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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL II.
giren und wer eben Bürgermeister war die Truppen zu be-
fehligen im Stande war. Auf einen Schlag war das alles
umgewandelt. Das Schlachtfeld dehnte sich aus in unabseh-
bare Ferne, in unbekannte Landstriche eines andern Erdtheils
hinein und hinaus über weite Meeresflächen; jede Welle war
dem Feinde eine Strasse, von jedem Hafen aus konnte man
seinen Anmarsch erwarten. Die Belagerung der festen Plätze,
namentlich der Küstenfestungen, an der die ersten Taktiker
Griechenlands so oft gescheitert waren, hatten die Römer jetzt
zum ersten Mal zu versuchen. Man kam nicht mehr aus mit
dem Landheer und mit dem Bürgermilizwesen. Es galt eine
Flotte zu schaffen und was schwieriger war, sie zu gebrauchen,
es galt die wahren Angriffs- und Vertheidigungspuncte zu finden,
die Massen zu vereinigen und zu richten, auf lange Zeit und
weite Ferne die Züge zu berechnen und in einander zu pas-
sen; geschah dies nicht, so konnte der taktisch weit schwä-
chere Feind gar leicht den Stärkeren besiegen. Ist es ein
Wunder, dass die Zügel eines solchen Regiments der Rath-
versammlung und den commandirenden Bürgermeistern ent-
schlüpften? -- Offenbar wusste man beim Beginn des Krieges
nicht was man begann; erst im Laufe des Kampfes drängten
die Unzulänglichkeiten des römischen Systems eine nach der
anderen sich auf: der Mangel einer Seemacht, das Fehlen ei-
ner festen militärischen Leitung, die Unfähigkeit der Feld-
herren, die vollständige Unbrauchbarkeit der Admirale. Zum
Theil half man ihnen ab durch Energie und durch Glück; so
dem Mangel einer Flotte. Aber auch diese gewaltige Schöp-
fung war ein grossartiger Nothbehelf und ist es zu allen Zei-
ten geblieben. Man bildete eine römische Flotte, aber man
nationalisirte sie nur dem Namen nach und behandelte sie
stets stiefmütterlich: der Schiffsdienst blieb gering geschätzt
neben dem hochgeehrten Dienst in den Legionen, die See-
offiziere waren grossentheils italische Griechen, die Bemannung
Unterthanen oder gar Sclaven und Gesindel. Der italische
Bauer war und blieb wasserscheu; unter den drei Dingen,
die Cato in seinem Leben bereute, war das eine, dass er ein
Schiff genommen habe, wo er zu Fuss habe gehen können.
Es lag dies zum Theil wohl in der Natur der Sache, da die
Schiffe Rudergaleeren waren und der Ruderdienst kaum gea-
delt werden kann; allein die Offiziere wenigstens hätte man
heben, ferner eigene Schiffssoldaten bilden können. Man hätte
den Impuls der Nation benutzend allmählich darauf ausgehen

DRITTES BUCH. KAPITEL II.
giren und wer eben Bürgermeister war die Truppen zu be-
fehligen im Stande war. Auf einen Schlag war das alles
umgewandelt. Das Schlachtfeld dehnte sich aus in unabseh-
bare Ferne, in unbekannte Landstriche eines andern Erdtheils
hinein und hinaus über weite Meeresflächen; jede Welle war
dem Feinde eine Straſse, von jedem Hafen aus konnte man
seinen Anmarsch erwarten. Die Belagerung der festen Plätze,
namentlich der Küstenfestungen, an der die ersten Taktiker
Griechenlands so oft gescheitert waren, hatten die Römer jetzt
zum ersten Mal zu versuchen. Man kam nicht mehr aus mit
dem Landheer und mit dem Bürgermilizwesen. Es galt eine
Flotte zu schaffen und was schwieriger war, sie zu gebrauchen,
es galt die wahren Angriffs- und Vertheidigungspuncte zu finden,
die Massen zu vereinigen und zu richten, auf lange Zeit und
weite Ferne die Züge zu berechnen und in einander zu pas-
sen; geschah dies nicht, so konnte der taktisch weit schwä-
chere Feind gar leicht den Stärkeren besiegen. Ist es ein
Wunder, daſs die Zügel eines solchen Regiments der Rath-
versammlung und den commandirenden Bürgermeistern ent-
schlüpften? — Offenbar wuſste man beim Beginn des Krieges
nicht was man begann; erst im Laufe des Kampfes drängten
die Unzulänglichkeiten des römischen Systems eine nach der
anderen sich auf: der Mangel einer Seemacht, das Fehlen ei-
ner festen militärischen Leitung, die Unfähigkeit der Feld-
herren, die vollständige Unbrauchbarkeit der Admirale. Zum
Theil half man ihnen ab durch Energie und durch Glück; so
dem Mangel einer Flotte. Aber auch diese gewaltige Schöp-
fung war ein groſsartiger Nothbehelf und ist es zu allen Zei-
ten geblieben. Man bildete eine römische Flotte, aber man
nationalisirte sie nur dem Namen nach und behandelte sie
stets stiefmütterlich: der Schiffsdienst blieb gering geschätzt
neben dem hochgeehrten Dienst in den Legionen, die See-
offiziere waren groſsentheils italische Griechen, die Bemannung
Unterthanen oder gar Sclaven und Gesindel. Der italische
Bauer war und blieb wasserscheu; unter den drei Dingen,
die Cato in seinem Leben bereute, war das eine, daſs er ein
Schiff genommen habe, wo er zu Fuſs habe gehen können.
Es lag dies zum Theil wohl in der Natur der Sache, da die
Schiffe Rudergaleeren waren und der Ruderdienst kaum gea-
delt werden kann; allein die Offiziere wenigstens hätte man
heben, ferner eigene Schiffssoldaten bilden können. Man hätte
den Impuls der Nation benutzend allmählich darauf ausgehen

