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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL I.
theil, fanden sich die römischen durch alles vereinigt,
was sie an das gemeinsame Vaterland band. Dem karthagi-
schen Offizier gewöhnlichen Schlages galten seine Söldner, ja
selbst die libyschen Bauern ungefähr so viel wie heute im
Krieg die Kanonenkugeln gelten; daher Schändlichkeiten wie
zum Beispiel der Verrath der libyschen Truppen durch ihren
Feldherrn Himilko 358, der einen gefährlichen Aufstand der
Libyer zur Folge hatte, und daher jener zum Sprichwort ge-
wordene Ruf der ,punischen Treue', der den Karthagern nicht
wenig geschadet hat. Alles Unheil, welches Fellah- und Söld-
nerheere über einen Staat bringen können, hat Karthago in
vollem Masse erfahren und mehr als einmal seine bezahlten
Knechte gefährlicher erfunden als seine Feinde. -- Die Män-
gel dieses Heerwesens, die die karthagische Regierung nicht
verkennen konnte, suchte man allerdings auf jede Weise zu
ersetzen. Man hielt auf gefüllte Kassen und gefüllte Zeug-
häuser, um jederzeit Söldner ausstatten zu können. Man
wandte grosse Sorgfalt auf das, was bei den Alten die heu-
tige Artillerie vertrat: den Maschinenbau, in welcher Waffe
wir die Karthager den Sikelioten regelmässig überlegen finden,
und die Elephanten, seit diese im Krieg gebraucht wurden
und die älteren bei den Libyern nationalen Streitwagen ver-
drängt hatten; zwischen den Mauern Karthagos waren Stal-
lungen für 300 Elephanten angelegt. Die abhängigen Städte
zu befestigen konnte man freilich nicht wagen und musste es
geschehen lassen, dass jedes in Africa gelandete feindliche
Heer mit dem offenen Lande auch die Städte und Flecken
gewann; recht im Gegensatz zu Italien, wo die meisten unter-
worfenen Städte ihre Mauern behalten hatten und eine Kette
römischer Festungen die ganze Halbinsel beherrschte. Dagegen
für die Befestigung der Hauptstadt bot man auf, was Geld
und Kunst vermochten; und mehrere Male rettete den Staat
nichts als die Stärke der Mauern der Hauptstadt, während
Rom politisch und militärisch so gesichert war, dass es eine
förmliche Belagerung niemals erfahren hat. Endlich das Haupt-
bollwerk des Staats war die Kriegsmarine, auf die man die
grösste Sorgfalt verwandte. Im Bau wie in der Führung der
Schiffe waren die Karthager den Griechen überlegen; in Kar-
thago zuerst baute man Schiffe mit mehr als drei Reihen von
Ruderbänken und die karthagischen Kriegsfahrzeuge, in dieser
Zeit meistens Fünfrudrer, waren in der Regel bessere Segler
als die griechischen, die Ruderer, sämmtlich Staatssclaven, die

DRITTES BUCH. KAPITEL I.
theil, fanden sich die römischen durch alles vereinigt,
was sie an das gemeinsame Vaterland band. Dem karthagi-
schen Offizier gewöhnlichen Schlages galten seine Söldner, ja
selbst die libyschen Bauern ungefähr so viel wie heute im
Krieg die Kanonenkugeln gelten; daher Schändlichkeiten wie
zum Beispiel der Verrath der libyschen Truppen durch ihren
Feldherrn Himilko 358, der einen gefährlichen Aufstand der
Libyer zur Folge hatte, und daher jener zum Sprichwort ge-
wordene Ruf der ‚punischen Treue‘, der den Karthagern nicht
wenig geschadet hat. Alles Unheil, welches Fellah- und Söld-
nerheere über einen Staat bringen können, hat Karthago in
vollem Maſse erfahren und mehr als einmal seine bezahlten
Knechte gefährlicher erfunden als seine Feinde. — Die Män-
gel dieses Heerwesens, die die karthagische Regierung nicht
verkennen konnte, suchte man allerdings auf jede Weise zu
ersetzen. Man hielt auf gefüllte Kassen und gefüllte Zeug-
häuser, um jederzeit Söldner ausstatten zu können. Man
wandte groſse Sorgfalt auf das, was bei den Alten die heu-
tige Artillerie vertrat: den Maschinenbau, in welcher Waffe
wir die Karthager den Sikelioten regelmäſsig überlegen finden,
und die Elephanten, seit diese im Krieg gebraucht wurden
und die älteren bei den Libyern nationalen Streitwagen ver-
drängt hatten; zwischen den Mauern Karthagos waren Stal-
lungen für 300 Elephanten angelegt. Die abhängigen Städte
zu befestigen konnte man freilich nicht wagen und muſste es
geschehen lassen, daſs jedes in Africa gelandete feindliche
Heer mit dem offenen Lande auch die Städte und Flecken
gewann; recht im Gegensatz zu Italien, wo die meisten unter-
worfenen Städte ihre Mauern behalten hatten und eine Kette
römischer Festungen die ganze Halbinsel beherrschte. Dagegen
für die Befestigung der Hauptstadt bot man auf, was Geld
und Kunst vermochten; und mehrere Male rettete den Staat
nichts als die Stärke der Mauern der Hauptstadt, während
Rom politisch und militärisch so gesichert war, daſs es eine
förmliche Belagerung niemals erfahren hat. Endlich das Haupt-
bollwerk des Staats war die Kriegsmarine, auf die man die
gröſste Sorgfalt verwandte. Im Bau wie in der Führung der
Schiffe waren die Karthager den Griechen überlegen; in Kar-
thago zuerst baute man Schiffe mit mehr als drei Reihen von
Ruderbänken und die karthagischen Kriegsfahrzeuge, in dieser
Zeit meistens Fünfrudrer, waren in der Regel bessere Segler
als die griechischen, die Ruderer, sämmtlich Staatssclaven, die

