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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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HAMILKAR UND HANNIBAL.
der Friedenspartei in Karthago manche weiter sahen, versteht
sich; allein wie sie dachten, konnten sie schwerlich sich gedrun-
gen fühlen ihre römischen Freunde aufzuklären über den dro-
henden Sturm, den zu beschwören die karthagischen Behörden
längst ausser Stande waren, und wenn es geschah, so mochte
man in Rom solchen Parteidenunciationen mit Fug den Glauben
versagen. Allerdings musste die unbegreiflich rasche und gewal-
tige Ausbreitung der karthagischen Macht in Spanien allmäh-
lich die Aufmerksamkeit und die Besorgnisse der Römer er-
wecken; wie sie ihr denn auch in der That in den letzten Jahren
vor dem Ausbruch des Krieges Schranken zu setzen versuchten.
Um das Jahr 528 schlossen sie, ihres jungen Hellenenthums
eingedenk, mit den beiden griechischen oder halbgriechischen
Städten an der spanischen Ostküste, Zakynthos oder Sagun-
tum (Murviedro unweit Valencia) und Emporiae (Ampurias)
Bündniss und indem sie den karthagischen Feldherrn Has-
drubal davon in Kenntniss setzten, wiesen sie ihn zugleich
an den Ebro nicht erobernd zu überschreiten, was auch zu-
gesagt ward. Es geschah dies keineswegs um einen Einfall
in Italien auf dem Landweg zu hindern -- den Feldherrn,
der diesen unternahm, konnte ein Vertrag nicht fesseln --
sondern theils um der materiellen Macht der spanischen Kar-
thager, die gefährlich zu werden begann, eine Grenze zu
stecken, theils um sich an den freien Gemeinden zwischen
dem Ebro und den Pyrenäen, die Rom also unter seinen
Schutz nahm, einen sicheren Anhalt zu bereiten für den Fall,
dass eine Landung und ein Krieg in Spanien nothwendig werden
sollte. Für den nächsten Krieg mit Karthago, über dessen Un-
vermeidlichkeit der Senat sich nie getäuscht hat, besorgte man
von den spanischen Ereignissen schwerlich grössere Nachtheile,
als dass man genöthigt werden könne einige Legionen nach
Spanien zu senden und dass der Feind mit Geld und Soldaten
etwas besser versehen sein werde als er ohne Spanien es ge-
wesen wäre; war man doch fest entschlossen, wie der Feldzugs-
plan von 536 beweist, und wie es auch gar nicht anders sein
konnte, den nächsten Krieg in Africa zu beginnen und zu be-
endigen, womit dann über Spanien zugleich entschieden war.
Dazu kamen in den ersten Jahren die karthagischen Contribu-
tionen, welche die Kriegserklärung abgeschnitten hätte, alsdann
Hamilkars Tod, von dem Freunde und Feinde urtheilen moch-
ten, dass seine Entwürfe mit ihm gestorben seien, endlich in den
letzten Jahren, wo der Senat allerdings zu begreifen anfing, dass

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HAMILKAR UND HANNIBAL.
der Friedenspartei in Karthago manche weiter sahen, versteht
sich; allein wie sie dachten, konnten sie schwerlich sich gedrun-
gen fühlen ihre römischen Freunde aufzuklären über den dro-
henden Sturm, den zu beschwören die karthagischen Behörden
längst auſser Stande waren, und wenn es geschah, so mochte
man in Rom solchen Parteidenunciationen mit Fug den Glauben
versagen. Allerdings muſste die unbegreiflich rasche und gewal-
tige Ausbreitung der karthagischen Macht in Spanien allmäh-
lich die Aufmerksamkeit und die Besorgnisse der Römer er-
wecken; wie sie ihr denn auch in der That in den letzten Jahren
vor dem Ausbruch des Krieges Schranken zu setzen versuchten.