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[360/0374] DRITTES BUCH. KAPITEL II. giren und wer eben Bürgermeister war die Truppen zu be- fehligen im Stande war. Auf einen Schlag war das alles umgewandelt. Das Schlachtfeld dehnte sich aus in unabseh- bare Ferne, in unbekannte Landstriche eines andern Erdtheils hinein und hinaus über weite Meeresflächen; jede Welle war dem Feinde eine Straſse, von jedem Hafen aus konnte man seinen Anmarsch erwarten. Die Belagerung der festen Plätze, namentlich der Küstenfestungen, an der die ersten Taktiker Griechenlands so oft gescheitert waren, hatten die Römer jetzt zum ersten Mal zu versuchen. Man kam nicht mehr aus mit dem Landheer und mit dem Bürgermilizwesen. Es galt eine Flotte zu schaffen und was schwieriger war, sie zu gebrauchen, es galt die wahren Angriffs- und Vertheidigungspuncte zu finden, die Massen zu vereinigen und zu richten, auf lange Zeit und weite Ferne die Züge zu berechnen und in einander zu pas- sen; geschah dies nicht, so konnte der taktisch weit schwä- chere Feind gar leicht den Stärkeren besiegen. Ist es ein Wunder, daſs die Zügel eines solchen Regiments der Rath- versammlung und den commandirenden Bürgermeistern ent- schlüpften? — Offenbar wuſste man beim Beginn des Krieges nicht was man begann; erst im Laufe des Kampfes drängten die Unzulänglichkeiten des römischen Systems eine nach der anderen sich auf: der Mangel einer Seemacht, das Fehlen ei- ner festen militärischen Leitung, die Unfähigkeit der Feld- herren, die vollständige Unbrauchbarkeit der Admirale. Zum Theil half man ihnen ab durch Energie und durch Glück; so dem Mangel einer Flotte. Aber auch diese gewaltige Schöp- fung war ein groſsartiger Nothbehelf und ist es zu allen Zei- ten geblieben. Man bildete eine römische Flotte, aber man nationalisirte sie nur dem Namen nach und behandelte sie stets stiefmütterlich: der Schiffsdienst blieb gering geschätzt neben dem hochgeehrten Dienst in den Legionen, die See- offiziere waren groſsentheils italische Griechen, die Bemannung Unterthanen oder gar Sclaven und Gesindel. Der italische Bauer war und blieb wasserscheu; unter den drei Dingen, die Cato in seinem Leben bereute, war das eine, daſs er ein Schiff genommen habe, wo er zu Fuſs habe gehen können. Es lag dies zum Theil wohl in der Natur der Sache, da die Schiffe Rudergaleeren waren und der Ruderdienst kaum gea- delt werden kann; allein die Offiziere wenigstens hätte man heben, ferner eigene Schiffssoldaten bilden können. Man hätte den Impuls der Nation benutzend allmählich darauf ausgehen

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/374>, abgerufen am 25.11.2024.