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[328/0342] DRITTES BUCH. KAPITEL I. theil, fanden sich die römischen durch alles vereinigt, was sie an das gemeinsame Vaterland band. Dem karthagi- schen Offizier gewöhnlichen Schlages galten seine Söldner, ja selbst die libyschen Bauern ungefähr so viel wie heute im Krieg die Kanonenkugeln gelten; daher Schändlichkeiten wie zum Beispiel der Verrath der libyschen Truppen durch ihren Feldherrn Himilko 358, der einen gefährlichen Aufstand der Libyer zur Folge hatte, und daher jener zum Sprichwort ge- wordene Ruf der ‚punischen Treue‘, der den Karthagern nicht wenig geschadet hat. Alles Unheil, welches Fellah- und Söld- nerheere über einen Staat bringen können, hat Karthago in vollem Maſse erfahren und mehr als einmal seine bezahlten Knechte gefährlicher erfunden als seine Feinde. — Die Män- gel dieses Heerwesens, die die karthagische Regierung nicht verkennen konnte, suchte man allerdings auf jede Weise zu ersetzen. Man hielt auf gefüllte Kassen und gefüllte Zeug- häuser, um jederzeit Söldner ausstatten zu können. Man wandte groſse Sorgfalt auf das, was bei den Alten die heu- tige Artillerie vertrat: den Maschinenbau, in welcher Waffe wir die Karthager den Sikelioten regelmäſsig überlegen finden, und die Elephanten, seit diese im Krieg gebraucht wurden und die älteren bei den Libyern nationalen Streitwagen ver- drängt hatten; zwischen den Mauern Karthagos waren Stal- lungen für 300 Elephanten angelegt. Die abhängigen Städte zu befestigen konnte man freilich nicht wagen und muſste es geschehen lassen, daſs jedes in Africa gelandete feindliche Heer mit dem offenen Lande auch die Städte und Flecken gewann; recht im Gegensatz zu Italien, wo die meisten unter- worfenen Städte ihre Mauern behalten hatten und eine Kette römischer Festungen die ganze Halbinsel beherrschte. Dagegen für die Befestigung der Hauptstadt bot man auf, was Geld und Kunst vermochten; und mehrere Male rettete den Staat nichts als die Stärke der Mauern der Hauptstadt, während Rom politisch und militärisch so gesichert war, daſs es eine förmliche Belagerung niemals erfahren hat. Endlich das Haupt- bollwerk des Staats war die Kriegsmarine, auf die man die gröſste Sorgfalt verwandte. Im Bau wie in der Führung der Schiffe waren die Karthager den Griechen überlegen; in Kar- thago zuerst baute man Schiffe mit mehr als drei Reihen von Ruderbänken und die karthagischen Kriegsfahrzeuge, in dieser Zeit meistens Fünfrudrer, waren in der Regel bessere Segler als die griechischen, die Ruderer, sämmtlich Staatssclaven, die

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/342>, abgerufen am 22.11.2024.