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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL VIII.
nicht so verstanden werden, als sei ein und derselbe Münz-
fuss in all diesen Städten eingeführt worden; vielmehr ist
derselbe durchaus örtlich und so auch wohl das Gebiet einer
jeden Münze vorwiegend cantonal gewesen. Trotz dieser localen
Verschiedenheiten lassen sich die mittel- und norditalischen
Kupfermünzfüsse in drei Gruppen zusammenfassen, innerhalb
welcher die Münzen im gemeinen Verkehr als gleichartig behan-
delt zu sein scheinen: die Münzen der nördlich vom ciminischen
Walde gelegenen etruskischen und der umbrischen Städte, die
Münzen von Rom und Latium und die des östlichen Littorals;
letztere finden wir in ein bestimmtes Verhältniss gesetzt zu
den Silbermünzen, die im südlichen Italien seit alter Zeit
gangbar waren und deren Fuss sich auch die italischen Ein-
wanderer, zum Beispiel die Brettier, Lucaner, Nolaner, ja die
latinischen Colonien daselbst wie Cales und Suessa und sogar
die Römer selbst für ihre unteritalischen Besitzungen aneig-
neten. Danach wird auch der italische Binnenhandel in die-
selben Gebiete zerfallen sein, welche unter sich verkehrten
gleich fremden Völkern; dass in Samnium eine Landesmünze
völlig fehlt, ist bezeichnend für die geringere Entwicklung des
Verkehrs in diesen Bergdistricten. In der That scheinen die
früher sehr engen Handelsverbindungen zwischen Latium und
den campanischen Griechen durch die samnitische Einwande-
rung in Campanien merklich gestört worden zu sein, wovon eine
Spur sein möchte die Weigerung der Samniten in Capua und
Cumae in der Hungersnoth von 343 den Römern ferner mit
campanischem Getreide auszuhelfen; während andrerseits viel-
fache Spuren dahin führen, dass der grossgriechische, nament-
lich der tarentinische Handel die ganze Ostküste Italiens be-
herrschte. -- Als indess gegen das Ende dieser Epoche Italien
sich unter römischer Herrschaft vereinigt fand, musste die
staatliche Einigung auch jene commerciellen Scheidewände
nothwendig beseitigen, während andrerseits die energische
Politik der Römer den Unterthanen das Münzrecht unmöglich
ferner zugestehen konnte und endlich der Eintritt der römisch-
italischen Eidgenossenschaft in das hellenistische Staatensystem
dazu nöthigte mit der nationalen auch die mercantile Isolirung
aufzugeben. In Folge dessen wurden 485 sämmtliche Münzstät-
ten in Italien auf die Prägung von Scheidemünze beschränkt
mit Ausnahme der römischen, in dieser aber ein gemeines ita-
lisches Courant geschlagen, das beruhte auf dem Gleichgewicht
der beiden bisher gangbaren Münzmetalle und dessen Silber-

ZWEITES BUCH. KAPITEL VIII.
nicht so verstanden werden, als sei ein und derselbe Münz-
fuſs in all diesen Städten eingeführt worden; vielmehr ist
derselbe durchaus örtlich und so auch wohl das Gebiet einer
jeden Münze vorwiegend cantonal gewesen. Trotz dieser localen
Verschiedenheiten lassen sich die mittel- und norditalischen
Kupfermünzfüſse in drei Gruppen zusammenfassen, innerhalb
welcher die Münzen im gemeinen Verkehr als gleichartig behan-
delt zu sein scheinen: die Münzen der nördlich vom ciminischen
Walde gelegenen etruskischen und der umbrischen Städte, die
Münzen von Rom und Latium und die des östlichen Littorals;
letztere finden wir in ein bestimmtes Verhältniſs gesetzt zu
den Silbermünzen, die im südlichen Italien seit alter Zeit
gangbar waren und deren Fuſs sich auch die italischen Ein-
wanderer, zum Beispiel die Brettier, Lucaner, Nolaner, ja die
latinischen Colonien daselbst wie Cales und Suessa und sogar
die Römer selbst für ihre unteritalischen Besitzungen aneig-
neten. Danach wird auch der italische Binnenhandel in die-
selben Gebiete zerfallen sein, welche unter sich verkehrten
gleich fremden Völkern; daſs in Samnium eine Landesmünze
völlig fehlt, ist bezeichnend für die geringere Entwicklung des
Verkehrs in diesen Bergdistricten. In der That scheinen die
