Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. Philippos Art gering zu schätzen. Die Unterstützung, diePhilippos nach dem Frieden mit Rom den Karthagern gewährt haben sollte, war offenbar nicht erweislich. Die römischen Unterthanen in der illyrischen Landschaft beschwerten sich zwar schon seit längerer Zeit über die makedonischen Ueber- griffe. Schon 551 hatte ein römischer Gesandter an der Spitze des illyrischen Aufgebots Philippos Schaaren aus dem illy- rischen Gebiet hinausgeschlagen und der Senat hatte dess- wegen den Gesandten des Königs 552 erklärt, wenn er Krieg suche, werde er ihn früher finden als ihm lieb sei. Allein diese Uebergriffe waren eben nichts als die gewöhnlichen Frevel, wie Philippos sie gegen seine Nachbarn übte; eine Verhandlung darüber hätte im gegenwärtigen Augenblick zur Demüthigung und Sühnung, aber nicht zum Kriege geführt. Mit den sämmtlichen kriegführenden Mächten im Osten stand die römische Gemeinde dem Namen nach in Freundschaft und hätte ihnen Beistand gegen den Angriff gewähren können. Allein Rhodos und Pergamon, die begreiflicher Weise nicht säumten die römische Hülfe zu erbitten, waren formell die Angreifer, und Aegypten, wenn auch alexandrinische Gesandte den römischen Senat ersuchten die Vormundschaft über das königliche Kind zu führen, scheint doch keineswegs sich beeilt zu haben durch Anrufung römischer Intervention zwar die au- genblickliche Bedrängniss zu beendigen, aber zugleich der gro- ssen westlichen Seemacht das Ostmeer zu öffnen. Vor allen Din- gen aber hätte die Hülfe für Aegypten zunächst in Syrien geleistet werden müssen und würde Rom in einen Krieg mit Asien und Makedonien zugleich verwickelt haben, was man natürlich um so mehr zu vermeiden wünschte als man fest entschlossen war sich nicht in die asiatischen Angelegen- heiten zu mischen. Es blieb nichts übrig als vorläufig eine Gesandtschaft nach dem Osten abzuordnen, um theils von Aegypten zu erlangen, was den Umständen nach nicht schwer war, dass es die Einmischung der Römer in die östlichen Angelegenheiten geschehen liess, theils den König Antiochos zu beschwichtigen, indem man ihm Syrien preisgab, theils endlich den Bruch mit Philippos möglichst zu beschleunigen und die Coalition der griechisch-asiatischen Kleinstaaten gegen ihn zu fördern (Ende 553). In Alexandria und Antiochia erreichte man ohne Mühe, was man wünschte. Der alexan- drinische Hof hatte keine Wahl und musste dankbar den Marcus Aemilius Lepidus aufnehmen, den der Senat abge- DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. Philippos Art gering zu schätzen. Die Unterstützung, diePhilippos nach dem Frieden mit Rom den Karthagern gewährt haben sollte, war offenbar nicht erweislich. Die römischen Unterthanen in der illyrischen Landschaft beschwerten sich zwar schon seit längerer Zeit über die makedonischen Ueber- griffe. Schon 551 hatte ein römischer Gesandter an der Spitze des illyrischen Aufgebots Philippos Schaaren aus dem illy- rischen Gebiet hinausgeschlagen und der Senat hatte deſs- wegen den Gesandten des Königs 552 erklärt, wenn er Krieg suche, werde er ihn früher finden als ihm lieb sei. Allein diese Uebergriffe waren eben nichts als die gewöhnlichen Frevel, wie Philippos sie gegen seine Nachbarn übte; eine Verhandlung darüber hätte im gegenwärtigen Augenblick zur Demüthigung und Sühnung, aber nicht zum Kriege geführt. Mit den sämmtlichen kriegführenden Mächten im Osten stand die römische Gemeinde dem Namen nach in Freundschaft und hätte ihnen Beistand gegen den Angriff gewähren können. Allein Rhodos und Pergamon, die begreiflicher Weise nicht säumten die römische Hülfe zu erbitten, waren formell die Angreifer, und Aegypten, wenn auch alexandrinische Gesandte den römischen Senat ersuchten die Vormundschaft über das königliche Kind zu führen, scheint doch keineswegs sich beeilt zu haben durch Anrufung römischer Intervention zwar die au- genblickliche Bedrängniſs zu beendigen, aber