewerbe und Han- del in Rom für eigene Rechnung und für die ihrer Patrone, denn regelmäſsig hatte der Freilasser einen Antheil, oft die Hälfte von dem Gewinn der von ihm entlassenen Leute sich ausbedungen und häufig überdies gab der Patron ihnen Capital in ihr Geschäft; so daſs bei den Geschäften des Frei- gelassenen der Patron in nicht viel anderer Weise betheiligt war als bei denen, die der Sclave für Rechnung seines Herrn betrieb. Wenn sich also die städtische und industrielle Be- triebsamkeit vermehrte, so floſs doch durch die eigenthümliche Stellung der Sclaven und Freigelassenen ein guter Theil des Gewinns aus dem kleinen Gewerb und Handel in die Kasse

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/306>, abgerufen am 22.11.2024.