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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL III.
des Apennin besassen die Römer nur den schmalen Raum
zwischen dem Aesis oberhalb Ancona und dem Rubico unter-
halb Cesena *, ungefähr die heutigen Provinzen Forli und
Urbino. Südlich vom Po behauptete sich noch der mächtige
Keltenstamm der Boier (von Parma bis Bologna), neben denen
östlich die Lingonen, westlich (im heutigen Herzogthum Parma)
die Anaren, zwei kleinere vermuthlich in der Clientel der Boier
stehende keltische Cantone die Ebene ausfüllten. Wo diese
aufhört, begannen die Ligurer, die mit einzelnen keltischen
Stämmen gemischt auf dem Apennin von oberhalb Arezzo
und Pisa an sitzend das Quellgebiet des Po inne hatten. Von
der Ebene nordwärts vom Po hatten die Veneter, verschie-
denen Stammes von den Kelten und wohl illyrischer Abkunft,
den östlichen Theil etwa von Verona bis zur Küste im Besitz;
zwischen ihnen und den westlichen Gebirgen sassen die Ce-
nomanen (um Brescia und Cremona), die selten mit der kel-
tischen Nation hielten und wohl stark mit Venetern gemischt
waren, und die Insubrer (um Mailand), dieser der bedeutend-
ste der italischen Keltengaue und in stetiger Verbindung nicht
bloss mit den kleineren in den Alpenthälern zerstreuten Ge-
meinden theils keltischer, theils anderer Abkunft, sondern auch
mit den Keltengauen jenseits der Alpen. Die Pforten der Alpen,
der mächtige auf 250000 Schritte schiffbare Strom, die grösste
und fruchtbarste Ebene des damaligen civilisirten Europa wa-
ren nach wie vor in den Händen der Erbfeinde des italischen
Namens, die wohl gedemüthigt und geschwächt, doch immer
noch kaum dem Namen nach abhängig und immer noch un-
bequeme Nachbarn, in ihrer Barbarei verharrten und dünn-
gesäet in den weiten Flächen ihre Heerden- und Plünderwirth-
schaft fortführten. Man durfte erwarten, dass die Römer eilen
würden, sich dieser Gebiete zu bemächtigen; um so mehr als
die Kelten allmählich anfingen ihrer Niederlagen in den Feld-
zügen von 471 und 472 zu vergessen und sich wieder zu
regen, ja was noch bedenklicher war die transalpinischen
Kelten wieder begannen diesseit der Alpen sich zu zeigen.
In der That hatten bereits im Jahre 516 die Boier wieder
den Krieg begonnen und deren Herren Atis und Galatas ohne
Auftrag der Landesgemeinde die Transalpiner aufgefordert mit
ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen; zahlreich waren

* Nach den sorgfältigsten neueren Untersuchungen der Localität ist
der Rubico der Fiumicino bei Savignano, der indess jetzt in dem obern
Theil seines Laufs sein Bett verändert hat.

DRITTES BUCH. KAPITEL III.
des Apennin besaſsen die Römer nur den schmalen Raum
zwischen dem Aesis oberhalb Ancona und dem Rubico unter-
halb Cesena *, ungefähr die heutigen Provinzen Forli und
Urbino. Südlich vom Po behauptete sich noch der mächtige
Keltenstamm der Boier (von Parma bis Bologna), neben denen
östlich die Lingonen, westlich (im heutigen Herzogthum Parma)
die Anaren, zwei kleinere vermuthlich in der Clientel der Boier
stehende keltische Cantone die Ebene ausfüllten. Wo diese
aufhört, begannen die Ligurer, die mit einzelnen keltischen
Stämmen gemischt auf dem Apennin von oberhalb Arezzo
und Pisa an sitzend das Quellgebiet des Po inne hatten. Von
der Ebene nordwärts vom Po hatten die Veneter, verschie-
denen Stammes von den Kelten und wohl illyrischer Abkunft,
den östlichen Theil etwa von Verona bis zur Küste im Besitz;
zwischen ihnen und den westlichen Gebirgen saſsen die Ce-
nomanen (um Brescia und Cremona), die selten mit der kel-
tischen Nation hielten und wohl stark mit Venetern gemischt
waren, und die Insubrer (um Mailand), dieser der bedeutend-
ste der italischen Keltengaue und in stetiger Verbindung nicht
bloſs mit den kleineren in den Alpenthälern zerstreuten Ge-
meinden theils keltischer, theils anderer Abkunft, sondern auch
mit den Keltengauen jenseits der Alpen. Die Pforten der Alpen,
der mächtige auf 250000 Schritte schiffbare Strom, die gröſste
und fruchtbarste Ebene des damaligen civilisirten Europa wa-
ren nach wie vor in den Händen der Erbfeinde des italischen
Namens, die wohl gedemüthigt und geschwächt, doch immer
noch kaum dem Namen nach abhängig und immer noch un-
bequeme Nachbarn, in ihrer Barbarei verharrten und dünn-
gesäet in den weiten Flächen ihre Heerden- und Plünderwirth-
schaft fortführten. Man durfte erwarten, daſs die Römer eilen
würden, sich dieser Gebiete zu bemächtigen; um so mehr als
die Kelten allmählich anfingen ihrer Niederlagen in den Feld-
zügen von 471 und 472 zu vergessen und sich wieder zu
regen, ja was noch bedenklicher war die transalpinischen
Kelten wieder begannen diesseit der Alpen sich zu zeigen.
In der That hatten bereits im Jahre 516 die Boier wieder
den Krieg begonnen und deren Herren Atis und Galatas ohne
Auftrag der Landesgemeinde die Transalpiner aufgefordert mit
ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen; zahlreich waren

