Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. meer zu sperren, aber Philippos grausame und vernichtendeEroberungspolitik hatte sie gezwungen zu einem ungleichen Kampf, in den die italische Grossmacht zu verwickeln sie alles anwandten. Im eigentlichen Griechenland fanden die rö- mischen Gesandten, die dort eine zweite Ligue gegen Philippos zu stiften beauftragt waren, gleichfalls vom Feinde wesentlich vorgearbeitet. Von der antimakedonischen Partei, den Spar- tanern, Eleern, Athenern und Aetolern hätte Philippos die letzten vielleicht zu gewinnen vermocht, da der Friede von 548 in ihren Freundschaftsbund mit Rom einen tiefen und keineswegs aus- geheilten Riss gemacht hatte; allein abgesehen von den alten Differenzen, die wegen der von Makedonien der aetolischen Eidgenossenschaft entzogenen thessalischen Städte Echinos, Larissa Kremaste, Pharsalos und des phthiotischen Thebae bestanden, hatte die Vertreibung der aetolischen Besatzungen aus Lysimacheia und Kios neue Erbitterung gegen Philippos bei den Aetolern hervorgerufen. Wenn sie zauderten sich der Ligue gegen ihn anzuschliessen, so lag der Grund wohl hauptsächlich in der fortwirkenden Verstimmung zwischen ihnen und den Römern. -- Bedenklicher noch war es, dass selbst unter den fest an das makedonische Interesse geknüpf- ten griechischen Staaten, den Epeiroten, Akarnanen, Boeotern und Achaeern nur die Akarnanen und Boeoter unerschüttert zu Philippos standen. Mit den Epeiroten verhandelten die rö- mischen Gesandten nicht ohne Erfolg und namentlich der König der Athamanen Amynander schloss an Rom sich fest an. Sogar von den Achaeern hatte Philippos durch die Er- mordung des Aratos theils viele verletzt, theils überhaupt einer freieren Entwicklung der Eidgenossenschaft wieder Raum ge- geben; sie hatte unter Philopoemens (Strateg seit 546) Lei- tung ihr Heerwesen regenerirt, in glücklichen Kämpfen gegen Sparta das Zutrauen zu sich selber wiedergefunden und folgte nicht mehr wie zu Aratos Zeit blind der makedonischen Po- litik. Einzig in ganz Hellas sah die achaeische Eidgenossen- schaft, die Philippos Vergrösserungssucht weder zu fördern noch zunächst zu fürchten hatte, diesen Krieg vom unparteii- schen und nationalhellenischen Gesichtspunkte aus an; und begriff, was zu begreifen nicht schwer war, dass die helleni- sche Nation damit den Römern selber sich auslieferte, sogar ehe diese es begehrten und wünschten. Die Achaeer ver- suchten zwischen Philippos und den Rhodiern zu vermitteln; allein es war zu spät. Der nationale Patriotismus, der einst DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. meer zu sperren, aber Philippos grausame und vernichtendeEroberungspolitik hatte sie gezwungen zu einem ungleichen Kampf, in den die italische Groſsmacht zu verwickeln sie alles anwandten. Im eigentlichen Griechenland fanden die rö- mischen Gesandten, die dort eine zweite Ligue gegen Philippos zu stiften beauftragt waren, gleichfalls vom Feinde wesentlich vorgearbeitet. Von der antimakedonischen Partei, den Spar- tanern, Eleern, Athenern und Aetolern hätte Philippos die letzten vielleicht zu gewinnen vermocht, da der Friede von 548 in ihren Freundschaftsbund mit Rom einen tiefen und keineswegs aus- geheilten Riſs gemacht hatte; allein abgesehen von den alten Differenzen, die wegen der von Makedonien der aetolischen Eidgenossenschaft entzogenen thessalischen Städte Echinos, Larissa Kremaste, Pharsalos und des phthiotischen Thebae bestanden, hatte die Vertreibung der aetolischen Besatzungen aus Lysimacheia und Kios neue Erbitterung gegen Philippos bei den Aetolern hervorgerufen. Wenn sie zauderten sich der Ligue gegen ihn anzuschlieſsen, so lag der Grund wohl hauptsächlich in der fortwirkenden Verstimmung zwischen ihnen und den Römern. — Bedenklicher noch war es, daſs selbst unter den fest an das makedonische Interesse geknüpf- ten griechischen Staaten, den Epeiroten, Akarnanen, Boeotern und Achaeern nur die Akarnanen und Boeoter unerschüttert zu Philippos standen. Mit den Epeiroten verhandelten die rö- mischen Gesandten nicht ohne