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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
karthagischen Gegners. Bald war sein Name auf allen Lippen
und er der Stern, der seinem Lande Sieg und Frieden zu
bringen bestimmt schien.

Publius Scipio ging nach Spanien 544/5 ab, begleitet
von dem Propraetor Marcus Silanus, der an Neros Stelle
treten und dem jungen Oberfeldherrn als Beistand und Rath
dienen sollte, und von seinem Flottenführer und Vertrauten
Gaius Laelius, ausgerüstet abermals mit einer überzählig star-
ken Legion und einer wohlgefüllten Kasse. Gleich sein erstes
Auftreten bezeichnet einer der kühnsten und glücklichsten
Handstreiche, die die Geschichte kennt. Die drei kartha-
gischen Heerführer standen Hasdrubal Barkas an den Quellen,
Hasdrubal Gisgons Sohn an der Mündung des Tajo, Mago an
den Säulen des Herkules; der nächste von ihnen um zehn
Tagemärsche entfernt von der punischen Hauptstadt Neukar-
thago. Plötzlich im Frühjahr 545, ehe noch die feindlichen
Heere sich in Bewegung setzten, brach Scipio gegen diese Stadt,
die er von der Ebromündung aus in wenigen Tagen auf dem
Küstenweg erreichen konnte, mit seiner ganzen Armee von un-
gefähr 30000 Mann und der Flotte auf und überraschte die
nicht über 1000 Mann starke punische Besatzung mit einem
plötzlichen combinirten Angriff zu Wasser und zu Lande.
Die Stadt, auf einer in den Hafen hinein vorspringenden
Landspitze gelegen, sah sich zugleich auf drei Seiten von der
römischen Flotte, auf der vierten von den Legionen bedroht
und jede Hülfe war weit entfernt; indess wehrte der Com-
mandant Mago sich mit Entschlossenheit und bewaffnete die
Bürgerschaft, da die Soldaten nicht ausreichten um die Mauern
zu besetzen. Es ward ein Ausfall versucht, welchen indess die
Römer ohne Mühe zurückschlugen. Alsdann begann ihrerseits
von der Landseite der Sturm gegen die Mauern, ohne dass sie
zu der Eröffnung einer regelmässigen Belagerung sich die Zeit
nahmen. Heftig drängten die Römer auf dem schmalen Land-
weg gegen die Stadt; immer neue Colonnen lösten die ermü-
deten Stürmer ab; die schwache Besatzung war aufs Aeusserste
erschöpft, aber einen Erfolg hatten die Römer nicht gewonnen.
Scipio hatte auch keinen erwartet; der Sturm hatte bloss den
Zweck die Besatzung wegzuziehen von der Hafenseite, wo er,
unterrichtet davon, dass ein Theil des Hafens zur Ebbezeit
trocken liege, einen zweiten Angriff beabsichtigte. Während
an der Landseite der Sturm tobte, sandte Scipio eine Abthei-
lung mit Leitern über das Watt, ,wo Neptun ihnen selbst den

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karthagischen Gegners. Bald war sein Name auf allen Lippen
und er der Stern, der seinem Lande Sieg und Frieden zu
bringen bestimmt schien.