früher sehr engen Handelsverbindungen zwischen Latium und
den campanischen Griechen durch die samnitische Einwande-
rung in Campanien merklich gestört worden zu sein, wovon eine
Spur sein möchte die Weigerung der Samniten in Capua und
Cumae in der Hungersnoth von 343 den Römern ferner mit
campanischem Getreide auszuhelfen; während andrerseits viel-
fache Spuren dahin führen, daſs der groſsgriechische, nament-
lich der tarentinische Handel die ganze Ostküste Italiens be-
herrschte. — Als indeſs gegen das Ende dieser Epoche Italien
sich unter römischer Herrschaft vereinigt fand, muſste die
staatliche Einigung auch jene commerciellen Scheidewände
nothwendig beseitigen, während andrerseits die energische
Politik der Römer den Unterthanen das Münzrecht unmöglich
ferner zugestehen konnte und endlich der Eintritt der römisch-
italischen Eidgenossenschaft in das hellenistische Staatensystem
dazu nöthigte mit der nationalen auch die mercantile Isolirung
aufzugeben. In Folge dessen wurden 485 sämmtliche Münzstät-
ten in Italien auf die Prägung von Scheidemünze beschränkt
mit Ausnahme der römischen, in dieser aber ein gemeines ita-
lisches Courant geschlagen, das beruhte auf dem Gleichgewicht
der beiden bisher gangbaren Münzmetalle und dessen Silber-

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[294/0308] ZWEITES BUCH. KAPITEL VIII. nicht so verstanden werden, als sei ein und derselbe Münz- fuſs in all diesen Städten eingeführt worden; vielmehr ist derselbe durchaus örtlich und so auch wohl das Gebiet einer jeden Münze vorwiegend cantonal gewesen. Trotz dieser localen Verschiedenheiten lassen sich die mittel- und norditalischen Kupfermünzfüſse in drei Gruppen zusammenfassen, innerhalb welcher die Münzen im gemeinen Verkehr als gleichartig behan- delt zu sein scheinen: die Münzen der nördlich vom ciminischen Walde gelegenen etruskischen und der umbrischen Städte, die Münzen von Rom und Latium und die des östlichen Littorals; letztere finden wir in ein bestimmtes Verhältniſs gesetzt zu den Silbermünzen, die im südlichen Italien seit alter Zeit gangbar waren und deren Fuſs sich auch die italischen Ein- wanderer, zum Beispiel die Brettier, Lucaner, Nolaner, ja die latinischen Colonien daselbst wie Cales und Suessa und sogar die Römer selbst für ihre unteritalischen Besitzungen aneig- neten. Danach wird auch der italische Binnenhandel in die- selben Gebiete zerfallen sein, welche unter sich verkehrten gleich fremden Völkern; daſs in Samnium eine Landesmünze völlig fehlt, ist bezeichnend für die geringere Entwicklung des Verkehrs in diesen Bergdistricten. In der That scheinen die früher sehr engen Handelsverbindungen zwischen Latium und den campanischen Griechen durch die samnitische Einwande- rung in Campanien merklich gestört worden zu sein, wovon eine Spur sein möchte die Weigerung der Samniten in Capua und Cumae in der Hungersnoth von 343 den Römern ferner mit campanischem Getreide auszuhelfen; während andrerseits viel- fache Spuren dahin führen, daſs der groſsgriechische, nament- lich der tarentinische Handel die ganze Ostküste Italiens be- herrschte. — Als indeſs gegen das Ende dieser Epoche Italien sich unter römischer Herrschaft vereinigt fand, muſste die staatliche Einigung auch jene commerciellen Scheidewände nothwendig beseitigen, während andrerseits die energische Politik der Römer den Unterthanen das Münzrecht unmöglich ferner zugestehen konnte und endlich der Eintritt der römisch- italischen Eidgenossenschaft in das hellenistische Staatensystem dazu nöthigte mit der nationalen auch die mercantile Isolirung aufzugeben. In Folge dessen wurden 485 sämmtliche Münzstät- ten in Italien auf die Prägung von Scheidemünze beschränkt mit Ausnahme der römischen, in dieser aber ein gemeines ita- lisches Courant geschlagen, das beruhte auf dem Gleichgewicht der beiden bisher gangbaren Münzmetalle und dessen Silber-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/308>, abgerufen am 22.11.2024.