* Nach den sorgfältigsten neueren Untersuchungen der Localität ist
der Rubico der Fiumicino bei Savignano, der indeſs jetzt in dem obern
Theil seines Laufs sein Bett verändert hat.
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[372/0386] DRITTES BUCH. KAPITEL III. des Apennin besaſsen die Römer nur den schmalen Raum zwischen dem Aesis oberhalb Ancona und dem Rubico unter- halb Cesena *, ungefähr die heutigen Provinzen Forli und Urbino. Südlich vom Po behauptete sich noch der mächtige Keltenstamm der Boier (von Parma bis Bologna), neben denen östlich die Lingonen, westlich (im heutigen Herzogthum Parma) die Anaren, zwei kleinere vermuthlich in der Clientel der Boier stehende keltische Cantone die Ebene ausfüllten. Wo diese aufhört, begannen die Ligurer, die mit einzelnen keltischen Stämmen gemischt auf dem Apennin von oberhalb Arezzo und Pisa an sitzend das Quellgebiet des Po inne hatten. Von der Ebene nordwärts vom Po hatten die Veneter, verschie- denen Stammes von den Kelten und wohl illyrischer Abkunft, den östlichen Theil etwa von Verona bis zur Küste im Besitz; zwischen ihnen und den westlichen Gebirgen saſsen die Ce- nomanen (um Brescia und Cremona), die selten mit der kel- tischen Nation hielten und wohl stark mit Venetern gemischt waren, und die Insubrer (um Mailand), dieser der bedeutend- ste der italischen Keltengaue und in stetiger Verbindung nicht bloſs mit den kleineren in den Alpenthälern zerstreuten Ge- meinden theils keltischer, theils anderer Abkunft, sondern auch mit den Keltengauen jenseits der Alpen. Die Pforten der Alpen, der mächtige auf 250000 Schritte schiffbare Strom, die gröſste und fruchtbarste Ebene des damaligen civilisirten Europa wa- ren nach wie vor in den Händen der Erbfeinde des italischen Namens, die wohl gedemüthigt und geschwächt, doch immer noch kaum dem Namen nach abhängig und immer noch un- bequeme Nachbarn, in ihrer Barbarei verharrten und dünn- gesäet in den weiten Flächen ihre Heerden- und Plünderwirth- schaft fortführten. Man durfte erwarten, daſs die Römer eilen würden, sich dieser Gebiete zu bemächtigen; um so mehr als die Kelten allmählich anfingen ihrer Niederlagen in den Feld- zügen von 471 und 472 zu vergessen und sich wieder zu regen, ja was noch bedenklicher war die transalpinischen Kelten wieder begannen diesseit der Alpen sich zu zeigen. In der That hatten bereits im Jahre 516 die Boier wieder den Krieg begonnen und deren Herren Atis und Galatas ohne Auftrag der Landesgemeinde die Transalpiner aufgefordert mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen; zahlreich waren * Nach den sorgfältigsten neueren Untersuchungen der Localität ist der Rubico der Fiumicino bei Savignano, der indeſs jetzt in dem obern Theil seines Laufs sein Bett verändert hat.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/386>, abgerufen am 26.11.2024.