Erfolg und namentlich der König der Athamanen Amynander schloſs an Rom sich fest an. Sogar von den Achaeern hatte Philippos durch die Er- mordung des Aratos theils viele verletzt, theils überhaupt einer freieren Entwicklung der Eidgenossenschaft wieder Raum ge- geben; sie hatte unter Philopoemens (Strateg seit 546) Lei- tung ihr Heerwesen regenerirt, in glücklichen Kämpfen gegen Sparta das Zutrauen zu sich selber wiedergefunden und folgte nicht mehr wie zu Aratos Zeit blind der makedonischen Po- litik. Einzig in ganz Hellas sah die achaeische Eidgenossen- schaft, die Philippos Vergröſserungssucht weder zu fördern noch zunächst zu fürchten hatte, diesen Krieg vom unparteii- schen und nationalhellenischen Gesichtspunkte aus an; und begriff, was zu begreifen nicht schwer war, daſs die helleni- sche Nation damit den Römern selber sich auslieferte, sogar ehe diese es begehrten und wünschten. Die Achaeer ver- suchten zwischen Philippos und den Rhodiern zu vermitteln; allein es war zu spät. Der nationale Patriotismus, der einst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0535" n="521"/><fw place="top" type="header">DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.</fw><lb/> meer zu sperren, aber Philippos grausame und vernichtende<lb/> Eroberungspolitik hatte sie gezwungen zu einem ungleichen<lb/> Kampf, in den die italische Groſsmacht zu verwickeln sie<lb/> alles anwandten. 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DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
meer zu sperren, aber Philippos grausame und vernichtende
Eroberungspolitik hatte sie gezwungen zu einem ungleichen
Kampf, in den die italische Groſsmacht zu verwickeln sie
alles anwandten. Im eigentlichen Griechenland fanden die rö-
mischen Gesandten, die dort eine zweite Ligue gegen Philippos
zu stiften beauftragt waren, gleichfalls vom Feinde wesentlich
vorgearbeitet. Von der antimakedonischen Partei, den Spar-
tanern, Eleern, Athenern und Aetolern hätte Philippos die letzten
vielleicht zu gewinnen vermocht, da der Friede von 548 in ihren
Freundschaftsbund mit Rom einen tiefen und keineswegs aus-
geheilten Riſs gemacht hatte; allein abgesehen von den alten
Differenzen, die wegen der von Makedonien der aetolischen
Eidgenossenschaft entzogenen thessalischen Städte Echinos,
Larissa Kremaste, Pharsalos und des phthiotischen Thebae
bestanden, hatte die Vertreibung der aetolischen Besatzungen
aus Lysimacheia und Kios neue Erbitterung gegen Philippos
bei den Aetolern hervorgerufen. Wenn sie zauderten sich
der Ligue gegen ihn anzuschlieſsen, so lag der Grund wohl
hauptsächlich in der fortwirkenden Verstimmung zwischen
ihnen und den Römern. — Bedenklicher noch war es, daſs
selbst unter den fest an das makedonische Interesse geknüpf-
ten griechischen Staaten, den Epeiroten, Akarnanen, Boeotern
und Achaeern nur die Akarnanen und Boeoter unerschüttert
zu Philippos standen. Mit den Epeiroten verhandelten die rö-
mischen Gesandten nicht ohne Erfolg und namentlich der
König der Athamanen Amynander schloſs an Rom sich fest
an. Sogar von den Achaeern hatte Philippos durch die Er-
mordung des Aratos theils viele verletzt, theils überhaupt einer
freieren Entwicklung der Eidgenossenschaft wieder Raum ge-
geben; sie hatte unter Philopoemens (Strateg seit 546) Lei-
tung ihr Heerwesen regenerirt, in glücklichen Kämpfen gegen
Sparta das Zutrauen zu sich selber wiedergefunden und folgte
nicht mehr wie zu Aratos Zeit blind der makedonischen Po-
litik. Einzig in ganz Hellas sah die achaeische Eidgenossen-
schaft, die Philippos Vergröſserungssucht weder zu fördern
noch zunächst zu fürchten hatte, diesen Krieg vom unparteii-
schen und nationalhellenischen Gesichtspunkte aus an; und
begriff, was zu begreifen nicht schwer war, daſs die helleni-
sche Nation damit den Römern selber sich auslieferte, sogar
ehe diese es begehrten und wünschten. Die Achaeer ver-
suchten zwischen Philippos und den Rhodiern zu vermitteln;
allein es war zu spät. Der nationale Patriotismus, der einst
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