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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN.
Die Eingebornen dagegen machten den Römern unsäglich zu
schaffen. Zwar fehlte es keineswegs an Ansätzen zu einer
national-iberischen Civilisation, von deren Eigenthümlichkeit
freilich es uns nicht wohl möglich ist eine deutliche Vorstel-
lung zu gewinnen. Wir finden bei den Iberern eine weit-
verbreitete nationale Schrift, die sich in zwei Hauptarten, die
des Ebrothals und die andalusische und vermuthlich jede von
diesen wieder in mannigfache Verzweigungen spaltet und
deren Ursprung in sehr frühe Zeit hinaufzureichen und eher
auf das altgriechische als auf das punische Alphabet zurück-
zugehen scheint. Von den Turdetanern (um Sevilla) ist sogar
überliefert, dass sie Lieder aus uralter Zeit, ein metrisches
Gesetzbuch von 6000 Zeilen, ja sogar geschichtliche Aufzeich-
nungen besassen; allerdings wird diese Völkerschaft die civi-
lisirteste unter allen spanischen genannt und zugleich die am
wenigsten kriegerische, wie sie denn auch ihre Kriege regel-
mässig mit fremden Söldnern führte. Auf dieselbe Gegend
werden auch wohl Polybios Schilderungen zu beziehen sein
von dem blühenden Stand des Ackerbaus und der Viehzucht
in Spanien, durch die bei dem Mangel an Ausfuhrgelegenheit
Korn und Fleisch um Spottpreise zu haben war, und von den
prächtigen Königspalästen mit den goldenen und silbernen
Krügen voll ,Gerstenwein'. Auch die Culturelemente, die
die Römer mitbrachten, fasste wenigstens ein Theil der Spanier
eifrig auf, so dass früher als irgendwo sonst in den über-
seeischen Provinzen eine Latinisirung sich in Spanien vor-
bereitete. So kam zum Beispiel schon in dieser Epoche der
Gebrauch der warmen Bäder nach italischer Weise auch bei den
Eingebornen auf. Auch das römische Geld ist allem Anschein
nach weit früher als irgendwo sonst ausserhalb Italien in
Spanien nicht bloss gangbar, sondern auch nachgemünzt wor-
den; was durch die reichen Silberbergwerke des Landes
einigermassen begreiflich wird. Das sogenannte ,Silber von
Osca' (jetzt Huesca in Arragonien), das heisst spanische Denare
mit iberischen Aufschriften, wird schon 559 erwähnt und viel
später kann die Prägung schon desshalb nicht begonnen haben,
weil das Gepräge dem der ältesten römischen Denare nach-
geahmt ist. Im innern Spanien dagegen, zum Beispiel in
Intercatia noch um 600, kannte man den Gebrauch des Gol-
des und Silbers nicht. Allein mochte auch in den südlichen
und östlichen Landschaften die Gesittung der Eingebornen der
römischen Civilisation und der römischen Herrschaft soweit

DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN.
Die Eingebornen dagegen machten den Römern unsäglich zu
schaffen. Zwar fehlte es keineswegs an Ansätzen zu einer
national-iberischen Civilisation, von deren Eigenthümlichkeit
freilich es uns nicht wohl möglich ist eine deutliche Vorstel-
lung zu gewinnen. Wir finden bei den Iberern eine weit-
verbreitete nationale Schrift, die sich in zwei Hauptarten, die
des Ebrothals und die andalusische und vermuthlich jede von
diesen wieder in mannigfache Verzweigungen spaltet und
deren Ursprung in sehr frühe Zeit hinaufzureichen und eher
auf das altgriechische als auf das punische Alphabet zurück-
zugehen scheint. Von den Turdetanern (um Sevilla) ist sogar
überliefert, daſs sie Lieder aus uralter Zeit, ein metrisches
Gesetzbuch von 6000 Zeilen, ja sogar geschichtliche Aufzeich-
nungen besaſsen; allerdings wird diese Völkerschaft die civi-
lisirteste unter allen spanischen genannt und zugleich die am
wenigsten kriegerische, wie sie denn auch ihre Kriege regel-
mäſsig mit fremden Söldnern führte. Auf dieselbe Gegend
werden auch wohl Polybios Schilderungen zu beziehen sein
von dem blühenden Stand des Ackerbaus und der Viehzucht
in Spanien, durch die bei dem Mangel an Ausfuhrgelegenheit
Korn und Fleisch um Spottpreise zu haben war, und von den
prächtigen Königspalästen mit den goldenen und silbernen
Krügen voll ‚Gerstenwein‘. Auch die Culturelemente, die
die Römer mitbrachten, faſste wenigstens ein Theil der Spanier
eifrig auf, so daſs früher als irgendwo sonst in den über-
seeischen Provinzen eine Latinisirung sich in Spanien vor-
bereitete. So kam zum Beispiel schon in dieser Epoche der
Gebrauch der warmen Bäder nach italischer Weise auch bei den
Eingebornen auf. Auch das römische Geld ist allem Anschein
nach weit früher als irgendwo sonst auſserhalb Italien in
Spanien nicht bloſs gangbar, sondern auch nachgemünzt wor-
den; was durch die reichen Silberbergwerke des Landes
einigermaſsen begreiflich wird. Das sogenannte ‚Silber von
Osca‘ (jetzt Huesca in Arragonien), das heiſst spanische Denare
mit iberischen Aufschriften, wird schon 559 erwähnt und viel
später kann die Prägung schon deſshalb nicht begonnen haben,
weil das Gepräge dem der ältesten römischen Denare nach-
geahmt ist. Im innern Spanien dagegen, zum Beispiel in
Intercatia noch um 600, kannte man den Gebrauch des Gol-
des und Silbers nicht. Allein mochte auch in den südlichen
und östlichen Landschaften die Gesittung der Eingebornen der
römischen Civilisation und der römischen Herrschaft soweit

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[495/0509] DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN. Die Eingebornen dagegen machten den Römern unsäglich zu schaffen. Zwar fehlte es keineswegs an Ansätzen zu einer national-iberischen Civilisation, von deren Eigenthümlichkeit freilich es uns nicht wohl möglich ist eine deutliche Vorstel- lung zu gewinnen. Wir finden bei den Iberern eine weit- verbreitete nationale Schrift, die sich in zwei Hauptarten, die des Ebrothals und die andalusische und vermuthlich jede von diesen wieder in mannigfache Verzweigungen spaltet und deren Ursprung in sehr frühe Zeit hinaufzureichen und eher auf das altgriechische als auf das punische Alphabet zurück- zugehen scheint. Von den Turdetanern (um Sevilla) ist sogar überliefert, daſs sie Lieder aus uralter Zeit, ein metrisches Gesetzbuch von 6000 Zeilen, ja sogar geschichtliche Aufzeich- nungen besaſsen; allerdings wird diese Völkerschaft die civi- lisirteste unter allen spanischen genannt und zugleich die am wenigsten kriegerische, wie sie denn auch ihre Kriege regel- mäſsig mit fremden Söldnern führte. Auf dieselbe Gegend werden auch wohl Polybios Schilderungen zu beziehen sein von dem blühenden Stand des Ackerbaus und der Viehzucht in Spanien, durch die bei dem Mangel an Ausfuhrgelegenheit Korn und Fleisch um Spottpreise zu haben war, und von den prächtigen Königspalästen mit den goldenen und silbernen Krügen voll ‚Gerstenwein‘. Auch die Culturelemente, die die Römer mitbrachten, faſste wenigstens ein Theil der Spanier eifrig auf, so daſs früher als irgendwo sonst in den über- seeischen Provinzen eine Latinisirung sich in Spanien vor- bereitete. So kam zum Beispiel schon in dieser Epoche der Gebrauch der warmen Bäder nach italischer Weise auch bei den Eingebornen auf. Auch das römische Geld ist allem Anschein nach weit früher als irgendwo sonst auſserhalb Italien in Spanien nicht bloſs gangbar, sondern auch nachgemünzt wor- den; was durch die reichen Silberbergwerke des Landes einigermaſsen begreiflich wird. Das sogenannte ‚Silber von Osca‘ (jetzt Huesca in Arragonien), das heiſst spanische Denare mit iberischen Aufschriften, wird schon 559 erwähnt und viel später kann die Prägung schon deſshalb nicht begonnen haben, weil das Gepräge dem der ältesten römischen Denare nach- geahmt ist. Im innern Spanien dagegen, zum Beispiel in Intercatia noch um 600, kannte man den Gebrauch des Gol- des und Silbers nicht. Allein mochte auch in den südlichen und östlichen Landschaften die Gesittung der Eingebornen der römischen Civilisation und der römischen Herrschaft soweit

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/509>, abgerufen am 22.11.2024.