Publius Scipio ging nach Spanien 544/5 ab, begleitet
von dem Propraetor Marcus Silanus, der an Neros Stelle
treten und dem jungen Oberfeldherrn als Beistand und Rath
dienen sollte, und von seinem Flottenführer und Vertrauten
Gaius Laelius, ausgerüstet abermals mit einer überzählig star-
ken Legion und einer wohlgefüllten Kasse. Gleich sein erstes
Auftreten bezeichnet einer der kühnsten und glücklichsten
Handstreiche, die die Geschichte kennt. Die drei kartha-
gischen Heerführer standen Hasdrubal Barkas an den Quellen,
Hasdrubal Gisgons Sohn an der Mündung des Tajo, Mago an
den Säulen des Herkules; der nächste von ihnen um zehn
Tagemärsche entfernt von der punischen Hauptstadt Neukar-
thago. Plötzlich im Frühjahr 545, ehe noch die feindlichen
Heere sich in Bewegung setzten, brach Scipio gegen diese Stadt,
die er von der Ebromündung aus in wenigen Tagen auf dem
Küstenweg erreichen konnte, mit seiner ganzen Armee von un-
gefähr 30000 Mann und der Flotte auf und überraschte die
nicht über 1000 Mann starke punische Besatzung mit einem
plötzlichen combinirten Angriff zu Wasser und zu Lande.
Die Stadt, auf einer in den Hafen hinein vorspringenden
Landspitze gelegen, sah sich zugleich auf drei Seiten von der
römischen Flotte, auf der vierten von den Legionen bedroht
und jede Hülfe war weit entfernt; indeſs wehrte der Com-
mandant Mago sich mit Entschlossenheit und bewaffnete die
Bürgerschaft, da die Soldaten nicht ausreichten um die Mauern
zu besetzen. Es ward ein Ausfall versucht, welchen indeſs die
Römer ohne Mühe zurückschlugen. Alsdann begann ihrerseits
von der Landseite der Sturm gegen die Mauern, ohne daſs sie
zu der Eröffnung einer regelmäſsigen Belagerung sich die Zeit
nahmen. Heftig drängten die Römer auf dem schmalen Land-
weg gegen die Stadt; immer neue Colonnen lösten die ermü-
deten Stürmer ab; die schwache Besatzung war aufs Aeuſserste
erschöpft, aber einen Erfolg hatten die Römer nicht gewonnen.
Scipio hatte auch keinen erwartet; der Sturm hatte bloſs den
Zweck die Besatzung wegzuziehen von der Hafenseite, wo er,
unterrichtet davon, daſs ein Theil des Hafens zur Ebbezeit
trocken liege, einen zweiten Angriff beabsichtigte. Während
an der Landseite der Sturm tobte, sandte Scipio eine Abthei-
lung mit Leitern über das Watt, ‚wo Neptun ihnen selbst den

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[452/0466] DRITTES BUCH. KAPITEL VI. karthagischen Gegners. Bald war sein Name auf allen Lippen und er der Stern, der seinem Lande Sieg und Frieden zu bringen bestimmt schien. Publius Scipio ging nach Spanien 544/5 ab, begleitet von dem Propraetor Marcus Silanus, der an Neros Stelle treten und dem jungen Oberfeldherrn als Beistand und Rath dienen sollte, und von seinem Flottenführer und Vertrauten Gaius Laelius, ausgerüstet abermals mit einer überzählig star- ken Legion und einer wohlgefüllten Kasse. Gleich sein erstes Auftreten bezeichnet einer der kühnsten und glücklichsten Handstreiche, die die Geschichte kennt. Die drei kartha- gischen Heerführer standen Hasdrubal Barkas an den Quellen, Hasdrubal Gisgons Sohn an der Mündung des Tajo, Mago an den Säulen des Herkules; der nächste von ihnen um zehn Tagemärsche entfernt von der punischen Hauptstadt Neukar- thago. Plötzlich im Frühjahr 545, ehe noch die feindlichen Heere sich in Bewegung setzten, brach Scipio gegen diese Stadt, die er von der Ebromündung aus in wenigen Tagen auf dem Küstenweg erreichen konnte, mit seiner ganzen Armee von un- gefähr 30000 Mann und der Flotte auf und überraschte die nicht über 1000 Mann starke punische Besatzung mit einem plötzlichen combinirten Angriff zu Wasser und zu Lande. Die Stadt, auf einer in den Hafen hinein vorspringenden Landspitze gelegen, sah sich zugleich auf drei Seiten von der römischen Flotte, auf der vierten von den Legionen bedroht und jede Hülfe war weit entfernt; indeſs wehrte der Com- mandant Mago sich mit Entschlossenheit und bewaffnete die Bürgerschaft, da die Soldaten nicht ausreichten um die Mauern zu besetzen. Es ward ein Ausfall versucht, welchen indeſs die Römer ohne Mühe zurückschlugen. Alsdann begann ihrerseits von der Landseite der Sturm gegen die Mauern, ohne daſs sie zu der Eröffnung einer regelmäſsigen Belagerung sich die Zeit nahmen. Heftig drängten die Römer auf dem schmalen Land- weg gegen die Stadt; immer neue Colonnen lösten die ermü- deten Stürmer ab; die schwache Besatzung war aufs Aeuſserste erschöpft, aber einen Erfolg hatten die Römer nicht gewonnen. Scipio hatte auch keinen erwartet; der Sturm hatte bloſs den Zweck die Besatzung wegzuziehen von der Hafenseite, wo er, unterrichtet davon, daſs ein Theil des Hafens zur Ebbezeit trocken liege, einen zweiten Angriff beabsichtigte. Während an der Landseite der Sturm tobte, sandte Scipio eine Abthei- lung mit Leitern über das Watt, ‚wo Neptun ihnen selbst den

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/466>, abgerufen am 24.11.2024.