zugleich der gro- ſsen westlichen Seemacht das Ostmeer zu öffnen. Vor allen Din- gen aber hätte die Hülfe für Aegypten zunächst in Syrien geleistet werden müssen und würde Rom in einen Krieg mit Asien und Makedonien zugleich verwickelt haben, was man natürlich um so mehr zu vermeiden wünschte als man fest entschlossen war sich nicht in die asiatischen Angelegen- heiten zu mischen. Es blieb nichts übrig als vorläufig eine Gesandtschaft nach dem Osten abzuordnen, um theils von Aegypten zu erlangen, was den Umständen nach nicht schwer war, daſs es die Einmischung der Römer in die östlichen Angelegenheiten geschehen lieſs, theils den König Antiochos zu beschwichtigen, indem man ihm Syrien preisgab, theils endlich den Bruch mit Philippos möglichst zu beschleunigen und die Coalition der griechisch-asiatischen Kleinstaaten gegen ihn zu fördern (Ende 553). In Alexandria und Antiochia erreichte man ohne Mühe, was man wünschte. Der alexan- drinische Hof hatte keine Wahl und muſste dankbar den Marcus Aemilius Lepidus aufnehmen, den der Senat abge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0531" n="517"/><fw place="top" type="header">DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.</fw><lb/> Philippos Art gering zu schätzen. Die Unterstützung, die<lb/> Philippos nach dem Frieden mit Rom den Karthagern gewährt<lb/> haben sollte, war offenbar nicht erweislich. 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DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
Philippos Art gering zu schätzen. Die Unterstützung, die
Philippos nach dem Frieden mit Rom den Karthagern gewährt
haben sollte, war offenbar nicht erweislich. Die römischen
Unterthanen in der illyrischen Landschaft beschwerten sich
zwar schon seit längerer Zeit über die makedonischen Ueber-
griffe. Schon 551 hatte ein römischer Gesandter an der Spitze
des illyrischen Aufgebots Philippos Schaaren aus dem illy-
rischen Gebiet hinausgeschlagen und der Senat hatte deſs-
wegen den Gesandten des Königs 552 erklärt, wenn er Krieg
suche, werde er ihn früher finden als ihm lieb sei. Allein
diese Uebergriffe waren eben nichts als die gewöhnlichen
Frevel, wie Philippos sie gegen seine Nachbarn übte; eine
Verhandlung darüber hätte im gegenwärtigen Augenblick zur
Demüthigung und Sühnung, aber nicht zum Kriege geführt.
Mit den sämmtlichen kriegführenden Mächten im Osten stand
die römische Gemeinde dem Namen nach in Freundschaft
und hätte ihnen Beistand gegen den Angriff gewähren können.
Allein Rhodos und Pergamon, die begreiflicher Weise nicht
säumten die römische Hülfe zu erbitten, waren formell die
Angreifer, und Aegypten, wenn auch alexandrinische Gesandte
den römischen Senat ersuchten die Vormundschaft über das
königliche Kind zu führen, scheint doch keineswegs sich beeilt
zu haben durch Anrufung römischer Intervention zwar die au-
genblickliche Bedrängniſs zu beendigen, aber zugleich der gro-
ſsen westlichen Seemacht das Ostmeer zu öffnen. Vor allen Din-
gen aber hätte die Hülfe für Aegypten zunächst in Syrien
geleistet werden müssen und würde Rom in einen Krieg
mit Asien und Makedonien zugleich verwickelt haben, was
man natürlich um so mehr zu vermeiden wünschte als man
fest entschlossen war sich nicht in die asiatischen Angelegen-
heiten zu mischen. Es blieb nichts übrig als vorläufig eine
Gesandtschaft nach dem Osten abzuordnen, um theils von
Aegypten zu erlangen, was den Umständen nach nicht schwer
war, daſs es die Einmischung der Römer in die östlichen
Angelegenheiten geschehen lieſs, theils den König Antiochos
zu beschwichtigen, indem man ihm Syrien preisgab, theils
endlich den Bruch mit Philippos möglichst zu beschleunigen
und die Coalition der griechisch-asiatischen Kleinstaaten gegen
ihn zu fördern (Ende 553). In Alexandria und Antiochia
erreichte man ohne Mühe, was man wünschte. Der alexan-
drinische Hof hatte keine Wahl und muſste dankbar den
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