Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ANFAENGE ROMS. genossenschaft des Attus Clauzus oder Appius Claudius mitihren Clienten nach Rom übersiedelte, eine Mark am rechten Ufer des Anio angewiesen erhielt und in Sprache und Natio- nalität schnell sich verschmolz mit der römischen Gemeinde. Jene Latinisirung der Titier selbst beweist am besten, was schon der Name der Gemeinschaft und das innerhalb dersel- ben den Ramnern zustehende Rangvorrecht anzeigen, dass trotz jener Dreitheilung die Eidgenossenschaft nie etwas an- deres war noch sein wollte als ein Theil der latinischen Nation, in dem die Ramner waren was Alba in der albischen, und dass man sehr mit Unrecht Gewicht gelegt hat auf den Unter- schied der Ramner und der Titier und beider von den Luce- rern, deren Vereinigung man sich viel mehr als die Zusammen- ziehung dreier stammgleicher oder stammverwandter Bauer- schaften zu denken hat denn als die Vereinigung dreier we- sentlich ungleicher Völkerschaften. Wenden wir lieber den Blick auf das städtische Gemeinwesen in Rom, dessen mer- cantile und strategische Machtentwicklung zu verfolgen bei weitem wichtiger und ausführbarer ist als das unfruchtbare Geschäft unbedeutende und wenig verschiedene Gemeinden der Urzeit chemisch zu analysiren. Jene Entwicklung kön- nen wir noch einigermassen erkennen in den Ueberlieferungen über die allmählig entstandenen Umwallungen und Verschan- zungen der Stadt Rom, deren Anlage mit der Entwicklung des römischen Gemeinwesens zu städtischer Bedeutung noth- wendig Hand in Hand gegangen sein muss. Dass die drei verschiedenen Gemeinden, aus denen die 3*
ANFAENGE ROMS. genossenschaft des Attus Clauzus oder Appius Claudius mitihren Clienten nach Rom übersiedelte, eine Mark am rechten Ufer des Anio angewiesen erhielt und in Sprache und Natio- nalität schnell sich verschmolz mit der römischen Gemeinde. Jene Latinisirung der Titier selbst beweist am besten, was schon der Name der Gemeinschaft und das innerhalb dersel- ben den Ramnern zustehende Rangvorrecht anzeigen, daſs trotz jener Dreitheilung die Eidgenossenschaft nie etwas an- deres war noch sein wollte als ein Theil der latinischen Nation, in dem die Ramner waren was Alba in der albischen, und daſs man sehr mit Unrecht Gewicht gelegt hat auf den Unter- schied der Ramner und der Titier und beider von den Luce- rern, deren Vereinigung man sich viel mehr als die Zusammen- ziehung dreier stammgleicher oder stammverwandter Bauer- schaften zu denken hat denn als die Vereinigung dreier we- sentlich ungleicher Völkerschaften. Wenden wir lieber den Blick auf das städtische Gemeinwesen in Rom, dessen mer- cantile und strategische Machtentwicklung zu verfolgen bei weitem wichtiger und ausführbarer ist als das unfruchtbare Geschäft unbedeutende und wenig verschiedene Gemeinden der Urzeit chemisch zu analysiren. Jene Entwicklung kön- nen wir noch einigermaſsen erkennen in den Ueberlieferungen über die allmählig entstandenen Umwallungen und Verschan- zungen der Stadt Rom, deren Anlage mit der Entwicklung des römischen Gemeinwesens zu städtischer Bedeutung noth- wendig Hand in Hand gegangen sein muſs. Dass die drei verschiedenen Gemeinden, aus denen die 3*
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ANFAENGE ROMS.
genossenschaft des Attus Clauzus oder Appius Claudius mit
ihren Clienten nach Rom übersiedelte, eine Mark am rechten
Ufer des Anio angewiesen erhielt und in Sprache und Natio-
nalität schnell sich verschmolz mit der römischen Gemeinde.
Jene Latinisirung der Titier selbst beweist am besten, was
schon der Name der Gemeinschaft und das innerhalb dersel-
ben den Ramnern zustehende Rangvorrecht anzeigen, daſs
trotz jener Dreitheilung die Eidgenossenschaft nie etwas an-
deres war noch sein wollte als ein Theil der latinischen Nation,
in dem die Ramner waren was Alba in der albischen, und
daſs man sehr mit Unrecht Gewicht gelegt hat auf den Unter-
schied der Ramner und der Titier und beider von den Luce-
rern, deren Vereinigung man sich viel mehr als die Zusammen-
ziehung dreier stammgleicher oder stammverwandter Bauer-
schaften zu denken hat denn als die Vereinigung dreier we-
sentlich ungleicher Völkerschaften. Wenden wir lieber den
Blick auf das städtische Gemeinwesen in Rom, dessen mer-
cantile und strategische Machtentwicklung zu verfolgen bei
weitem wichtiger und ausführbarer ist als das unfruchtbare
Geschäft unbedeutende und wenig verschiedene Gemeinden
der Urzeit chemisch zu analysiren. Jene Entwicklung kön-
nen wir noch einigermaſsen erkennen in den Ueberlieferungen
über die allmählig entstandenen Umwallungen und Verschan-
zungen der Stadt Rom, deren Anlage mit der Entwicklung
des römischen Gemeinwesens zu städtischer Bedeutung noth-
wendig Hand in Hand gegangen sein muſs.
Dass die drei verschiedenen Gemeinden, aus denen die
älteste römische entstanden ist, jemals auf den sieben Hügeln
getrennte Umwallungen eingenommen haben, ist eine Sage,
die zu historisiren man in alter und neuer Zeit umsonst be-
müht gewesen ist und die der verständige Forscher dahin
stellen wird, wo die Schlacht am Palatin und das anmuthige
Mährchen von der Tarpeia ihren Platz finden. Wohl aber
besteht ein wirklicher und sehr bestimmter Gegensatz zwischen
der Befestigung des Capitols und der Umwallung der Stadt.
Das Capitolium ist dem Namen wie der Sache nach die Akra
der Römer; daſs die Befestigung dieser Burg zurückweist in
die Zeit, wo es noch gar in dieser Gegend eine städtische
Ansiedlung nicht gab, zeigt die bis in späte Zeit festgehaltene
Weise, nach der auf dieser Doppelspitze Privatwohnungen
nicht standen, vielleicht nicht stehen durften: der Raum zwi-
schen den beiden Höhen, das Heiligthum des schlimmen Iu-
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