Um das Jahr 528 schlossen sie, ihres jungen Hellenenthums
eingedenk, mit den beiden griechischen oder halbgriechischen
Städten an der spanischen Ostküste, Zakynthos oder Sagun-
tum (Murviedro unweit Valencia) und Emporiae (Ampurias)
Bündniſs und indem sie den karthagischen Feldherrn Has-
drubal davon in Kenntniſs setzten, wiesen sie ihn zugleich
an den Ebro nicht erobernd zu überschreiten, was auch zu-
gesagt ward. Es geschah dies keineswegs um einen Einfall
in Italien auf dem Landweg zu hindern — den Feldherrn,
der diesen unternahm, konnte ein Vertrag nicht fesseln —
sondern theils um der materiellen Macht der spanischen Kar-
thager, die gefährlich zu werden begann, eine Grenze zu
stecken, theils um sich an den freien Gemeinden zwischen
dem Ebro und den Pyrenäen, die Rom also unter seinen
Schutz nahm, einen sicheren Anhalt zu bereiten für den Fall,
daſs eine Landung und ein Krieg in Spanien nothwendig werden
sollte. Für den nächsten Krieg mit Karthago, über dessen Un-
vermeidlichkeit der Senat sich nie getäuscht hat, besorgte man
von den spanischen Ereignissen schwerlich gröſsere Nachtheile,
als daſs man genöthigt werden könne einige Legionen nach
Spanien zu senden und daſs der Feind mit Geld und Soldaten
etwas besser versehen sein werde als er ohne Spanien es ge-
wesen wäre; war man doch fest entschlossen, wie der Feldzugs-
plan von 536 beweist, und wie es auch gar nicht anders sein
konnte, den nächsten Krieg in Africa zu beginnen und zu be-
endigen, womit dann über Spanien zugleich entschieden war.
Dazu kamen in den ersten Jahren die karthagischen Contribu-
tionen, welche die Kriegserklärung abgeschnitten hätte, alsdann
Hamilkars Tod, von dem Freunde und Feinde urtheilen moch-
ten, daſs seine Entwürfe mit ihm gestorben seien, endlich in den
letzten Jahren, wo der Senat allerdings zu begreifen anfing, daſs

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[387/0401] HAMILKAR UND HANNIBAL. der Friedenspartei in Karthago manche weiter sahen, versteht sich; allein wie sie dachten, konnten sie schwerlich sich gedrun- gen fühlen ihre römischen Freunde aufzuklären über den dro- henden Sturm, den zu beschwören die karthagischen Behörden längst auſser Stande waren, und wenn es geschah, so mochte man in Rom solchen Parteidenunciationen mit Fug den Glauben versagen. Allerdings muſste die unbegreiflich rasche und gewal- tige Ausbreitung der karthagischen Macht in Spanien allmäh- lich die Aufmerksamkeit und die Besorgnisse der Römer er- wecken; wie sie ihr denn auch in der That in den letzten Jahren vor dem Ausbruch des Krieges Schranken zu setzen versuchten. Um das Jahr 528 schlossen sie, ihres jungen Hellenenthums eingedenk, mit den beiden griechischen oder halbgriechischen Städten an der spanischen Ostküste, Zakynthos oder Sagun- tum (Murviedro unweit Valencia) und Emporiae (Ampurias) Bündniſs und indem sie den karthagischen Feldherrn Has- drubal davon in Kenntniſs setzten, wiesen sie ihn zugleich an den Ebro nicht erobernd zu überschreiten, was auch zu- gesagt ward. Es geschah dies keineswegs um einen Einfall in Italien auf dem Landweg zu hindern — den Feldherrn, der diesen unternahm, konnte ein Vertrag nicht fesseln — sondern theils um der materiellen Macht der spanischen Kar- thager, die gefährlich zu werden begann, eine Grenze zu stecken, theils um sich an den freien Gemeinden zwischen dem Ebro und den Pyrenäen, die Rom also unter seinen Schutz nahm, einen sicheren Anhalt zu bereiten für den Fall, daſs eine Landung und ein Krieg in Spanien nothwendig werden sollte. Für den nächsten Krieg mit Karthago, über dessen Un- vermeidlichkeit der Senat sich nie getäuscht hat, besorgte man von den spanischen Ereignissen schwerlich gröſsere Nachtheile, als daſs man genöthigt werden könne einige Legionen nach Spanien zu senden und daſs der Feind mit Geld und Soldaten etwas besser versehen sein werde als er ohne Spanien es ge- wesen wäre; war man doch fest entschlossen, wie der Feldzugs- plan von 536 beweist, und wie es auch gar nicht anders sein konnte, den nächsten Krieg in Africa zu beginnen und zu be- endigen, womit dann über Spanien zugleich entschieden war. Dazu kamen in den ersten Jahren die karthagischen Contribu- tionen, welche die Kriegserklärung abgeschnitten hätte, alsdann Hamilkars Tod, von dem Freunde und Feinde urtheilen moch- ten, daſs seine Entwürfe mit ihm gestorben seien, endlich in den letzten Jahren, wo der Senat allerdings zu begreifen anfing, daſs 25*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/401>, abgerufen am 24.11.2024.